Namen, Orte und Biografien suchen
Bereits verlegte Stolpersteine
Suche
Alfred Friedensohn * 1879
Hallerstraße 6 (Eimsbüttel, Rotherbaum)
1941 Minsk
Weitere Stolpersteine in Hallerstraße 6:
Pauline Biram, Wally Daniel, Max Daniel, Gertrud Friedensohn, Nann(y)i Hattendorf, Dr. Georg Sacke
Alfred Friedensohn, geb. am 21.5.1879 in Schwerin, am 8.11.1941 deportiert nach Minsk, ermordet
Gertrud Friedensohn, vw. Souza, geb. Silberberg, geb. am 29.8.1894 in Hamburg, am 8.11.1941 deportiert nach Minsk, ermordet
Hallerstraße 6
Alfred und Gertrud Friedensohn verließen Hamburg am 8. November 1941 mit dem ersten der zwei großen Transporte Hamburger Juden nach Minsk. Bereits am Vortag mussten sie sich, unter Einhaltung der Gepäckvorschriften, im "Logenhaus" an der Moorweide – dem heutigen "Platz der jüdischen Deportierten" – einfinden. Einem Augenzeugen zufolge trennte Stacheldraht das Logenhaus von dem umgebenden Platz. In qualvoller Enge verbrachten sie dort ihre letzte Nacht in Hamburg. Von da aus wurden sie auf offenem Lastwagen quer durch die Stadt zum Hannoverschen Bahnhof transportiert. Hier, abseits der Innenstadt, setzte die Deutsche Reichsbahn den Zug für ihren Transport nach Minsk ein. Vier Tage später erreichte er sein Ziel. Vermutlich haben Alfred und Gertrud Friedensohn die Strapazen dieses Transports noch überlebt. Ob sie danach der extremen Kälte des Winters 1941/42, dem Hunger, einer Infektion im Lager oder einer der Massenerschießungen in Minsk am 8. Mai oder am 14. September 1943 zum Opfer fielen, wissen wir nicht. Sicher ist, dass Alfred und Gertrud Friedensohn das Getto Minsk nicht überlebten.
Knapp drei Jahre vorher, am 19. Januar 1939, hatten Alfred und Gertrud Friedensohn geheiratet. Zusammen lebten sie in der Ostmarkstraße – wie die Hallerstraße seit 1938 hieß – im Haus Nr. 6, in der ersten Etage. Vielleicht hatten sie hier ein Zimmer für sich. Zur selben Zeit wohnten in dieser Wohnung auch Elsa Davidsohn, geb. Friedensohn (eventuell eine Cousine von Alfred Friedensohn) – sie zog im September 1940 nach Berlin und wurde am 18. Oktober 1941 von dort nach Lodz deportiert – und Nanni und Ella Hattendorf – Ella Hattendorf wurde ebenfalls am 8. November 1941 nach Minsk, ihre Mutter Nina Hattendorf am 15. Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert. Mieter der Wohnung war Ernst Stern. Er starb am 11. September 1940. Wenige Wochen danach, am 25. Oktober 1940, mussten Alfred und Gertrud Friedensohn die Wohnung in der Ostmarkstraße verlassen und in die Frickestraße 24, in das zum "Judenhaus" umgewandelte "Martin-Brunn-Stift" umziehen. Sie wurden in die Stiftswohnung Nr. 8 eingewiesen, in der bereits Max Gottschalck wohnte.
