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Bereits verlegte Stolpersteine



Noemi Nora Toczek * 1938

Isestraße 37 (Eimsbüttel, Harvestehude)

1942 Theresienstadt
1944 Auschwitz
ermordet

Weitere Stolpersteine in Isestraße 37:
Rosa Dallmann, Betty Francken, Walter Labowsky, Margarethe Labowsky, Alice Labowsky, Artur Toczek, Reha Toczek, Nelly Toczek

Artur Toczek, geb. 22.11.1908 in Hindenburg, am 14.7.1942 deportiert nach Theresienstadt, am 19.10.1944 weiter deportiert nach Auschwitz
Nelly Toczek, geb. Nathan, geb. 15.1.1909 in Oels, am 14.7.1942 deportiert nach Theresienstadt, am 19.10.1944 weiter deportiert nach Auschwitz
Neomi Nora Toczek, geb. 28.7.1938 in Hamburg, am 14.7.1942 deportiert nach Theresienstadt, am 19.10.1944 weiter deportiert nach Auschwitz
Reha Toczek, geb. 16.4.1942 in Hamburg, am 14.7.1942 deportiert nach Theresienstadt, am 19.10.1944 weiter deportiert nach Auschwitz

Artur Toczek, geboren in Hindenburg in Oberschlesien, kam aus Ratibor nach Hamburg. Im Sommer 1935 stellte die Talmud Tora Schule ihn als Referendar mit der Lehrbefähigung für Physik und Mathematik ein. Er war dort bis zur Auflösung der Schule als Lehrer tätig.

Hatte Toczek seine Laufbahn noch an einer halbwegs "normalen" höheren Schule für Knaben begonnen, so wanderten nach der Pogromnacht im November 1938 mehr und mehr Familien mit ihren Kindern aus oder schickten sie mit einem Kindertransport ins Ausland. Die Mädchenschule in der Carolinenstraße wurde mit der Talmud Tora Schule zusammengelegt, wobei der Unterricht in der Carolinenstraße stattfand. 1939 verlor die Schule ihren traditionsreichen Namen und wurde in "Volks- und Höhere Schule für Juden" umbenannt. Zum Schuljahr 1940/41 wurde Artur Toczek zum Oberlehrer ernannt und übernahm hauptamtlich den Unterricht in Physik, Chemie und Mathematik in den oberen Klassen der Höheren Schule. Außerdem verwaltete er die Physiksammlung, nachdem der Kollege, der diese Aufgabe bis Januar 1940 wahrgenommen hatte, ausgewandert war.

Die Bewegungsfreiheit der Juden war zu dieser Zeit schon durch zahlreiche schikanöse Verordnungen erheblich eingeschränkt. Damit Artur Toczek überhaupt in die Schule gelangen konnte, musste bei der Gestapo eine Genehmigung eingeholt werden, um ihm die Fahrt mit der Straßenbahn zu ermöglichen. Ebenso benötigte er eine Sondererlaubnis, um sich abends nach 20 Uhr noch auf der Straße aufhalten zu dürfen, da die Arbeit in der Sammlung oft bis in die Abendstunden dauerte.

Von Oktober bis Dezember 1941 rissen vier Deportationen große Lücken in die Schulgemeinschaft. Die meisten Kinder und mehrere Kollegen traten den Weg nach Lodz, Minsk und Riga an. 76 Schüler und elf Lehrer blieben zurück, unter ihnen Artur Toczek. Er führte eine Klasse aus Quarta und Untertertia, kombiniert mit Schülern der 7. und 8. Volksschulklasse.

Im Frühjahr 1942 musste die jüdische Schule der Sprachheilschule weichen. Während der letzten Wochen trafen sich Schüler und Lehrer im Jüdischen Knabenwaisenhaus am Papendamm. Bis zum 19. Juli 1942 wurden sämtliche Lehrer und Schüler deportiert, entweder nach Theresienstadt oder direkt in den Tod nach Auschwitz.

