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Bereits verlegte Stolpersteine



Familie auf einer Bank sitzend: Gerda Link, ihre Tochter Rakhel, Ehemann v.l.n.r.
Gerda Link mit ihrer Tochter Rakhel und Ehemann Zikmund
© Privatbesitz

Gerda Link (geborene Levy) * 1911

Heinrich-Barth-Straße 21 (Eimsbüttel, Rotherbaum)


HIER WOHNTE
GERDA LINK
GEB. LEVY
JG. 1911
FLUCHT SLOWAKEI
DEPORTIERT
AUSCHWITZ
ERMORDET 1944

Weitere Stolpersteine in Heinrich-Barth-Straße 21:
Hedwig Eisemann, Jenny Jastrow, Felix Levy, Amalie Levy

Gerda Link, geb. Levy, geb. 16.12.1911 in Hamburg, deportiert am 18.10.1944 von Bratislava nach Auschwitz

Heinrich-Barth-Straße 21

Gerda (Rivka) Link, geb. Levy kam als zweitjüngste Tochter des am 9.10.1874 geborenen Kaufmannes Felix (Uri) und seiner am 6.2.1880 ebenfalls in Hamburg geborenen Ehefrau Amalie (Mali) Levy, geb. Jastrow, zur Welt.

Der Stolperstein wurde auf Wunsch ihrer jüngeren Schwester Hannah Flusser, geb. Levy 2009 mit den Stolpersteinen ihrer Eltern und Großmutter Jenny Jastrow, geb. Michael, die dem Holocaust auch zum Opfer gefallen sind, verlegt. Es handelt sich um die gemeinsame Wohnadresse, in der Gerda ihre Kindheit und Jugend mit ihren Eltern und Geschwistern verbracht hat. Dementsprechend hat der Stolperstein einen symbolischen Charakter, er vereinigt die engsten Familienmitglieder wieder an dem Ort, an den sich Hannah Flusser, gerne erinnert hat.

Beide Elternteile und viele Verwandte fielen den Nationalsozialisten zum Opfer. Trotz finanzieller Rückschläge, z. B. Beschlagnahmung des Vermögens, Sperrung deutscher und ausländischer Konten sowie die Erfahrung täglicher Ausgrenzung innerhalb der deutschen Gesellschaft, sah Felix Levy keinen Grund für sich und seine Ehefrau, eine Auswanderung in die Wege zu leiten. Zu verbunden fühlte er sich mit Deutschland, da er im Ersten Weltkrieg als Soldat für das Deutsche Reich gedient hatte und stolzer Deutscher war. Schließlich wurden Felix und Amalie Levy nach Auschwitz deportiert und ermordet. Sie wurden am 29.7.1953 durch Beschluss des Amtsgerichtes Hamburg mit dem Ende des Jahres 1945 für tot erklärt. Gerda Links Schwestern Ruth Therese Rosettenstein, geb. Levy, geb. am 31.8.1909 in Hamburg, und Ella Hannah Flusser, geb. Levy, geb. am 2.7.1920 in Hamburg, überlebten dagegen den Holocaust, nach 1945 lebten beide in Palästina/Israel: Ruth Therese, verheiratete Rosettenstein ging am 3.10.1937 dorthin, Ella Hannah, nachdem sie Theresienstadt überlebt hatte.

Über Gerda Links Kindheit und Jugend, die Ausbildung und die Heirat ist wenig bekannt. Sie und ihre Schwestern lebten in einem wohlbehüteten und wohlhabenden modernen deutsch-jüdischen Haushalt im Grindelviertel in einer Fünfeinhalb-Zimmer-Wohnung. Ein christliches Dienstmädchen besorgte die Hausarbeit. Die Familie hielt die jüdischen Speisegesetze und religiösen Feiertage ein. Sie besaßen in der Wohnung Heinrich-Barth-Straße 21 zwei Küchen zur Speisentrennung. Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten und dem Wandel der deutschen Gesellschaft näherten sich die Familienmitglieder der jüdischen Religion noch stärker an.