Max Gottschalck war Bankier. Bis 1937 war er Teilhaber des Bankgeschäfts Alexander Levy in Hamburg. Er wurde am 9.7.1874, seine Frau Katharina (Käte), geb. Landau, am 28.7.1874 in Hamburg geboren, Max und Käte waren kinderlos. Zwei Brüder von Max Gottschalck emigrierten in die USA, seine Schwester Fanny Auerbach nach Brasilien. Max und Katharina Gottschalck mussten 1939 ihre Wohnung in der Eppendorfer Landstraße Nr. 64 verlassen und in das "Martin-Brunn-Stift", in eine Ein-Zimmer-Wohnung mit Küche umziehen. Katharina Gottschalck starb am 3. September 1940. Wenige Wochen nach ihrem Tod wurden in Max Gottschalcks Wohnung zusätzlich Alfred und Gertrud Friedensohn eingewiesen. Etwas mehr als ein Jahr lebten sie zusammen, bis zur Deportation von Alfred und Gertrud Friedensohn nach Minsk. Max Gottschalck blieb im Herbst 1941 von der Deportation zunächst verschont, da Juden, die älter als 65 Jahre waren, von der Deportation zunächst "zurückgestellt" werden sollten. Wenige Monate später, am 15. Juli 1942, nach der Errichtung des – von der NS-Propaganda sogenannten – "Altersgettos Theresienstadt", wurde auch Max Gottschalck mit dem ersten Transport von Hamburg nach Theresienstadt deportiert. Er blieb dort nur kurz. Am 21. September 1942 wurde er von Theresienstadt nach Treblinka deportiert und ermordet. (Ein Stolperstein für Max Gottschalk ist bisher nicht verlegt.)
Im Jahr 1748 nahm der Rabbiner Abraham Ben-Shalom in Prausnitz in Schlesien den Namen "Friedensohn" an. Einer seiner Nachkommen war Alfred Friedensohn. Noch seine Eltern, Hermann und Anna Friedensohn, geb. Rosenbaum, lebten in Schlesien. Ihre älteste Tochter Ida wurde am 11.6.1871 in Hirschberg in Schlesien geboren. Später zogen sie nach Schwerin, wo ihre fünf weiteren Kinder geboren wurden – Gertrud am 7.1.1876, Käthe am 29.7.1877, Felix, Jenny und Alfred. Das Geburtsdatum von Felix kennen wir nicht. Jenny starb im Alter von nur sieben Jahren am 18. Januar 1886. Vermutlich war sie eine Zwillingsschwester von Alfred Friedensohn. Er wurde wie sie etwa sieben Jahre vor ihrem Todestag, am 21.5.1879 geboren. Seine Eltern starben früh, seine Mutter als er vier, sein Vater als er elf Jahre alt war. Er wuchs bei einer Tante auf.
Wie sein Großvater und sein Vater wurde er Kaufmann. Wann genau er Schwerin verließ, wissen wir nicht. Seit 1910 lebte er in Altona, in der Behnstraße 5, seit 1913 in Hamburg, in einem der repräsentativen Gründerzeit-Bauten im Grindelviertel, in der Hartungstraße 14/16. Seit 1925 lebte seine verwitwete Schwester Gertrud Schlomann bei ihm, seit 1936 wohnten beide in der Hartungstraße 7a. Gertrud Schlomann starb am 13. August 1939 in Hamburg. Alfred Friedensohn war selbstständiger Handelsvertreter für Textilwaren. Sein Büro war im "Kaufmannshaus", Große Bleichen 31, Nummer 229, später 230. Ende 1938 zwang ihn die "Arisierung" der deutschen Wirtschaft zur Aufgabe seines Handels mit Textilwaren und zur Aufgabe seines Büros. Ein Vermögen blieb ihm nicht. Eine "Sicherungsanordnung" gegen ihn wurde nicht erlassen. Eine erneute Prüfung seiner Vermögensverhältnisse durch die Devisenstelle beim Oberfinanzpräsidenten vom 9. August 1940 ergab, dass ihm zu dieser Zeit noch 1902,94 RM geblieben waren.
Gertrud Friedensohns erster Mann, Fritz Souza, starb am 8. März 1934, im Alter von 43 Jahren. In Hamburg am 15.8.1891 geboren, gehörte er der Hamburger Portugiesisch-Jüdischen Gemeinde an. Auch er war Kaufmann. Ihre Ehe blieb kinderlos. Sie wohnten in der Husumer Straße 4. Nach seinem Tod lebte Gertrud Souza weiter in der Husumer Straße, im Haus Nr.10, bis sie Alfred Friedensohn heiratete.
