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Bereits verlegte Stolpersteine



Arnold Cohn * 1884

Mittelweg 16 (Eimsbüttel, Rotherbaum)

1941 Minsk

Weitere Stolpersteine in Mittelweg 16:
Rosa Cohn, Hildegard Kaufmann

Arnold Cohn, geb. 17.4.1884 in Hamburg, deportiert am 8.11.1941 nach Minsk, am 21.7.1944 im KZ Reichshof ermordet
Rosa Cohn, geb. Baer, geb. 31.12.1885 in Lübeck, deportiert am 8.11.1941 nach Minsk, dort am 21.1.1943 ermordet

Als Sohn des Buchhalters Joseph Cohn und Dorothea (genannt Doris) Cohn geb. Wehl in Hamburg geboren, gründete der Kaufmann Arnold Cohn nach seiner Rückkehr aus dem Ersten Weltkrieg im August 1919 ein eigenes Geschäft "Papierwaren engros" (Papier, Postkarten, Bleistifte). Dem Laden angeschlossen war eine 3-Zimmer-Wohnung in der Gneisenaustraße 23 (Hoheluft-West). Er fotografierte auch verschiedene Motive selbst und ließ die Postkarten mit dem Firmenkürzel "A.C." drucken.
Arnold Cohn war Mitglied der Deutsch-Israelitischen Gemeinde in Hamburg und des Synagogen Verbandes. Verheiratet war er seit 1914 mit der aus Lübeck stammenden Rosa Cohn geb. Baer; getraut wurden sie von Rabbiner Dr. Joseph Carlebach (1883-1942) am Wohnort der Braut. Auch deren Eltern Levy Louis Joseph Baer und Minna Baer geb. Mannheim, hatten 1870 in der Hansestadt Lübeck geheiratet; dort wurden auch ihre sechs Kinder geboren.

Im Dezember 1929 wurde Arnold und Rosa Cohns Sohn Edgar in Hamburg geboren. Die Weltwirtschaftskrise beeinträchtigte auch das Geschäft von Arnold Cohn. Im März 1930 musste er die Geschäftsräume vom Großen Burstah 44 in die Privatwohnung verlegen. Aber auch 1932 war das Geschäft nicht wieder auf die alte Höhe gekommen und so hatte er wohl zusätzlich eine Tätigkeit als Vertreter für Papierwaren übernommen. Zu den ökonomischen Problemen eines selbständigen Kaufmanns gesellte sich ab 1933 in steigendem Maß eine administrativ gesteuerte Benachteiligung als Unternehmer. Um für die Familie im Ausland die Möglichkeiten einer neuen Existenz zu sondieren, beantragte Arnold Cohn beim NS-Staat im Januar 1936 die Freigabe von Devisen für eine als Geschäftsreise deklarierte Auslandsfahrt, vermutlich in die USA. Die Antwort der Devisenstelle ist nicht überliefert.

Als der Sohn Edgar im Frühjahr 1936 in die Schule kam, galt zwar noch kein gesonderter Unterricht für jüdische Schüler (der trat erst am 15.11.1938 in Kraft), aber die Stimmung im Deutschland der NS-Zeit war bereits so angespannt, dass die Eheleute Cohn, um ihr Kind zu schützen, keine andere Wahl sahen, als es in der rein jüdischen Talmud-Tora-Realschule am Bornplatz (Rotherbaum) einzuschulen. Nach deren zwangsweiser staatlicher Schließung 1939 wurden die Schüler an die Jüdische Mädchenschule in der Karolinenstraße überwiesen, wo es nur noch rudimentären Unterricht gab. Auch die ein Jahr ältere Cousine Hedi Baer (siehe dort) besuchte diese Schule. Ab Oktober 1941, dem Beginn der Deportationen, durfte diese Schule nur noch als Volksschule geführt werden, bevor sie im Juni 1942 wie alle jüdischen Schulen in Deutschland geschlossen wurde.

Als Konsequenz aus der systematischen Benachteiligung und administrativen Behinderung sowie seiner Verschleppung am 9. November 1938 ins KZ Sachsenhausen /Oranienburg (Häftlingsblock 60) musste Arnold Cohn sein Geschäft aufgeben. Am 21. Dezember 1938 wurde er aus dem Konzentrationslager entlassen und unter Androhung weiterer Strafe zur Verschwiegenheit über die dortige Behandlung verpflichtet. Seine Rechte als deutscher Staatsbürger waren zu großen Teilen aufgehoben, seine wirtschaftliche Existenz war vernichtet, er war ohne Arbeit und Einkommen. Im Dezember 1938 schien die seit 1936 angestrebte Emigration in die USA Realität zu werden, Teile der Wohnzimmereinrichtung wurden nun in drei großen Umzugskisten (Lifts) verpackt und Fahrkarten für die Familie gekauft.

