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Carl Norden * 1921
Grindelallee 73 (Eimsbüttel, Rotherbaum)
HIER WOHNTE
CARL NORDEN
JG. 1921
FLUCHT 1938 HOLLAND
DEPORTIERT 1942
AUSCHWITZ
ERMORDET
Weitere Stolpersteine in Grindelallee 73:
Lonny Beese, Bert(h)a Hirnheimer, Alma Lisser, Alexander Norden, Caroline Norden, Max Moses Norden, Siegfried Norden
Alexander Norden, geb. am 10.10.1875 in Hamburg, inhaftiert 1938, emigriert am 24.12.1938 in die Niederlande, am 26.5.1943 in Westerbork interniert, von dort am 20.7.1943 ins Vernichtungslager Sobibor deportiert, auf den 23.7.1943 für tot erklärt
Caroline Norden, geb. Mindus, geb. am 12.10.1885 in Jemgum/Ostfriesland, emigriert am 24.12.1938 in die Niederlande, am 26.5.1943 in Westerbork interniert, von dort am 20.7.1943 ins Vernichtungslager Sobibor deportiert, auf den 23.7.1943 für tot erklärt
Max Moses Norden, geb. am 16.8.1907 in Hamburg, emigriert in die Niederlande, am 10.8.1942 über Westerbork ins Vernichtungslager Auschwitz deportiert, dort am 25.8.1942 ermordet
Bertha Victoria Hirnheimer, geb. Norden, geb. am 24.8.1914 in Hamburg, deportiert am 23.9.1942 aus Nürnberg nach Theresienstadt, von dort deportiert ins Vernichtungslager Auschwitz, ermordet und auf den 12.10.1944 für tot erklärt
Carl Norden, geb. am 9.9.1921 in Hamburg, emigriert am 24.12.1938 in die Niederlande, am 9.11.1939 in Westerbork interniert, von dort am 15.7.1942 ins KZ Auschwitz, dort am 21.8.1942 ermordet
Siegfried Simon Norden, geb. am 4.5.1924 in Hamburg, emigriert am 24.12.1938 in die Niederlande, von dort am 10.8.1942 über Westerbork ins Vernichtungslager Auschwitz deportiert, dort am 30.9.1942 ermordet
Grindelallee 73
Alexander Norden und sein Zwillingsbruder Carl waren die Kinder von Moses Norden und dessen Ehefrau Bertha, geborene Levy. Moses Norden, ein am 9. Mai 1831 in Emden geborener Kaufmann, hatte 1861 das Hamburger Bürgerrecht erworben und wurde am 11. Juni 1865 in Hamburg mit der damals 24-jährigen Hamburgerin Bertha getraut. Ihre Eltern waren Joseph Levy und Fanny, geborene Alexander.
Die Zwillinge hatten einen fünf Jahre älteren Bruder, Joseph Norden, geboren am 17. Juni 1870. Nach dem Abitur studierte er Philosophie und ließ sich zum Rabbiner ausbilden. Als solcher arbeitete er in verschiedenen Orten, unter anderem in Elberfeld, heute ein Stadtteil von Wuppertal. Nach seiner Pensionierung kehrte er nach Hamburg zurück.
Alexander Nordens erste Frau war Julchen Jaffe, geboren am 17. September 1875. Beide hatten am 11. September 1906 in Hamburg geheiratet. Ihre gemeinsamen Kinder kamen alle in Hamburg zur Welt: Max Moses am 16. August 1907, Leo Alexander am 15. Oktober 1912 und Bertha Victoria am 24. August 1914. Ein weiterer Sohn namens Albert kam 1909 zur Welt und starb sehr früh; genaue Lebensdaten sind nicht bekannt.
Julchen starb am 9. Juli 1919. Rund ein Jahr später, am 3. August 1920, heiratete Alexander Norden ein zweites Mal. Seine Frau Caroline Mindus kam aus Jemgum im ostfriesischen Rheiderland nahe der holländischen Grenze. In Jemgum fand auch die Hochzeit statt. Aus dieser Ehe gingen zwei weitere Kinder hervor, Carl, geboren am 9. September 1921, und Siegfried Simon, geboren am 4. Mai 1924, in Hamburg.
