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Bereits verlegte Stolpersteine



Philipp Baruch * 1860

Hastedtplatz 15 (Harburg, Harburg)


HIER WOHNTE
PHILIPP BARUCH
JG. 1860
DEPORTIERT 1942
THERESIENSTADT
1942 TREBLINKA
ERMORDET

Weitere Stolpersteine in Hastedtplatz 15:
Olga Baruch

Olga Baruch, geb. Phillip, geb. am 24.9.1869 in Lüneburg, am 15.7.1942 deportiert nach Theresienstadt, am 21.9.1942 weiterdeportiert nach Treblinka
Philipp Baruch, geb. am 24.5.1860 in Pinne (heute Polen), am 15.7.1942 deportiert nach Theresienstadt, am 21.9.1942 weiterdeportiert nach Treblinka

Stadtteil Harburg-Altstadt, Hastedtplatz 15 (Mozartstraße 15)

Harburg war zwar nicht die Geburtsstadt des Immobilienmaklers Philipp Baruch und seiner ebenfalls jüdischen Ehefrau Olga, aber es wurde ihre Heimatstadt, nachdem sie Ende des 19. Jahrhunderts geheiratet hatten. Mit ihren beiden Töchtern Gerda (geb. 23.7.1896) und Alice (geb. 18.1.1898) wohnten sie in der Mozartstraße 15 (heute: Hastedtplatz). Das Büro ihres Vaters befand sich in der Mühlenstraße 35 (heute: Schlossmühlendamm), einer der bedeutendsten Geschäftsstraßen der damals preußischen Industriestadt Harburg a. d. Elbe, die das Stadtzentrum mit dem Harburger Hafen verband.

Die beiden Töchter besuchten Harburger Schulen und verstanden sich mit ihren christlichen Freundinnen – so jedenfalls erinnert sich ihr Jugendfreund Max Rotter später – ebenso gut wie mit den jüdischen Kindern und Jugendlichen in ihrer Nachbarschaft.

Nach 1933 schlug der bis dahin zumeist versteckte Antisemitismus auch in Harburg schnell in offenen Judenhass um. Es dürfte nicht lange gedauert haben, bis Philipp Ba­ruch aus dem "Reichsbund deutscher Makler" ausgeschlossen wurde. Wie andere jüdische Familien verlegten auch die Baruchs im Dezember 1935 ihren Wohnsitz von Harburg in die benachbarte Großstadt Hamburg, wo sie sich vermutlich von der größeren Anonymität besseren Schutz und von der Begegnung mit anderen gleichfalls Verfolgten mehr Solidarität versprachen.

Tochter Gerda war zu diesem Zeitpunkt als Kontoristin bereits erwerbslos und nahm in den folgenden Jahren jede noch so kurzzeitige und noch so schlecht entlohnte Beschäftigung an, u. a. auch bei der Warburg-Bank in den Alsterterrassen. Ihre zwei Jahre jüngere Schwester Alice arbeitete nach dem Umzug nacheinander bei mehreren Familien als Haustochter, zuletzt bei den Carlebachs, der Familie des Hamburger Oberrabbiners Joseph Carlebach in der Hallerstraße 76, die inzwischen "Ostmarkstraße" hieß. Dort erhielt sie im Herbst 1941 auch ihren "Evakuierungsbefehl" für den ersten Hamburger Deportationstransport nach Łód´z am 25. Oktober 1941. Ihre Schwester Gerda wurde drei Wochen später am 18. November 1941 nach Minsk deportiert.

Nachdem im Herbst 1941 bereits über 3000 Jüdinnen und Juden aus Hamburg in den Osten deportiert worden waren, setzte im Sommer 1942 eine zweite große Deportationswelle ein, von der noch einmal fast 2000 zumeist ältere Hamburger Juden erfasst wurden. Zwei dieser Transporte gingen in die böhmische Garnisonsstadt Terezin (Theresienstadt), die von den Nationalsozialisten zu einem Getto ausgebaut worden war, das sie wenig später zum "Altersgetto" für deutsche Juden erklärten. Juden im Alter von über 65 Jahren und andere prominente, hoch dekorierte oder gebrechliche Juden sowie Ehepartner aus nicht mehr bestehenden Mischehen sollten hier einen angeblich umsorgten Lebensabend verbringen.

Spätestens bei der Ankunft an ihrem neuen "Wohnsitz" am 16. Juli 1942 haben Philipp und Olga Baruch wahrscheinlich erkannt, dass sie im großen Stil getäuscht worden waren. Nach der Bahnfahrt mussten sie wie alle anderen noch einen drei Kilometer langen Fußmarsch bis zum Lager mit ihren schweren Koffern und Rucksäcken zurücklegen. Noch bedrückender als der trostlose Alltag, dem sie hier ausgeliefert waren, dürfte auch für sie in den anschließenden Wochen und Monaten die permanente Angst vor den Transporten gewesen sein, die von hier aus in unregelmäßigen Abständen in den Osten abgingen. Die Menschen, die in großer Zahl abtransportiert wurden, verschwanden auf Nimmerwiedersehen. Alles Warten auf ein Lebenszeichen der Abgereisten war vergebens.

Keine zwei Monate nach ihrer Ankunft in Theresienstadt mussten sich auch Philipp und Olga Baruch zu einem dieser Weitertransporte an der befohlenen Sammelstelle einfinden. Am 21. September 1942 verließen sie das Getto mit unbekanntem Ziel. Ihre Fahrt endete im Vernichtungslager Treblinka im besetzten Polen. In dieser Todesfabrik wurden von Juli 1942 bis August 1943 mehr als 7000 Jüdinnen und Juden durch Giftgas ermordet. Über die letzten Stunden im Leben dieses Ehepaares wissen wir ebenso wenig wie über das Lebensende ihrer ebenfalls nach offizieller Lesart "verschollenen" Töchter Gerda und Alice Baruch.

© Klaus Möller

Quellen: 1; 4; 5; 7; 8; StaH, 522-1 Jüdische Gemeinden, 992 e 2, Bd. 4 und Bd. 5; Heyl (Hrsg.), Harburger Opfer; Heyl, Synagoge.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Recherche und Quellen.

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