Gertrud Friedensohns Eltern, Hermann und Edelmira Silberberg, geb. Möller, lebten in jüdisch-christlicher "Mischehe". Ihre vier Kinder – Fanny, Gertrud, Bernhard und Lotti – wurden in Hamburg geboren. Hermann Silberberg blieb, trotz seiner Ehe mit einer "Nicht-Jüdin", mit seinen Kindern Mitglied der Jüdischen Gemeinde in Hamburg. Als die "Nürnberger Gesetze" ihre "konfessionelle" in eine "Mischehe" nach dem nationalsozialistischen Kriterium der "Rasse" umdefinierten, waren sie 46 Jahre verheiratet. Hermann Silberberg besaß ein Geschäft für "Galanteriewaren" in der Eppendorfer Landstraße 55, wo Gertrud und ihre Geschwister aufwuchsen. Geschäft und Wohnung der Silberbergs waren zuletzt in der Baumtwiete 10. Das Geschäft wurde 1937 geschlossen. 1939 zogen Hermann und Edelmira Silberberg in das "Martin-Brunn-Stift", ursprünglich ein "paritätisches" Wohnstift der "Vaterstädtischen Stiftung" in Hamburg für christliche und jüdische Bewohnerinnen. Möglich, dass zum Zeitpunkt ihres Einzugs noch christliche und jüdische Bewohnerinnen im Hause lebten und das "Martin-Brunn-Stift" erst nach ihrem Einzug in ein "Judenhaus" umgewandelt wurde. Sie wohnten in der Stiftswohnung Nr. 10. Seit dem 25. Oktober 1940 lebte ihre Tochter Gertrud mit ihrem Mann Alfred Friedensohn in unmittelbarer Nachbarschaft, in der Wohnung Nr. 8. Hermann Silberberg starb am 24. August 1941, im Alter von 76 Jahren. Die Deportation seiner Tochter nach Minsk erlebte er nicht mehr.
Fanny Silberberg, Gertruds älteste Schwester, wurde am 8.10.1890 geboren, war Kontoristin, zwei Mal verheiratet und zwei Mal geschieden. Danach nahm sie wieder ihren Mädchennamen "Silberberg" an. Ihre Tochter Margot Friedland wurde am 28.10.1918 in Hamburg geboren. Bis 1925 war Fanny Silberberg SPD-Mitglied, danach, wie sie es selbst ausdrückte, "Funktionär" der KPD. Von Anfang an war sie daher der nationalsozialistischen Verfolgung ausgesetzt, aus "politischen", nicht aus "rassischen" Gründen. Bereits am 11. April 1933 wurde sie wegen "Widerstand und Beleidigung" zu – zunächst nur – vier Tagen Haft verurteilt, sie hatte, wie sie berichtete, "noch vor der Machtübernahme durch die Nazis das Antifa-Abzeichen getragen". Die Strafe verbüßte sie vom 26. bis zum 30. Juli 1933, wurde danach nicht entlassen, sondern blieb in Untersuchungshaft, bis das Hanseatische Sondergericht sie am 14. September 1933 – nach § 3 der Verordnung des Reichspräsidenten vom 21. März 1933 – wegen "heimtückischer Angriffe gegen die Regierung der nationalen Erhebung" zu einer 18-monatigen Gefängnisstrafe verurteilte, die sie bis zum 20. Februar 1935 verbüßte. Unter dem Verdacht der "Vorbereitung zum Hochverrat" kam sie im Januar 1936 erneut in Untersuchungshaft. Das Hanseatische Oberlandesgericht sprach sie zwar "mangels ausreichender Beweise" von dieser Anklage frei, einen Anspruch auf