Die Nordens lebten in Hamburg und zogen mehrmals um. 1913 wohnten sie in der Neustadt, Peterstraße 69, dann eine Straße weiter in der Marienstraße 4, wo sie bis etwa 1930 lebten. Im Jahr 1931 zog die Familie in die Grindelallee 73, 1. Stock.
Anfang des Jahres 1917 erhielt der damals 31-jährige Alexander Norden seine Einberufung zum Landsturm. Der Erste Weltkrieg dauerte bereits seit drei Jahren an. Alexander war Angestellter des Deutsch-Israelitischen-Synagogenverbands. Er leitete den Chor der Gemeindesynagoge Kohlhöfen. Außerdem war er Thora-Leser, ein wichtiger Bestandteil des jüdischen Gottesdienstes. Der Vorstand der Deutsch-Israelitischen Gemeinde bat am 5. Februar 1917 in einem Schreiben an die Senatskommission für die israelitischen Religionsgemeinden um Zurückstellung Alexanders. Die Senatskommission leitete das Schreiben an die Militärkommission weiter. Diese lehnte eine Freistellung mit der Begründung ab: "Die gegenwärtige Krisenlage erfordert die Heranziehung jedes nur irgend ersetzbaren kriegsverwendungsfähigen Mannes zum Waffendienst." Die Einberufung wurde jedoch bis zum 1. Mai verschoben, damit die Jüdische Gemeinde Zeit hätte, einen Ersatz zu beschaffen. Alexander musste zum Militär.
Alexander und Caroline Nordens Sohn Leo Alexander besuchte die Hamburger Talmud Tora Schule. Anschließend absolvierte er bei der Firma Gottholt & Co. eine kaufmännische Lehre. Danach blieb er als Angestellter bei der Firma. Am 31. März 1933 schickte Alexander Norden Leo mit dem Nachtzug in die Niederlande, da er einen Tag vor dem ersten von den Nationalsozialisten angekündigten Boykott gegen jüdische Geschäfte schlechte Aussichten für die Zukunft antizipierte.
Die Tochter Bertha Victoria Norden verließ ihr Elternhaus am 2. Mai 1934, um in Kassel eine Praktikantenstelle anzutreten. Noch im selben Jahr heiratete sie in Würzburg Jacob Benno Hirnheimer, geboren am 3. September 1897 im nahegelegenen Greußenheim. Er war als Studienrat tätig. Infolge einer spinalen Kinderlähmung war er körperlich stark behindert, ließ sich dadurch jedoch nicht davon abhalten, sich neben seiner Berufstätigkeit auch noch politisch zu engagieren. So war er etwa in der Weimarer Republik von 1924 bis 1928 Mitglied der linksliberalen Deutschen Demokratischen Partei gewesen. Bertha kümmerte sich um die Versorgung ihres Mannes. Sie gehörte dem Jüdischen Kulturbund an.
Der Sohn Max Norden floh am 8. September 1937 aus Hamburg in die Niederlande, nach Amsterdam. Dort kam er kurzzeitig in der Valkenburgerstraat 79 unter und lebte ab Dezember 1937 im Daniel Willinkplein. In Amsterdam leitete er die Firma Hesse en Joseph. Die restliche Familie zog in die Rappstraße 15 um und im März 1938 in die Bornstraße 28e.
Nach der Übernahme des Deutsch-Israelitischen Synagogenverbandes durch den Jüdischen Religionsverband Hamburg im Jahr 1938 arbeitete Alexander Norden nun für diesen. Im Zusammenhang mit der Pogromnacht war er vom 10. bis zum 11. November 1938 im KZ Fuhlsbüttel inhaftiert.
Nur wenige Wochen später wanderte er zusammen mit seiner Frau Caroline und den beiden Söhnen Carl und Siegfried Simon in die Niederlande aus. Offenbar hatte das Ehepaar diesen Schritt schon im Sommer 1938 geplant. Denn in den entsprechenden Akten über ihre Emigration fand sich eine Notiz des Oberfinanzpräsidenten an die Deutsche Reichsbank vom 9. Juni 1938: Es sei darüber zu wachen, dass Alexander Norden keine Devisen ausführe.
