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Bereits verlegte Stolpersteine



Porträt Arno Glassmann
Arno Glassmann
© Yad Vashem

Arno Glassmann * 1898

Haynstraße 5 (Hamburg-Nord, Eppendorf)

1941 Minsk

Weitere Stolpersteine in Haynstraße 5:
Liselotte Brinitzer, Fanny David, Kurt Glassmann, Helene Herzberg, Eleonore Holz, Jacob Holz, Antonie Fanny Riess, Helma Wehl, Irma Zancker

Arno Glassmann, geb. 4.2.1898 in Ahlbeck, am 8.11.1941 nach Minsk deportiert

Haynstraße 5

Dass es außer dem Ostseebad Ahlbeck auf Usedom noch einen weiteren Ort namens Ahl­beck gibt, ist wenig bekannt. Dieser, heute "Sandbad Ahlbeck” genannt, liegt acht Kilometer vom Stettiner Haff entfernt in der Ueckermünder Heide und war der Geburtsort von Arno Glassmann. Heute leben dort 840 Menschen. 1865 hatte Ahlbeck 614 Einwohnerinnen und Einwohner, die mit Landwirtschaft, Fischfang, Leineweberei und Handel ihren Lebensunterhalt verdienten. Arnos Vater, der Kaufmann Moses H. (Max) wurde dort 1857 geboren. Im Jahre 1886 zeigte er auf dem dortigen Standesamt den Tod seines Bruders Adolf an, mit dem er gemeinsam in seiner Wohnung gelebt hatte.

Max heiratete die aus Dölitz bei Leipzig stammende Johanna Manasse. Das Ehepaar bekam fünf Kinder. Herbert wurde 1896 geboren, Arno (im Personenstandsbuch des Standesamtes als "Arnow” eingetragen) im Fe­bruar 1898. Im Juli 1899 kam Erna zur Welt, die nur vier Wochen alt wurde. Im November 1900 wurde ein weiterer Sohn, Kurt, geboren, 1904 schließlich Edith in Arns­walde. Alle anderen Kinder erblickten in der elterlichen Wohnung in Ahl­beck das Licht der Welt. Sowohl bei den Eltern als auch den Kindern war als Religion "mosaisch” eingetragen, d. h. jüdisch.

Im Oktober 1901 meldete Johanna Glassmann dem Standesamt den Tod von Max‘ Mutter Scheine (Janette) Glassmann, geb. Levi (bzw. Levin), die aus Fiddichow stammte. Deren Mann, der Kaufmann Hirsch Glassmann, war schon zu einem früheren Zeitpunkt verstorben.

Über das Leben der Familie Glass­mann in Ahlbeck wissen wir bisher nichts. Spätestens zur Geburt von Arnos Schwes­ter Edith 1904 zog sie nach Arnswalde um. Im Einwohnerverzeichnis der Stadt von 1924 sind unter der Adresse Steintorstraße 8 eingetragen: Glaßmann, Max (Eigentümer), Manufaktur- und Konfektionsgeschäft, Kurz-, Putz- und Schuhwaren; Kurt, Kaufmann sowie Edith, ohne Beruf.

Edith heiratete den in Leipzig lebenden Kaufmann Heinrich Seckel, Inhaber einer Handelsvertretung für Textilwaren in der Waldstraße 72. Das Ehepaar hatte zwei Kinder, Ilse Jutta, geboren am 18. Februar 1929, und Joachim Philipp, geboren am 8. Februar 1930. Alle waren Gemeindemitglieder. Heinrich Seckel emigrierte im August 1939 nach England und zog später in die USA. Ob auch seine Familie sich retten konnte, ist uns nicht bekannt.

Spätestens im November 1933 muss Max Glassmann mit seiner Frau und den Söhnen Arno und Kurt nach Hamburg gezogen sein, denn seit dieser Zeit liegen für ihn und Arno Kultussteuerkarteien der Jüdischen Gemeinde Hamburg vor. Bei Arno ist als Beruf Kaufmann angegeben, dann Diener, auf der Deportationsliste schließlich Koch und Diener. Max ist als Rent­ner verzeichnet. Er wohnte mit Johanna am Grindelberg 33, wo er 1935 starb. Ein Jahr darauf zog seine Witwe als Untermieterin in die Heinrich-Barth-Straße 19 zu Kronthal. Johanna Glassmann starb 1937 in Leipzig in der Waldstraße 72, hatte also ihr letztes Lebensjahr bei ihrer Tochter verbracht. Später wurde ihr Sarg nach Hamburg überführt. Auf dem Grabstein ihres Mannes auf dem Jüdischen Friedhof Ihlandkoppel steht auch ihr Name.