Haftentschädigung billigte es ihr nicht zu. Am 15. Oktober 1937 kam sie dann – ohne Anklage und ohne Gerichtsurteil – in "Schutzhaft", wurde ins Konzentrationslager Fuhlsbüttel eingeliefert und von dort ins Konzentrationslager Leuchtenburg im Schloss Prettin in der Nähe von Torgau "überstellt". Dies war eines der ersten Konzentrationslager im nationalsozialistischen Deutschland und zu der Zeit, in der Fanny Silberberg dort inhaftiert war, ein Frauen-Konzentrationslager. Als Frauenlager wurde es 1939 aufgelöst und Fanny Silberberg mit allen Insassinnen von dort ins Konzentrationslager Ravensbrück "überstellt", wo sie bis zum 6. Februar 1940 blieb. Am 5. März 1940, kaum einen Monat nach ihrer Entlassung, floh sie aus Deutschland. Über Genua gelangte sie nach Shanghai. Unter der japanischen Besatzung lebte sie auch dort im Getto. Eine Arbeitsmöglichkeit im Getto bestand für sie nicht, einen Erlaubnisschein zum Verlassen des Gettos erhielt sie nicht. Sie lebte von der Unterstützung des Jüdischen Komitees. 1952 kehrte Fanny Silberberg nach Hamburg zurück, wo sie in den ersten Jahren im Jüdischen Altersheim in der Sedanstraße 23 lebte. Fanny Silberberg starb am 17. September 1986 in Hamburg.
Margot Friedland-Cohn, ihre Tochter, emigrierte 1939 nach Mexiko. Vorher lebte sie bei ihren Großeltern Silberberg in der Baumtwiete 10 und arbeitete im Geschäft ihres Großvaters als Verkäuferin. Vor ihrer Ausreise kontrollierte die Zollfahndung ihr "Umzugsgut". Der "Ermittlungsbericht" vom 3. Januar 1939 hielt fest: "das Umzugsgut setzt sich aus Kleidung und Wäsche zusammen, die sämtlich getragen ist. … Die wenigen Schmucksachen sind wertlos. Die Kosten der Überfahrt bezahlt ihr seit 20 Jahren im Ausland lebender Vater …" – der einzige Hinweis auf ihren Vater, einen der geschiedenen Ehemänner von Fanny Silberberg, der sich in den Akten findet.
Wie anders dagegen die Geschichte von Bernhard Silberberg, Gertruds jüngerem Bruder, der am 20.6.1899 geboren wurde. Sehr jung wurde er am Ende des Ersten Weltkriegs noch Soldat. Als einziger seiner Familie erklärte er 1931 seinen Austritt aus der Jüdischen Gemeinde und wurde katholisch. Laut Kultussteuerkarte war er "Kommis", also Angestellter im Geschäft seines Vaters und betätigte sich daneben als Schriftsteller. Sein Künstlername war "Bernhard Berg". Dies war wohl nicht nur sein "Künstlername", das Hamburger Adressbuch von 1942 verzeichnete ihn unter diesem Namen als Mieter eben der Wohnung in der Ostmarkstraße 6/1, die seine Schwester Gertrud mit ihrem Mann im Oktober 1940 als "Jüdin" hatte verlassen müssen. Vermutlich war er bereits dort eingezogen als auch seine Schwester hier noch lebte. Nach ihrem erzwungenen Auszug blieb er Mieter der Wohnung. Er wohnte dort lange, auch nach dem Ende der NS-Herrschaft, als aus der "Ostmark-" längst wieder die "Hallerstraße" geworden war.