Auf der Kultussteuerkarte der Deutsch-Israelitischen Gemeinde war bereits die Abwanderung "U.S.A. 31/12.38" notiert. Aus unbekannten Gründen kam es aber nicht zur Ausreise von Familie Cohn. Die vermutlich im Hafen lagernden Umzugskisten wurden zu Teilen geplündert. Der Sohn erinnerte sich später gegenüber dem Amt für Wiedergutmachung an den Versuch, den Diebstahl anzuzeigen: "Als mein Vater Ansprüche wegen des Verlusts bei der Speditionsgesellschaft erheben wollte, wurde ihm bedeutet, dass er als Jude keine Entschädigung erhalten könnte." Arnold Cohn verschob notgedrungen die Ausreise und entschied sich zum Verkauf der Passagescheine, um davon eine gebrauchte Wohnungseinrichtung für eine 2-Zimmer- Hausmeisterwohnung im Mittelweg 16 als Übergangslösung zu erwerben. In der Wohnung hatte vorher eine Tante gewohnt, die nun in ein Altersheim umzog. Der NS-Staat verpflichtete den 55jährigen Arnold Cohn ab 1939 zur Zwangsarbeit als Erdarbeiter. Erneut versuchte die Familie mit dem Verkauf ihrer Wohnungseinrichtung Kapital für eine Überfahrt in die USA zu erhalten. Als Konsequenz wohnte sie zur Untermiete bei Verwandten in der Grindelallee 21, der Beneckestraße 16 und bei einer der vier Schwestern von Rosa Cohn geb. Baer in der Heinrich-Barth-Straße 8 (Rotherbaum).

Im Mai 1940 wurde die Firma von Arnold Cohn auch offiziell im Handelsregister gelöscht. Am 8. November 1941mussten Arnold Cohn, seine 55jährige Ehefrau und ihr 12jähriger Sohn dem Deportationsbefehl nach Minsk folgen. Auch die Familie von Rosa Cohn’s Bruder Joseph Baer (siehe dort) wurde an diesem Tag deportiert. Edgar Cohn wurde nach rund einem Jahr Getto-Aufenthalt in den nächsten 2 ½ Jahren in 12 Konzentrationslager deportiert, ehe er Ende April 1945 nach Flensburg kam, wo er Mitte Mai 1945, abgemagert auf 39 kg. Gewicht, befreit wurde. Er konnte gegenüber dem Amt für Wiedergutmachung die Todesdaten und –orte seiner Eltern angeben.

Für Rosa Cohn’s Bruder Joseph Baer (geb. 19.4.1884 in Lübeck), seine Ehefrau Else (geb. 1888) sowie die Töchter Ingrid (geb. 1922) und Hedi (geb. 1928), die ebenfalls am 8. November 1941 nach Minsk deportiert wurden, sind Stolpersteine in der Isestraße 61 verlegt worden.

Die jüngste Schwester Schwester von Rosa Cohn geb. Baer. Elsa Strawczynski geb. Baer (geb. 11.6.1892
in Lübeck) flüchte zusammen mit ihrem Ehemann David (geb. 1899 in Olszowka/ Polen) sowie den Söhnen Fred (geb. 1923 in Lübeck) und Leon (geb. 1924 in Lübeck) vor den nationalsozialistischen Repressalien in Deutschland nach Brüssel (Belgien). Am 11. August 1942 wurde die gesamte Familie vom erst wenige Wochen vorher eingerichteten SS-Sammellager Malines/ Mechelen (Belgien) ins Vernichtungslager Ausschwitz-Birkenau deportiert. Die meisten Deportierten aus Malines wurden kurz nach der Ankunft im Vernichtungslager in den Gaskammern ermordet, vermutlich auch Familie Strawczynski.

© Björn Eggert

Quellen: Staatsarchiv Hamburg (StaH), 351-11 (Amt für Wiedergutmachung), 49386 (Edgar Sch.); StaH 522-1, 992b (Kultussteuerkartei der Deutsch-Israelitischen Gemeinde Hamburg); Archiv der Hansestadt Lübeck, Personenstandsregister der Israelitischen Gemeinde Band 2 (Eheschließungen) No.278; Gedenkstätte Sachsenhausen, Archiv, Anweisung der Politischen Abteilung und Sonderliste; Yad Vashem, Page of Testimony/ Gedenkblatt für Elsa, David, Fred u. Leo Strawczinski (1999 eingereicht); Gedenkbuch Hamburger Jüdische Opfer des Nationalsozialismus, Hamburg 1995; Gedenkbuch Opfer der Verfolgung unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945, Bundesarchiv Koblenz 1986; Christa Fladhammer /Maike Grünwald, Stolpersteine in der Hamburger Isestraße – Biografische Spurensuche, Hamburg 2010 (Joseph Baer); Amtliches Fernsprechbuch Hamburg 1920, 1931; Handelskammer Hamburg, Firmenarchiv; (Handbuch) Hamburger Börsenfirmen 1935, S. 138.

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