Für den Sohn Kurt gibt es, ebenso wie für Arno und Herbert, kein Grab. Von ihm existiert eine Krankenkartei der "Heil- und Pflegeanstalt” Langenhorn. Daraus geht hervor, dass er im Januar 1936 von Eppendorf (gemeint ist wohl das Universitätskrankenhaus) mit der Diagnose "Schwachsinn” nach Langenhorn verlegt wurde. Unter der Rubrik "entl. oder gestorb.” ist der 23. September 1940 eingetragen, der Tag, an dem er in die Tötungsanstalt Brandenburg deportiert wurde. Da Kurt 1924 in Arnswalde noch als Kaufmann tätig gewesen war, ist er vermutlich irgendwann später erkrankt (an Meningitis z. B.) oder hat einen Unfall erlitten. Arnos Bruder Herbert hatte in Berlin gelebt und wurde am 5. September 1942 nach Riga deportiert, wo er drei Tage später ermordet wurde.

Arno, der ledig geblieben war, hatte in Hamburg häufig wechselnde Wohnadressen. Wahrscheinlich handelte es sich zugleich um seine Arbeitsstellen, denn er war ja als Hausangestellter tätig. Auf der Kultussteuerkartei sind angegeben: Heinrich-Barth-Straße 19 bei Poppenburg, dann Eppendorfer Baum 11 bei Löwenberg, Hegestieg 12, Wrangelstraße 30 bei Müller und Eppendorfer Baum 10 bei Gaus oder Jens (schlecht leserlich). Zuletzt wohnte er, wie auch auf der Deportationsliste vermerkt, zur Untermiete in der Haynstraße 5 im dritten Stock bei Josephi.

Seine finanziellen Verhältnisse müssen desolat gewesen sein. Er konnte über Jahre hinweg keinerlei Steuern an die Jüdische Gemeinde zahlen. Aus einem Schreiben des "Merkur Kontor” an den Oberfinanzpräsidenten vom August 1939 geht hervor, dass Arno als alleiniger Testamentsvollstrecker seiner Mutter eine Hypothek über 692,74 RM an Merkur verkauft hatte. Diese war im Grundbuch von Zabelsdorf (Stadtkreis Stettin) eingetragen. Die Firma Merkur wollte bescheinigt haben, dass "keine Sicherungsanordnung besteht und gegen den Erwerb des Dokumentes keine Bedenken bestehen”.

Im Mai 1939 hatte Arno sich eine "Unbedenklichkeitsbescheinigung” der Behörde des Oberfinanzpräsidenten ausstellen lassen. Diese besagte, er habe alle geforderten Steuern und Abgaben entrichtet. Das war Voraussetzung für eine eventuelle Auswanderung. Eine Mög­lich­keit, sich tatsächlich ins Ausland zu retten, hatte Arno Glassmann nicht. Anfang November 1941 bekam er einen "Evakuierungsbefehl” und musste sich in der Moorweidenstraße 36 (Logenhaus) einfinden. Den dort versammelten Menschen wurde gesagt, sie sollten die Städte im Osten wieder aufbauen. Arno Glassmann wurde ins Getto Minsk deportiert. Wie lange er dort überleben konnte, ist nicht bekannt.

© Sabine Brunotte

Quellen: 1; 2; 4; StaH 314-15 OFP, R 1939/2920; StaH 352-8/7, Abl. 1999/01 Kartei; StaH 522-1 Jüd. Gemeinden, 992e2 Band 2; StaH 332-8 Meldewesen, A 51/1 (Arno Glassmann); schriftl. Auskunft Stadtverwaltung Eggesin, Standesamt, vom 2.9.2009; www.sandbad-ahlbeck.de, Zugriff 6.9.2009; mündliche Auskunft Gudrun Stein, Heimatstube Ahlbeck, Telefonat vom 8.9.2009; schriftliche Auskunft Israelitische Religionsgemeinde zu Leipzig vom 29.6.2010; www.bundesarchiv.de/gedenkbuch, Zugriff 13.5.2010; mündliche Auskunft Waldfried Schnabel, Heimatstube Arnswalde, Telefonat vom 5.10.2010
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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