Dementsprechend bewegte sich die Familie nun vor allem in jüdischen Kreisen, es gab wenig Kontakt zu nichtjüdischen Familien. Nur geschäftlich hatte Felix Levy mit Nichtjuden zu tun. Er war Kaufmann, Zigarrenfabrikant und Teilhaber der Firma Albrecht und Schmidt. Mit dem Verbot für jüdische Geschäftsleute im Januar 1936, an Märkten und Messen teilzunehmen, musste er die Fabrik aufgeben. Ab dieser Zeit musste die Familie auch im Haushalt sparen. Dennoch versuchte Felix Levy, alle drei Töchter finanziell zu unterstützen z. B. in der Ausbildung oder bei der Auswanderung nach Palästina. Eine qualifizierte Ausbildung der Töchter stand für Felix Levy im Vordergrund.
Nach den Angaben der Schwester Hannah war Gerda sehr orthodox. Sie besuchte die religiöse Töchterschule in der Bieberstraße. Zudem achtete sie sehr auf einen schlichten Kleidungsstil, entsprechend der jüdischen Kleidungsvorschrift für Frauen. Sie trug immer lange Röcke und ging immer mit einer Kopfbedeckung aus dem Haus.

Anfang der 1930er Jahre wechselte sie für die Ausbildung zur Religionslehrerin nach Köln und schloss im Juli 1935 dort ihr Examen ab.17 Sie besuchte dort das Jüdische Lehrerseminar, das ebenfalls als streng orthodox galt. Zunächst wurden dort Lehrkräfte für Volksschulen und Religionslehrer ausgebildet. Nach 1933 wurde nur noch die Ausbildung von Religionslehrerinnen und -lehrern zugelassen, unter denen sich auch Gerda befand. Sie unterrichtete an der privaten jüdischen Volksschule "Morlijah" in Köln.

Gerda heiratete Zikmund Link, geb. am 8.6.1890 in Nagytapolcsány (slowak.)/Nyitra/Ungarn. Nach Angaben der Schwester Hannah wurde die Ehe 1937 geschlossen und Gerda zog mit ihrem Ehemann Ende der 1930er Jahre nach Pressburg (slowak.) dem heutigen Bratislava (Tschechoslowakische Republik). Die genaue Adresse des letzten Wohnsitzes und die Gründe für den Umzug nach Pressburg sind nicht bekannt. Wahrscheinlich gab die slowakische Herkunft ihres Mannes den Ausschlag, nach Osteuropa auszuwandern.

Aus Gerda und Zikmund Link Ehe gingen zwei Kinder hervor, die Tochter Rakhel Link und der Sohn Tzvi Link. Trotz der Entfernung und den schlechten Bedingungen für Juden in Deutschland besuchten die Eltern 1938 Gerda Link in Pressburg, während die jüngste Tochter Hannah an einem Umschulungskurs in Berlin teilnahm. Felix Levy musste für die Reise etliche bürokratische Hürden überwinden, wie aus einem Brief hervorgeht, den er am 29. Juli 1938 schrieb: "Wir haben bei der hiesigen Passstelle eine Eingabe um die Aushändigung unserer Pässe für einen Besuch bei unseren Töchtern in Pressburg während des Monats August gemacht und sollen jetzt der Passbehörde die Unbedenklichkeits-Bescheinigung der Devisen-Stelle und des für uns zuständige Finanzamtes vorlegen."

Die Familie Link führte in Bratislava bis zu ihrer Deportation offensichtlich ein glückliches Leben, Osteuropa wurde ein neues Zuhause der gebürtigen Hamburgerin Gerda Link. Mit ihren Familienangehörigen in Deutschland hielt sie engen Kontakt. Es ist ein Brief vom 13.10.1940 erhalten, in dem sie ihrer Schwester ausführlich über ihre kleine Tochter Rakhel berichtet.

