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Bereits verlegte Stolpersteine



Hannah Josephs auf einem Klassenfoto (Ausschnitt)
Hannah Josephs als Schulkind
© Privat

Hannah Josephs * 1923

Hudtwalckerstraße 28 (Hudtwalkertwiete 4) (Hamburg-Nord, Winterhude)


HIER WOHNTE
HANNAH JOSEPHS
JG. 1923
DEPORTIERT 1941
MINSK
ERMORDET

Weitere Stolpersteine in Hudtwalckerstraße 28 (Hudtwalkertwiete 4):
Benjamin Martin Josephs, Gidel Julie Josephs

Hannah Josephs, geb. 21.3.1923 in Hamburg, deportiert am 8.11.1941 nach Minsk

Hudtwalckerstraße 28 (Hudtwalckertwiete 4) (Winterhude)

Hannah Josephs wurde 1923 in Hamburg geboren. Dies war das Jahr der großen Geldentwertung (Inflation) in Deutschland.
Hannahs Vater Martin Josephs hatte im Stadtteil Winterhude ein Geschäft für Berufsbekleidung.

Vermutlich wurde Hannah 1929 eingeschult, in welche Schule, wissen wir nicht.

Mit der "Machtergreifung" der Nationalsozialisten 1933 beherrschte deren fanatischer Judenhass nun auch die Schulen. Immer mehr Schüler, Schülerinnen und Lehrer kamen in Uniform zum Unterricht. Die Jungen unter 14 Jahren trugen die des "Jungvolks" der Hitlerjugend (HJ), die Mädchen die der "Jungmädel" des Bund deutscher Mädel (BdM). An manchen Volksschulen waren es im Mai 1935 schon die Hälfte aller Jungen und ein Viertel aller Mädchen. Noch durften die jüdischen Schülerinnen wie Hannah die staatlichen Schulen besuchen, dies wurde ihnen erst verboten, als Hannah bereits abgegangen war. Aber schon zu Hannahs Schulzeit war die Stimmung oft so aggressiv gegen jüdische Schülerinnen, dass viele von ihnen "freiwillig" auf die jüdische Talmud Tora Schule wechselten.

Ein Jahr nach Hannahs Einschulung zog die Familie aus dem Haus aus, in dem sich das Geschäft des Vaters befand. Die neue Wohnung lag in der Nähe, in der Hudtwalckerstraße 35. Im Nachbarhaus Nr. 37 wohnten ihr Cousin Alfred und ihre Cousine Eva und natürlich auch deren Eltern, Tante Frieda und Onkel Max Oppenheimer, der früher bei einer Bank angestellt gewesen war. Jetzt arbeitete er bei der Jüdischen Gemeinde.

Das Geschäft von Hannahs Vater litt auch unter den Nationalsozialisten. In ihren Uniformen versuchten sie, die Kundschaft am Betreten des Ladens zu hindern. Einige Kunden kamen erst im Dunkeln, um nicht erkannt zu werden. Andere blieben ganz weg. Die Einnahmen sanken. Trotzdem musste der Vater höhere Steuern zahlen als vorher, weil er Jude war. Eine Zeitlang konnte die Familie noch von ihren Ersparnissen leben, aber sie musste sich immer weiter einschränken.

1936 zog Hannahs Familie in eine neu erbaute Wohnung in der Hudtwalckertwiete 4 um. Die lag schräg gegenüber ihrer alten Wohnung und befand sich wie diese im zweiten Stock. Zwei Jahre nach dem Wohnungsumzug musste Hannahs Vater sein Geschäft schließen. Über 20 Jahre hatte er dort Berufskleidung und auch Bettzeug und Gardinen verkauft. Nun verbot die nationalsozialistische Regierung ihm (wie allen jüdischen Ladenbesitzern), sein kleines Geschäft in der Alsterdorfer Straße 20 weiter zu führen, weil er Jude war. Hannahs Eltern versuchten noch, für ein Zimmer eine Untermieterin zu finden, die ihnen etwas Miete zahlte.

In der Nachbarschaft mussten auch andere Juden ihre Geschäfte schließen: Herr Hirsch seine Seifenhandlung in der Hudtwalckerstraße 28, Herr Calmon sein Schuhgeschäft in der Alsterdorfer Straße 14/16 und auch die Färberei in der Alsterdorfer Straße 19.

