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Rachel Rosa Abosch (geborene Stapelfeld) * 1895
Rieckhoffstraße 5 (Harburg, Harburg)
HIER WOHNTE
RACHEL ROSA
ABOSCH
GEB. STAPELFELD
JG. 1895
ABGESCHOBEN 1938
ZBASZYN / POLEN
ERMORDET
Weitere Stolpersteine in Rieckhoffstraße 5:
Klara Ruth Abosch, Richard David Abosch, Benjamin Findling, Alfred Findling, Adolf Greif, Fanny Greif
Klara Ruth Abosch, geb. am 4.2.1922 in Harburg, ausgewiesen am 28.10.1938 nach Zbasczyn (Polen), Todesdatum unbekannt
Rachel (Rosa) Abosch, geb. Stapelfeld, geb. am 16.5.1895 in Kolomea, ausgewiesen am 28.10.1938 nach Zbasczyn (Polen), Todesdatum unbekannt
Richard David Abosch, geb. am 2.2.1926 in Harburg, ausgewiesen am 28.10.1938 nach Zbasczyn (Polen), Todesdatum unbekannt
Stadtteil Harburg-Altstadt, Rieckhoffstraße 5
Rachel (Rosa) Abosch war die zweite Tochter des jüdischen Ehepaares Josef (19.4.1865–30.10.1915) und Anna Stapelfeld (24.4.1869–8.5.1910), die in Harburg ein Manufakturwaren- und Möbelgeschäft führten. Nach dem Tod des Vaters traten die vier Kinder zunächst gemeinsam seine Nachfolge an. Einige Jahre später schied Rosa als erste aus der gemeinsamen Geschäftsleitung aus, als sie den jüdischen Textilhändler Moritz Abosch heiratete, der wie sie aus Ostgalizien stammte. Das Ehepaar bezog eine Wohnung in der Konradstraße 5 (heute: Rieckhoffstraße), in der auch ihre beiden Kinder Klara Ruth und Richard David die ersten Lebensjahre verbrachten.
Als die Zeiten für jüdische Bürgerinnen und Bürger nach 1933 immer schwieriger wurden, stellte Moritz Abosch im Juli 1938 für sich und seine Familie einen offiziellen Antrag auf Ausreise in die USA. Wie vorgeschrieben, legte er dem Hamburger Oberfinanzpräsidenten seine Vermögenserklärung vor, die einen Betrag von 800 RM als Kapitalvermögen und eine Aufstellung von 2680 RM als ausstehende Warenforderungen auswies. Der Hamburger Oberfinanzpräsident erließ daraufhin eine "Sicherungsanordnung", von der der Adressat jedoch erst auf Umwegen erfuhr, weil er bereits am 2. September 1938 – vermutlich Hals über Kopf – das Deutsche Reich mit einem Schiff in Richtung USA verlassen hatte. Die Familie sollte so schnell wie möglich nachkommen. Rachel (Rosa) Abosch hatte Vollmacht, ihren Mann in allen Vermögensfragen zu vertreten und übernahm jetzt auch seine Rolle bei der Erledigung aller weiteren Formalitäten, die vor einer offiziellen Auswanderung zu erfüllen waren.
Dies zog sich hin. Ihre Hoffnungen, ihrem Mann so schnell wie möglich mit der Tochter und dem Sohn folgen zu können, endeten jäh. Am 28. Oktober 1938 wurde Rachel (Rosa) Abosch mit ihren beiden Kindern und rund 1000 Hamburgerinnen und Hamburgern polnischer Herkunft abends an die deutsch-polnische Grenze bei Neu-Bentschen gebracht und am nächsten Morgen nach Polen abgeschoben. Die folgenden Wochen und Monate verbrachten sie mit ebenfalls vertriebenen Menschen in dem heillos überfüllten polnischen Grenzort Zba˛szy´n. Einige versuchten, von dort aus zu Verwandten in Polen zu gelangen, andere kehrten kurzfristig nach Deutschland zurück, um von hier verstärkt nach Ausreisemöglichkeiten in andere Länder zu suchen. Spätestens im Sommer 1939 wurden alle, die in Zba˛szy´n verblieben waren, ins polnische Landesinnere gebracht.
Nach der Besetzung Polens durch deutsche Truppen waren die aus Deutschland Abgeschobenen von der bald einsetzenden Judenverfolgung genauso betroffen wie ihre polnischen Glaubensbrüder und -schwestern. Sie verlief in den "eingegliederten Gebieten" und im "Generalgouvernement" noch radikaler als im Deutschen Reich. Den vielen wilden Ausschreitungen gegen die jüdische Bevölkerung Polens in den ersten Kriegstagen folgten schon bald die offizielle Einführung der allgemeinen Arbeitspflicht für jüdische Männer und die Vertreibung der jüdischen Familien aus den ländlichen Gebieten in die größeren Städte. Hier wurden die jüdischen Bewohner dann in bestimmten Wohnbezirken zusammengezogen, die ständig verkleinert und später abgesperrt wurden.
Die Lebensbedingungen in diesen hermetisch abgeriegelten Gettos waren mehr als erbärmlich. Das belegt auch der verzweifelte Hilfeschrei Rachel (Rosa) Aboschs aus dem Warschauer Getto im November 1941. In ihrer großen Not bat sie das Amtsgericht auf einer einfachen Postkarte um dringende Hilfe bei der Weiterleitung eines für sie bestimmten Pakets. Es war ihr letztes Lebenszeichen.
Die Konzentration der polnischen Jüdinnen und Juden in diesen hermetisch abgeriegelten Wohnbezirken war eine wichtige Voraussetzung für ihre anschließende Deportation in die nationalsozialistischen Vernichtungslager. Von hier aus wurden diejenigen, die bis dahin nicht in ihren primitiven Unterkünften erfroren oder verhungert bzw. infolge schlechter medizinischer Versorgung gestorben waren, von den Akteuren des Massenmords und ihren Helfershelfern in den Tod geschickt.
Moritz Abosch hoffte nach dem Zweiten Weltkrieg noch lange vergeblich auf ein Wiedersehen mit seiner Frau und den beiden Kindern. Niemand konnte ihm sagen, wann, wo und wie sie umgekommen waren.
Zu den Opfern des Holocaust zählen auch seine Schwägerin Salka Beer, geb. Stapelfeld, und ihr Mann Robert Beer (siehe ders.), sein Schwager David Linden (siehe ders.) und seine Nichten Hella Beer (siehe ders.) und Anna Schwarz (siehe Stolpersteine in Hamburg-Hamm).
© Klaus Möller
Quellen: 1; 2; 4; 5; 8; Heyl (Hrsg.), Harburger Opfer; StaH, 351-111, Abl. 2008/1; AfW 251195 u. 160595; Wulf, Das Dritte Reich, S. 234 f.; Thevs, Stolpersteine in Hamburg-Hamm.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Recherche und Quellen.