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Bereits verlegte Stolpersteine



Joel Heinrich Freschl * 1884

Grindelallee 176 (Eimsbüttel, Rotherbaum)


HIER WOHNTE
JOEL HEINRICH
FRESCHL
JG. 1884
ABGESCHOBEN 1938
ZBASZYN / POLEN
???

Weitere Stolpersteine in Grindelallee 176:
Olga Freschl, Kurt Freschl, Erwin Freschl, Herbert Freschl

Erwin Freschl, geb. am 8.3.1916 in Hamburg, ausgewiesen am 28.10.1938 nach Zbaszyn, 1939 in die USA ausgewandert
Herbert Freschl, geb. am 11.3.1921 in Hamburg, ausgewiesen am 28.10.1938 nach Zbaszyn, 1939 in die USA ausgewandert
Joel Heinrich Freschl, geb. am 29.3.1884 in Przemysl (Polen), deportiert 1942 nach Auschwitz, dort gestorben am 23. oder 24.5.1942
Kurt Freschl, geb. am 18.6.1912 in Hamburg, ausgewiesen am 28.10.1938 nach Zbaszyn, 1939 in die USA ausgewandert
Olga Freschl, geb. Aller, geb. am 22.5.1884 in Lancut (Polen), ausgewiesen am 28.10.1938 nach Zbaszyn, weiterdeportiert im Sommer 1939 ins Innere Polens und wahrscheinlich 1942 nach Auschwitz, ermordet

Grindelallee 176

Die Stolpersteine für die Familie Freschl enden alle auf: "1938 abgeschoben nach Zbaszyn ???". Was nach der Abschiebung in den Ort an der damaligen deutsch-polnischen Grenze mit der Familie geschah, war zur Zeit der Verlegung noch nicht bekannt. So kommt es, dass auch für die überlebenden drei Söhne Kurt, Erwin und Herbert Stolpersteine verlegt wurden.

1910, nach seinem Studium in Wien, zog Heinrich Freschl nach Hamburg. Ein Jahr später heiratete er dort Olga Aller, die wie er jüdisch war und aus Polen stammte. Im selben Jahr gründete Heinrich auf der Veddel ein Teilzahlungs- und Versandhaus mit Hauptstelle in Hamburg und späteren Niederlassungen in Münster (Westfalen) und Aachen; der jährliche Umsatz betrug 80.000 bis 100.000 Reichsmark. Olga kümmerte sich um den Haushalt und half laut späterer Aussage einer Angestellten bei der Buchführung und Abrechnungen mit Vertretern der Firma. 1919 zog die Familie in die Grindelallee 9, wo sich nun auch Heinrichs Geschäft befand.

1912 wurde Heinrichs und Olgas erster Sohn, Kurt, geboren. Er besuchte bis zum 18. Lebensjahr die Talmud Tora Schule am Grindelhof 13 und anschließend für ein Jahr die Grone-Handelsschule. Danach trat er ins Geschäft seines Vaters ein, wurde mit 25 Jahren Teilhaber der Firma und führte das Geschäft bis zur Beschlagnahmung durch die Nationalsozialisten.

Auch der 1916 geborene Erwin trat in die Fußstapfen seines Vaters: Nach der Schule begann er eine kaufmännische Lehre bei Anton Benjamin im Alten Wall. Dort arbeitete er nach drei Jahren Lehre noch zwei Jahre als Angestellter, bis er entlassen wurde, weil Benjamin das Geschäft an "Arier" abgeben musste. Ab Ende 1937 war Erwin als erwerbslos gemeldet.

Der dritte Sohn, Herbert, wurde 1921 geboren. Er wollte Arzt werden, konnte die Schule jedoch nicht mehr beenden.

Lange lief das Geschäft der Familie gut, doch als 1929 die Weltwirtschaftskrise begann, war auch Heinrichs Firma davon betroffen. 1932 musste er sein gesamtes Personal entlassen. Noch schlimmer wurde es, als ein Jahr später die Nationalsozialisten an die Macht kamen. Da die Umsätze des Unternehmens sanken, musste die Familie 1935 in eine kleinere Wohnung in der Grindelallee 176 umziehen. Schließlich war es unmöglich, den Betrieb weiterzuführen.