Im Dezember 1938 ging dann alles sehr schnell, obwohl der bürokratische Aufwand enorm war. Das zeigt der umfangreiche Schriftwechsel zwischen Alexander Norden, dem Oberfinanzpräsidenten, der für die Auswanderung zuständig war, sowie der Deutschen Reichsbank, der Dresdner Bank, dem Finanzamt und der Zollfahndung. Am 9. Dezember 1938 musste sich Alexander Norden zunächst einem Schuldenregulierungsverfahren unterziehen und eine Vermögenserklärung abgeben. Er vermerkte 100 bis 150 Reichsmark (RM) auf einem Sparbuch sowie 2600 RM für Aktien. Es folgten Freigabeerklärungen und gleichzeitig Gebührenrechnungen für die einzelnen Bearbeitungsschritte. Insgesamt fielen über 700 RM Gebühren an. Am 16. Dezember 1938 hinterlegte Alexander Norden in einem verschlossenen Umschlag eine goldene Herrenuhr in einem Depot bei der Dresdner Bank, befristet bis zum 15. Dezember 1939. Es folgte die Verfügung, dass die Uhr nur mit Genehmigung der Devisenstelle gegen Devisen zurückzugeben sei. Am 17. Dezember 1938 reichte Alexander Norden eine umfangreiche Mobiliarliste über seinen Hausrat ein. Diese enthielt außer Möbeln, Geschirr, Bestecken auch eine Aufstellung über Anzüge, Kleider, Wäsche – bis hin zu den Socken. Das Umzugsgut wurde bei dem Spediteur C. Luppy eingelagert. Am 24. Dezember 1938 reiste die Familie Norden über Oldenzaal in die Niederlande aus. Eile war geboten, da die Einwanderungsgenehmigung am 27. Dezember 1938 ablief.
Die Auslieferung des Mobiliars verzögerte sich allerdings erheblich, wie aus einem Brief von Alexanders Bruder Carl vom 13. Dezember 1939 hervorgeht. Es musste erst der jüdische Anwalt Fels eingeschaltet werden, bevor der Hausrat in die Niederlande ausgeliefert wurde. Der Anwalt kostete noch einmal 200 RM, die auf Carls Drängen der Jüdische Religionsverband übernahm, da Alexander Norden dort beschäftigt gewesen war. Am 27. April 1939 hatte der Oberfinanzpräsident den Spediteur Luppy angewiesen, dem Mobiliar 27 Teile aus dem Silberbesteck zu entnehmen. Diese wurden später von dem Goldschmied Bruno Peters versiegelt.
In den Niederlanden kam Familie Norden zunächst in Rotterdam in der Quarantainestraat 1 unter, ab Januar 1939 in der Wilhelminakade 74 und ab Juli in der van der Horststraat 10b. Dort stieß der Sohn Max Moses wieder zur Familie. Der Sohn Carl war als Lagerarbeiter beschäftigt und wurde bereits am 9. November 1939 in Westerbork interniert. In diesem Dorf im Nordosten der Niederlande hatte die niederländische Verwaltung kurz zuvor das "Zentrale Flüchtlingslager Westerbork" eingerichtet, um die vielen jüdischen Flüchtlinge aus Deutschland und Österreich an einem Ort zu sammeln. Weshalb Carl dorthin gebracht wurde, ist nicht bekannt.
Am 14. Februar 1940 stellte die Staatspolizei einen Antrag auf Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft für die Familie Norden. Am 10. April 1940 wies die Gestapo das Finanzamt an, das in Deutschland verbliebene Vermögen der Nordens sicherzustellen. Über den Umfang des Vermögens gibt es keine Angaben. Es ist in den Akten nur von der bereits erwähnten goldenen Herrenuhr die Rede. Im September 1940 wurde sie für 32 RM abzüglich 3,20 RM Gebühren verkauft und das Geld dem Oberfinanzpräsidenten überwiesen.
Wenige Wochen später zogen Alexander, Caroline, Max und Siegfried Norden von Rotterdam nach Bussum, in die Mecklenburglaan 23a und von dort im Sommer 1942 nach Amsterdam, erst in den Blauwen Distelweg 20 und von dort als Untermieter zu Sohlberg im Dün Willikplains 33b.