Seit 1933 war Bernhard Silberberg, gen. Berg, Mitglied des "Reichsverbandes deutscher Schriftsteller". Als "Nicht-Arier" erging gegen ihn ein Schreibverbot. Anders allerdings als bei anderen wurde dieses noch vor dem Ende der NS-Herrschaft wieder aufgehoben. Im Jahr 1943 – zwei Jahre nach dem Tod seines Vaters und eineinhalb Jahre nach der Deportation seiner Schwester – "regte" er, wie er es später ausdrückte, ein Verfahren gegen sich selbst an, mit dem Ziel der "Aberkennung seiner Ehelichkeit". Am 28. Mai 1943 erhob der Oberstaatsanwalt beim Landgericht Hamburg daraufhin Anklage "gegen den Schriftsteller Bernhard Kurt Silberberg auf Anfechtung der Ehelichkeit gemäß § 1595a BGB". Grundlage dieser Klage war eine eidesstattliche Erklärung seiner Mutter, der zufolge sie vor seiner Geburt wegen eines tiefgreifenden Zerwürfnisses keinen Geschlechtsverkehr mit ihrem Ehemann gehabt habe. In der fraglichen Zeit habe sie allerdings eine Beziehung mit dem verstorbenen Schauspieler Alex Otto gehabt, die nicht ohne Folgen geblieben sei. Nach Auffassung des Oberstaatsanwalts wurde diese – von einer Bekannten beeidete – Aussage seiner Mutter bestätigt durch das Ergebnis der "rasse- und erbbiologischen" Untersuchung des Anthropologischen Instituts der Universität Kiel (Prof. Dr. Weinert). Die Zivilkammer 1 des Landgerichts Hamburg folgte der Klage und stellte mit ihrem Urteil vom 23. Juni 1943 fest, dass der Beklagte nicht ein Kind des Hermann Silberberg aus seiner Ehe mit Francisca Edelmira, geb. Möller, sei. Als vermeintlich "unehelicher" Sohn seiner Mutter trug er fortan deren Mädchennamen "Möller". Durch das Urteil des Hamburger Landgerichts "arisiert", beantragte Bernhard Möller am 13. November 1943 seine Wieder-Aufnahme in die "Reichsschrifttumskammer". Diese erteilte ihm am 19. Januar 1944 eine Sondergenehmigung, seinen Beruf auszuüben. Im selben Jahr heiratete er seine "arische" Verlobte und wurde zur Wehrmacht eingezogen. Die Zeit bis zur Kapitulation verbrachte er allerdings überwiegend im Lazarett. Nach dem Krieg hat Bernhard Möller die Behauptung seiner "unehelichen" Geburt wiederholt als "Notlüge" und seine Bemühungen um seine "Arisierung" als "Akt der Notwehr" gerechtfertigt. Aus seiner Sicht, so betonte er, retteten sie ihn "in letzter Sekunde" vor Zwangsarbeit und Deportation.
Gertruds jüngste Schwester Lotti Silberberg, am 13.3.1901 kaum zwei Jahre nach ihrem Bruder Bernhard geboren, war Fotografin und seit 1931 mit dem jüdischen Arzt Dr. Jaques Neumann verheiratet. Mit ihm und ihrer am 11.2.1933 in Hamburg geborenen Tochter Dorrit wanderte sie 1936 nach Südafrika aus. Während ihr Mann in Südafrika noch einmal Medizin studieren musste, um als Arzt praktizieren zu dürfen, ernährte sie als Fotografin ihre Familie, musste ihre Arbeit aber aus gesundheitlichen Gründen aufgeben. Lotti Neumann starb am 24. Dezember 1946 in Kapstadt an den Folgen ihrer Asthmaerkrankung.