Am 28. Oktober 1938 wurden Olga und ihre drei Söhne verhaftet und nach Polen abgeschoben. Heinrich entging der Abschiebung, weil er zu dieser Zeit in der Synagoge war. Später durfte er in Hamburg bleiben, um seine Firma abzuwickeln. Olga und ihre Söhne kamen zunächst ins Lager Zbaszyn (Neu-Bentschen) an der polnischen Grenze, wo sie laut Kurt die ersten Wochen ohne Nahrung in einem Pferdestall verbrachten. Die polnische Regierung wollte die Abgeschobenen nicht ins Land lassen.

Im Juni 1939 kehrten die drei Söhne nach Hamburg zurück. Sie hatten die Erlaubnis erhalten, ihrem Vater bei der Abwicklung seines Unternehmens zu helfen und erhielten eine Aufenthaltsgenehmigung für sechs Wochen. Es gab jedoch noch einen weiteren Grund für die Rückkehr nach Hamburg: Kurz zuvor hatte ihr Vater ihnen mitgeteilt, er habe Ausreise-Visa für Thailand besorgen können. Zu dieser Ausreise kam es jedoch nicht. Allerdings gelang es den Söhnen, in Hamburg dänische Visa zu bekommen. Sie schafften es, nach Kopenhagen zu fliehen und weiter in die USA, wo sie am 19. September 1939 ankamen.

Einen Tag nach der Abfahrt seiner Söhne verließ auch Heinrich Freschl Hamburg. Für den Weg, auf dem er nach Polen gelangte, gibt es zwei Versionen. Der Sohn Kurt berichtete im Verlauf des Wiedergutmachungsverfahrens, dass sein Vater kurz nach der Ankunft seiner Söhne die Aufforderung erhielt, "Deutschland binnen von acht Tagen zu verlassen. An dem Tag, an dem die Frist ablief, kamen drei Maenner ins Haus, forderten uns auf den Geldschrank aufzumachen und erklaerten im Namen des Deutschen Volkes, dass saemtliche Buecher, Bankausweise und Waren beschlagnahmt sind."

Es ist jedoch unklar, ob Heinrich tatsächlich auf diese Weise nach Polen gelangte. Anderen Angaben zufolge wanderte er illegal nach Polen aus und ließ sich in Rzeszow (Reichshof) nieder. Dort traf er 1940 vermutlich wieder auf seine Frau Olga, da diese laut eines Bekannten der Familie von Zbaszyn nach Rzeszow gebracht wurde und sich dort bis 1942 aufhielt. Für den weiteren Weg der Eheleute gibt es keine Zeugnisse. Klar ist jedoch, dass sie mit den ersten Jüdinnen und Juden nach Auschwitz kamen. Dort wurde Heinrich am 23. oder 24. Mai 1942 durch Gas ermordet. Olga wurde auf den 8. Mai 1945 für tot erklärt.
Vom Tod ihrer Eltern erfuhren die drei Söhne erst nach dem Krieg. Die letzten Dokumente, die im Hamburger Staatsarchiv von der Familie erhalten sind, stammen aus den 1980er-Jahren. Zu der Zeit beschloss Kurt, mit seiner zweiten Frau Paula das Grab seiner Großeltern in Hamburg-Langenfelde zu besuchen. Er erhielt vom Hamburger Senat eine Einladung für einen Besuch im Jahr 1986. Doch Paula musste die Reise allein antreten: Kurt Freschl starb am 29. Oktober 1985.

Stand: Juli 2017
© Leonie Barghorn

Quellen: 1; 351-11 Amt für Wiedergutmachung 7510, 7368, 41176, 38072 und 44531; StaH 131-1II Senatskanzlei II, Nr. 3751.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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