Mit der Errichtung des slowakischen Staates am 14. März 1939 änderte sich auch die Lage der jüdischen Bevölkerung, diese waren nun einer Welle von Diskriminierungen ausgesetzt. Zu diesem Zeitpunkt herrschte die Hlikapartei in der Slowakei, die zum ersten Mal die sog. Judenfrage diskutierte. Judenfeindliche Propaganda gehörte zu ihrer Parteipolitik. Dennoch gibt es Aussagen von jüdischen Überlebenden, die das Zusammenleben der jüdischen Bevölkerung mit der slowakischen Mehrheitsgesellschaft als harmonisch beschreiben. Besonders in der Hauptstadt Bratislava sei Antisemitismus eine Ausnahme gewesen.

Bereits 1942 wurden – unter massivem deutschen Einfluss – etwa zwei Drittel der jüdischen Bevölkerung in der Slowakei in deutsche Konzentrationslager transportiert und ermordet. Noch blieben die Links verschont. Bis 1944 fanden keine Deportationen statt. Als aber dann deutsche Truppen die Slowakei besetzten, wurden die Transporte in die Vernichtungslager wieder aufgenommen. Vermutlich wurde Gerda Link mit ihren Kindern und ihrem Ehemann 18.10.1944 nach Auschwitz deportiert und ermordet.
Nach den Angaben des Neffen von Gerda Link, Gad Roznai, ist im Gedenkblatt von Yad Vashem als der letzte Wohnort Bratislava eingetragen.


Stand: August 2018
© Özlem Alagöz

Quellen: Kultussteuerkartei, StaH, 522-1, Jüdische Gemeinde, 992b, Kultussteuerkarte Felix Levy; Telefonat Özlem Alagöz mit Alexandra Blöcker, am 23.2.2014; Blöcker, Alexandra: Adressen bisher nur über Angabe Hannah Flusser (E-Mail s. u.), unveröffentlicht [2009], S. 1, [E-Mail Blöcker, A. vom 23.2.2014 (a)]; Blöcker, Alexandra: Angehörigenliste [E-Mail Blöcker, A. vom 23.2.2014 (b)]; StaH 314-15 Oberfinanzpräsident (Devisenstelle und Vermögenswertungsstelle), R 1938/1173; StaH 351-11_33453 Wiedergutmachungsakte, Jenny Jastrow (geb. Michael); StaH 314-15 Auswanderungsakte F 1479; Privatbesitz B. Meyer, Interview mit Hannah Flusser, geführt am 16.2.2001 von Beate Meyer; Privatbesitz Brief von Jenny Jastrow (geb. Michael) an Fanny, Hamburg 30.7.1935. Bundesarchiv, Liste der jüd. Einwohner des Deutschen Reiches 1933–1945, Zikmund Link: Yad Vashem, Zentrale Datenbank der Namen der Holocaustopfer; Gerda Link (Gedenkblatt): Yad Vashem, Zentrale Datenbank der Namen der Holocaustopfer; Rakhel Link (Gedenkblatt): Yad Vashem, Zentrale Datenbank der Namen der Holocaustopfer; Tzvi Link (Gedenkblatt): Yad Vashem, Zentrale Datenbank der Namen der Holocaustopfer; USHMM/JT5; Brief von Gerda Link (geb. Levy) an Ruth Rosettenstein (geb. Levy), 13.10.1940. Original im Privatbesitz Johanan Flusser. [E-Mail Anhang Johanan Flusser an Özlem Alagöz, 18.2.2014]. Corbach, Dieter: Die Jawne zu Köln. Zur Geschichte des ersten jüdischen Gymnasiums im Rheinland und zum Gedächtnis an Erich Klibansky. Gedenkbuch zur Ausstellung in Köln vom 12.–26.11.1990, Köln 1990. Tönsmeyer, Tatjana: Vom Desinteresse zur Hilfsbereitschaft Solidarität und Hilfe für verfolgte Juden in der Slowakei, in: Benz, Wolfgang/Wetzel, Juliane (Hrsg.): Solidarität und Hilfe für Juden während der NS-Zeit, Regionalstudien 4 Slowakei, Bulgarien, Serbien, Kroatien mit Bosnien und Herzegowina, Belgien, Italien, Berlin 2004, S. 15–60; Information Alexandra Blöcker v. 27.12.2017 u. Aug. 2018.

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