Ein kurzer Blick auf Alfred Friedensohns Schwester Käthe Bonheim, geb. Friedensohn, soll dieses Familienbild abschließen. Sie heiratete den am 19.7.1877 in Rostock geborenen Arzt Dr. Paul Bonheim. Beide lebten in Hamburg, wo auch ihre beiden Söhne – Hans Hermann am 6.3.1907 und Erwin Alfred am 19.12.1910 – geboren wurden. 35 Jahre lang, von 1903 bis 1938, war Paul Bonheim Arzt in Hamburg. Viele Jahre war er Oberarzt für innere Medizin im Freimaurer-Krankenhaus am Kleinen Schäferkamp – dem heutigen Elisabeth Alten- und Pflegeheim. Zugleich war er Leiter dieses traditionsreichen Krankenhauses. Paul Bonheim verlor seine Position im Krankenhaus bereits 1933. Auch das von einem Verein getragene Hospital, das sich 1933 in "Krankenhaus Deutscher Orden" umbenennen musste, entließ ihn als "Nicht-Arier" nach dem Erlass des NS-Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums. Seine Privat-Praxis führte er bis 1938 in seiner Wohnung in der Hansastraße 70 fort. (Das Haus Nr. 70 stand in dem Teil der Straße, den es nicht mehr gibt. Heute steht dort eines der Grindel-Hochhäuser.) Dr. Hans Hermann Bonheim, Arzt in Hamburg wie sein Vater, wurde nach der Pogromnacht im November 1938 ins KZ Sachsenhausen verschleppt. Er kehrte im Dezember 1938 nach Hamburg zurück und floh im Januar 1939 mit Frau und Kindern über Holland in die USA. Als einzige der Familie überlebten sie den Holocaust. Paul, Käthe und ihr Sohn Erwin Bonheim planten ebenso über Holland in die USA zu fliehen. Es gelang ihnen nicht mehr. Zwar entkamen sie noch nach Holland, konnten aber, nach Ausbruch des Krieges, das Land nicht mehr verlassen. In Holland lebten Paul und Käthe Bonheim in Velp in der Provinz Gelderland. Im Herbst 1942 wurden in dieser Provinz bei Razzien viele Juden verhaftet und deportiert. Am 13. Dezember 1942, einem Sonntag, nahmen Paul und Käthe Bonheim sich in Velp das Leben. Durch ihren Freitod entzogen sie sich ihrer Verhaftung und Deportation.
Erwin Bonheim lebte vor seiner Flucht nach Holland in Berlin und war danach in Eefze gemeldet. Am 10. Januar 1944 wurde er bei einer Razzia in Amsterdam verhaftet und zwei Tage später in das Lager Westerbork eingeliefert. Am 3. März 1944 wurde Erwin Bonheim von dort nach Auschwitz deportiert. Als sein Todestag gilt der 31. Juli 1944.
Stolpersteine vor dem Haus Brahmsallee Nr. 19 erinnern an Paul, Käthe und Erwin Bonheim.
Stand: September 2016
© Jost von Maydell
Quellen: StaH, 332 – 5, Sign. 49077, 49078, 49091; 351 – 11, Sign. 12147, 22485, 40770; 522-1, 992b; Archiv Landgericht Hamburg (ALGH) – Abstammungsverfahren 1937–1945, AZ: 1R 53/43; Gedenkbuch des Bundesarchivs; Gedenkbuch Hamburger Jüdische Opfer‘, Hamburger Adressbücher, versch. Jahrgänge; Heimat, hrsg. Jüdisches Museum Berlin, S. 98; Apel, Tod, S. 114ff.; Lisboa, Haifa, (o. J.) Stammbaum der Familie Friedensohn; Meyer, "Jüdische Mischlinge"; Rentrop, Tatorte; Schwarz, Wohnstiftung, in: Stolpersteine in Hamburg-Eimsbüttel, Band 2, S. 557–562; dies., Jüdische Protagonisten, in: Ludwig/Schilde (Hrsg.), Jüdische Wohlfahrtsstiftungen, Bd. 4, S. 99–132; Vieth, 101 Jahre; Villies, Mit aller Kraft, S. 86/87, 231/232 und 371; Mosel, Wegweiser, Heft 3, bes. S. 161; wikipedia vom 18.5.2014, "KZ Lichtenberg"; yadvashem.org; Auskünfte: Ulf Bollmann, StaH, vom 27.1.2014; Bernd Kasten, Stadtarchiv Schwerin, vom 21.1.2014; Jose Martin von Joodse Monument vom 5.2.2014.