Bereits im Mai 1940 hatte die Wehrmacht die Niederlande überfallen und kurz darauf hatte auch dort der Terror gegen Jüdinnen und Juden begonnen. Carl Norden war nach wie vor in Westerbork interniert, das seit dem 1. Juli 1942 als "Durchgangslager" für Jüdinnen und Juden in andere KZ und Vernichtungslager diente. Er wurde am 15. Juli 1942 mit dem ersten Transport von Westerbork ins KZ Auschwitz deportiert und dort am 21. August 1942 ermordet. Max und Siegfried Norden mussten sich in Amsterdam zum Arbeitseinsatz melden. Beide wurden am 10. August 1942 über Westerbork nach Auschwitz gebracht und dort ermordet. Max starb am 25. August 1942, Siegfried wurde nach dem Krieg auf den 30. September 1942 für tot erklärt.
Ihre Eltern Alexander und Caroline Norden wurden am 26. Mai 1943 in Westerbork interniert, am 20. Juli 1943 ins Vernichtungslager Sobibor deportiert und dort drei Tage später ermordet.
Benno Hirnheimer und Bertha, geborene Norden, hatten in Würzburg drei Kinder bekommen: Wolf am 12. September 1937, Rachel Zerl Mirjam am 5. Februar 1939, und Moses Menachim am 7. März 1942. Im Oktober 1939 wurde Bertha Hirnheimer wegen "volksschädigenden Verhaltens", angeblich eines "Hamsterkaufs", angezeigt. Die Anzeige blieb folgenlos. Seit dem Frühjahr 1942 lebte die Familie nicht mehr in ihrer Wohnung in der Annastraße 26, sondern mit sechs weiteren jüdischen Familien im Haus des Verwalters auf dem jüdischen Friedhof. Die Unterbringung war beengt. Die Kinder konnten jedoch den Garten des Friedhofsverwalters und die weitere Umgebung als Spielplatz nutzen. Außerdem lag der Friedhof weit vor der Stadt, sodass die Familie weder von der Polizei noch von Nationalsozialisten behelligt wurde. Der Garten diente zum Anbau von Obst und Gemüse.
Am 23. September 1942 wurden Benno und Bertha Hirnheimer zusammen mit ihren drei Kindern Wolf, Rachel und Moses mit einem Transport, der von Nürnberg über Würzburg und Regensburg ging, ins Getto Theresienstadt deportiert. Von dort wurden sie nach Minsk gebracht, wo Benno Hirnheimer wahrscheinlich ermordet wurde. Bertha und die drei Kinder wurden von Minsk aus ins Vernichtungslager Auschwitz deportiert und dort am 12. Oktober 1944 ermordet.
Leo Norden hatte in den Niederlanden, in Usselo, eine zehnmonatige Ausbildung als Landwirt absolviert. 1934 war er über Triest nach Palästina ausgewandert und hatte erst ein Jahr im Kibbuz Kfar Saba bei Tel Aviv gelebt, dann zwei weitere Jahre als Landarbeiter im Dorf Kfar Saba. Anschließend hatte er sich als Landwirt selbstständig gemacht. Er war der einzige Überlebende der Familie Alexander Norden.
Für Alexander Nordens Bruder Joseph existiert eine Biographie von Susanne Lohmeyer (s. "Stolpersteine in Hamburg-Eimsbüttel und Hamburg-Hoheluft-West" und auf www.stolpersteine-hamburg.de), für ihn liegt ein weiterer Stolperstein in der Kielortallee 13 in Eimsbüttel. Für Carl Norden liegt zudem ein Stolperstein in der Hamburger Neustadt, in der Amelungstraße 6. Für Bertha und ihre Familie liegen in Würzburg, Annastraße 26, Stolpersteine. Ihre Biographie wurde zudem von der Würzburger Stolperstein-Gruppe im Internet veröffentlicht (s. www.stolpersteine-wuerzburg.de/wer_opfer_lang.php?&opferid =148).
Stand: Juli 2017
© Peter Steckhan, Frauke Steinhäuser
Quellen: 1; 2; 5; StaH 332-3 Standesämter A213, Nr. 7617, Alf 128, Folg. 916; StaH 332–1 II Wedde II, 8 Bd. 186, 1865 Nr. 750; StaH 351-11 Amt für Wiedergutmachung 27888; www.stolpersteine-wuerzburg.de/ wer_opfer_lang.php?&opferid=148 (Zugriff 5.2.2017); Landjudentum in Unterfranken/Johanna Stahl Zentrum (Hrsg.): Hirnheimer; Stadsarchief Amsterdam, Persoonskaart NL-SAA-3876193, Alexander Norden
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".