Im August 1937 hatte Artur Toczek Nelly Nathan geheiratet. Sie war im Mai desselben Jahres aus Breslau nachgekommen. Ihre erste gemeinsame Bleibe fand das Ehepaar zur Untermiete in der Isestraße 37. Dort wurde ihre erste Tochter Neomi geboren. Danach zog die Familie noch zweimal um, zunächst zur Untermiete in die Schlüterstraße, dann im Juni 1939 in eine eigene Wohnung im Gebäude der Jüdischen Gemeinde in der Heimhuder Straße 70, wo die Toczeks ihrerseits eine Untermieterin aufnahmen. In diesem Haus befand sich die Beratungsstelle für jüdische Wirtschaftshilfe und die Jüdische Haushaltungsschule, an der Nelly Toczek, selbst Schneidermeisterin, die Klasse für Schneiderinnen unterrichtete. Außerdem engagierte sie sich in der Beratungsstelle für Jüdische Wirtschaftshilfe.

Am 24. Dezember 1941 musste die Familie ins "Judenhaus" in der Benneckestraße ziehen, wo auch Artur Toczeks Mutter, Salka Toczek, untergebracht war. Dort kam am 16. April 1942 Reha, die zweite Tochter, zur Welt.

Am 15. Juli 1942 wurden alle, die junge Familie und die Großmutter, nach Theresienstadt deportiert, zusammen mit der Kollegin Lilly Freimann und mehreren der verbliebenen Schüler der Talmud Tora Schule. Vier Tage später folgten die letzten beiden Lehrer.

Reha Toczek war noch keine drei Monate alt, als sie mit ihren Eltern in den Zug nach Theresienstadt verfrachtet wurde. Etwas mehr als zwei Jahre blieb die Familie dort. Da es in Theresienstadt ein gewisses Maß an Bewegungsfreiheit für die Insassen gab, kann man sich vorstellen, dass die Großmutter das Heranwachsen ihrer Enkeltöchter in aller Not und Bedrängnis miterleben konnte, zum Beispiel wie Neomi zu einem Schulkind heranwuchs. Das belegt eine Postkarte, mit der Neomi vergeblich nach ihrer "Tante" Fanny David suchte. Die bekannte Hamburger Beamtin im Wohlfahrtsamt, später in der Sozialarbeit der Jüdischen Gemeinde tätig, befand sich seit dem 23. Juni 1943 ebenfalls in Theresienstadt. Die Postkarte – im Namen ihrer Schwester Reha – im Juni geschrieben, wurde erst am 3. August aus Berlin abgeschickt. Post von und nach Theresienstadt musste zeitweise über die dortige Zentrale der "Reichsvereinigung der Juden in Deutschland" versandt werden.

Dann brach über Salka Toczek die große Ungewissheit herein: Ihre Kinder und die zwei Enkelinnen wurden mit einem Transport in "den Osten" gebracht und sie hörte nie wieder etwas von ihnen. Die junge Familie Toczek befand sich auf dem Transport "Es 106" nach Auschwitz.

Salka Toczek war eine der wenigen Überlebenden der Schoah. Sie gehörte zu den 1200 Personen, die im Februar 1945 über das Internationale Rote Kreuz aus Theresienstadt befreit und direkt in die Schweiz gebracht wurden. Dort kam sie ins Auffanglager St. Gallen. Der Leiter des Altersheimes, in dem sie unterkam, bemühte sich in den fünfziger Jahren, Informationen über das Schicksal der Kinder zu sammeln, bevor sie für tot erklärt wurden. In der Antwort hieß es: "Aus einer Mitteilung des Tschechischen Roten Kreuzes vom 25.5.1951 geht hervor, dass der Transport ,Es‘ als Todestransport anzusehen ist, von dem weniger als 10 Prozent nach dem Krieg zurückkehrten."

Für Artur Toczek liegt ein zweiter Stolperstein vor der Talmud Tora Schule am Grindelhof 30.

Nach Fanny David ist seit 1964 in Hamburg-Lohbrügge eine Straße benannt. Ein Stolperstein für sie liegt in der Haynstraße 5 in Hamburg-Eppendorf.

© Christa Fladhammer

Quellen: 1; ITS/Arch/KL Bergen-Belsen Ordner 4, S.84; ITS/Arch/F-18-49 Ordner 27, S. 210; ITS/Arch/TD 307 489-492; StaH, 741-4 Fotoarchiv, Sa 1254; StaH, 522-1 Jüd. Gemeinden, 992 e 2, Bd.1; Ursula Randt, Die Talmud Tora Schule in Hamburg, Hamburg 2005, S. 169ff, S. 264; Das Jüdische Hamburg, Ein historisches Nachschlagswerk, Herausgegeben vom Institut für die Geschichte der deutschen Juden, Göttingen 2006, S. 52f.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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