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Sophie Philip (geborene Cohen) * 1885
Isestraße 61 (Eimsbüttel, Harvestehude)
1941 Lodz
1942 ermordet in Chelmno
Weitere Stolpersteine in Isestraße 61:
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Sophie Philip, geb. Cohen, geb. 7.8.1885 in Hamburg, deportiert am 25.10.1941 nach Lodz, im Mai 1942 in Chelmno ermordet
Isestraße 61
Sophie Philip war 56 Jahre alt und seit sieben Jahren zum zweiten Mal verwitwet, als sie am 25. Oktober 1941 deportiert wurde.
Sie war 1885 als Tochter des Adolf Leopold Cohen und seiner Frau Alma, geborene Rothschild in Hamburg zur Welt gekommen. Hier wuchs sie mit ihren jüngeren Schwestern Olga und Martha und dem Bruder Alfred auf. Als sie am 25. August 1908 den Prokuristen Julius Philip, ebenfalls in Hamburg geboren, heiratete, lebte ihr Vater bereits nicht mehr.
Im Juni 1909 kam ihre Tochter Hildegard zur Welt, im Oktober 1910 folgte der Sohn Kurt. Die Familie zog 1912 von der Husumer Straße in die Isestraße 61.
Als die Kinder noch keine zehn Jahre alt waren, verloren sie ihren Vater. Julius Philip fiel am 2. Februar 1918 im Ersten Weltkrieg.
Im Juni 1925 heiratete Sophie Philip ein zweites Mal. Sie musste ihren Familiennamen nicht ändern: Ihr neuer Ehepartner, Albert Daniel Philip, geboren 1878 in Hamburg, trug denselben Familiennamen, war aber nicht mit ihrem ersten Ehemann verwandt. Er war Mitinhaber der gut gehenden Textilfirma Seligsohn und Mendelson am Großen Burstah. Die Philips konnten in Wohlstand und "mit gut bürgerlichen Kreisen familiär verbunden", leben.
1926 wurde der Sohn Werner Hermann geboren. Wie seine beiden älteren Halbgeschwister verlor auch er seinen Vater früh: Albert David Philip starb am 27. Januar 1934 im Israelitischen Krankenhaus. Sein Stiefsohn Kurt, der zu der Zeit noch mit den Eltern in der Isestraße wohnte, meldete den Tod dem Standesamt.
Von 1914 bis 1924 hatte die Tochter Hildegard eine Privatschule besucht, die sie mit der Reifeprüfung abschloss. Anschließend absolvierte sie eine Schneiderlehre und erhielt am 1. April 1928 den Gesellenbrief. Noch keine 20 Jahre alt, eröffnete sie in der Wohnung der Eltern ein Modeatelier, in dem sie für Privatkundinnen selbst entworfene Kleider anfertigte. Der Kundinnenkreis vergrößerte sich, und sie konnte Näherinnen einstellen. Als der Platz in der Wohnung nicht mehr ausreichte, zog die Familie im selben Haus vom dritten in den zweiten Stock. Hier war eine Wand zur Nachbarwohnung durchbrochen und so ein Zimmer zur ursprünglichen Wohnung hinzugefügt worden. Ihr jüngster Bruder erinnert sich daran, dass der Durchbruch wieder geschlossen wurde, als seine Schwester das Elternhaus verließ. Sie heiratete 1931 und zog im Juni 1934 nach Belgien. 1940 wanderte sie, inzwischen geschieden und wieder verheiratet, mit ihrem zweiten Ehemann nach Südamerika aus. Auch ihr Bruder Kurt fand den Weg ins südamerikanische Exil, er starb1953 in Bolivien.
Sophie Philip zog, zunächst wohl noch mit den beiden Söhnen, in eine kleinere Wohnung in der Lenhartzstraße, wo sie drei Zimmer vermietete. Werner Hermann, der jüngste, war 12 Jahre alt, als er am 1. Dezember 1938 mit einem Kindertransport nach gelangte. Wie muss seiner Mutter zumute gewesen sein, als sie zwei Monate später mit demselben bürokratischen Aufwand wie für das Auswanderungsgut eines ganzen Haushalts beantragte, ihrem Sohn seine Briefmarkensammlung und den Katalog nachsenden zu dürfen? Als noch ein staatlich bevollmächtigter Gutachter bestätigt hatte, dass die Sammlung keinen großen Wert besaß, konnte Sophie Philip ihrem Sohn diesen Wunsch erfüllen. Ein Trost wird es für sie gewesen, dass er bei Verwandten leben konnte und seinen dortigen Cousin schon von einem früheren gemeinsam Ferienaufenthalt im Harz kannte.
Die Wohnung in der Lenhartzstraße wurde 1939 beschlagnahmt. Der wertvolle Besitz an Glas, Porzellan, Silberwaren und Schmuck musste abgeliefert werden. Wie die Tochter im Wiedergutmachungsverfahren berichtete, war es so viel, dass ein Handwagen dafür nicht reichte.
Jetzt allein, wurde die Mutter zur Untermiete in einem Zimmer einquartiert: In der Isestraße 61, wo sie einst in der großzügigen Wohnung gelebt hatte, fand sie ihre letzte bescheidene. Bleibe. Wie Josepha Ambor wohnte Sophie Philip als Untermieterin bei der Familie Meyer, die sie gewiss noch aus besseren Zeiten kannte. Ihr Sohn meint, es sei dem Hausmeisterehepaar Ilse zu verdanken, dass seine Mutter diese Unterkunft in vertrauter Umgebung gefunden habe. Er erinnert sich, dass die Ilses Juden nie mit Vorurteilen begegnet seien und geholfen hätten, wo sie konnten.
Seit Januar 1940 musste Sophie Philip gar von der jüdischen Gemeinde finanziell unterstützt werden. Außerdem schickte ihre Schwester Martha aus Süddeutschland monatlich 100 RM an sie und ihre Schwester Olga in Hamburg.
In der Isestraße 61 erhielt Sophie Philip den Deportationsbefehl nach Lodz. Ihre Schwester Olga Schindler (siehe dieselbe), die außer Sophie keine Angehörigen mehr hatte, meldete sich freiwillig zu diesem Transport, um nicht von ihrer Schwester getrennt zu werden. Die Adresse "Hohensteiner Straße" in Lodz darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass dies keine "normale" Behausung war, sondern ein mit vielen Leidensgefährten überfülltes Quartier. Der Weitertransport nach Chelmno im Mai 1942 bedeutete den Tod, denn in dem Vernichtungslager wurden die Ankommenden sofort im Gaswagen ermordet.
Das Schicksal führte den jüngsten Sohn Werner, der sich seit seinem Eintritt in die britische Armee John David Phillip nennt, bei Kriegsende wieder nach Hamburg. Als junger Soldat diente er in der Besatzungstruppe, die am 3. Mai 1945 in Hamburg einmarschierte. Wegen seiner guten Deutschkenntnisse gehörte er dem "Intelligence Service" an – seine Arbeitsstätte in Hamburg lag in der Isestraße.
© Christa Fladhammer
Quellen: 1; 2; 8; AfW 079885 und 040609; Hamburger Adressbuch 1912 ff; Handels-Telefonbuch Groß Hamburg u.a. 1925, S.443; Auskunft per e-mail und Telefon von John David Phillip, 2013/14.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Recherche und Quellen.