Als Hannah die Schule verließ, durfte sie als Jüdin nur noch in der Firma eines jüdischen Besitzers eine Ausbildung beginnen. Aber weil die jüdischen Geschäfte und Firmen 1938/1939 ganz schließen mussten, konnte sie keinen Beruf erlernen.

Immer neue Vorschriften gegen Jüdinnen und Juden in Deutschland wurden erlassen. Nun durften sie nur noch in einem bestimmten Laden an der Grindelallee einkaufen, was ziemlich weit weg war, zumal sie keine öffentlichen Verkehrsmittel benutzen durften. Abends durften Juden die Wohnungen nicht verlassen. Schon lange konnte Hannah nicht mehr in das Freibad im Stadtparksee und in die "Badeanstalt Görnestraße" (Kellinghusenbad) oder einen nichtjüdischen Sportverein gehen. Treffen durfte sie sich nur noch mit jüdischen Freundinnen oder Freunden. Und vieles mehr.

Hannah musste sehr aufpassen, dass sie alle Verbote befolgte, sonst drohte ihr oder ihren Eltern eine Strafe. Manchmal schauten auch die nichtjüdischen Nachbarn genau hin und zeigten eine Jüdin oder einen Juden an, der gegen eine Vorschrift verstoßen hatte. Ganz in der Nähe in der Sierichstraße 177 war eine Polizeiwache. Doch noch mehr Angst hatten Hannah und ihre Eltern vor den Nationalsozialisten, die ein Büro in der Nähe der Polizei im Eppendorfer Stieg 10 an der Ecke der Barmbeker Straße hatten.

Als Hannah 17 Jahre alt wurde, musste ihre Familie aus Winterhude wegziehen. In der Hudtwalckertwiete durften nun keine Juden mehr wohnen. Im Stadtteil Eppendorf in der Haynstraße 5 bekamen ihre Eltern ein Zimmer, dort wohnten jetzt fast nur Juden. Hannah selbst wohnte nicht bei ihnen, sondern in Räumen der Jüdischen Gemeinde in der Beneckestraße 6. Sie half jetzt im Jüdischen Krankenhaus.

Da man von außen nicht sehen konnte, wer Jude und wer Nichtjude ist, befahlen die Nationalsozialisten im September 1941, dass alle Juden, die älter als 6 Jahre waren, einen gelben Stern aus Stoff an ihrer Kleidung annähen mussten. Nun konnte jeder schon von weitem sehen, dass Hannah eine Jüdin war.

Hannah wurde zusammen mit ihren Eltern und rund tausend anderen Menschen am 8. November 1941 in die weißrussische Stadt Minsk deportiert. Der Zug brauchte zwei Tage um dort hinzukommen. Minsk war von den deutschen Soldaten erobert worden, dabei war fast die Hälfte der Gebäude der Stadt zerstört worden. In einem Teil der Stadt war ein Gebiet eingezäunt worden, in das erst alle weißrussischen Juden ziehen mussten und dann – in einen abgesonderten Teil - auch die deutschen Juden, die dorthin deportiert wurden.

Als Hannah und ihre Eltern dort ankamen, hatte der Winter schon begonnen, es gab viel zu wenig Essen, nicht genügend Wohnraum, kaum Heizmaterial und keine Medikamente, wenn jemand krank wurde. Wie und wann Hannah gestorben ist, hat niemand aufgeschrieben. Es sind in dieser Zeit so viele Juden dort gestorben. Die Bewacher haben im Getto Minsk nur noch die Zahl der Toten aufgeschrieben, die Namen waren ihnen egal.

Stand: März 2022
© Björn Eggert

Quellen: Staatsarchiv Hamburg (StaH) 314-15 (Oberfinanzpräsident), R 1939/2487 (Sicherungsanordnung gegen Martin Josephs); StaH 522-1 (Jüdische Gemeinden), 992b (Kultussteuerkartei der Deutsch-Israelitischen Gemeinde Hamburg), Hannah Josephs, Martin Benjamin Josephs, Max Siegfried Oppenheimer; Frank Bajohr, "Arisierung" in Hamburg. Die Verdrängung der jüdischen Unternehmer 1933-1945, Hamburg 1998 (Tabelle: S. 351 Brandt & Wolk oHG, S. 351 Edgar Calmon, S. 360 Hermann Hirsch); Ursel Hochmutz/ Hans-Peter de Lorent, Hamburg: Schule unterm Hakenkreuz, Hamburg 1985, S. 41 u. 42 (Schule Alsterdorfer Str. 39); Ina Lorenz/ Jörg Berkemann, Die Hamburger Juden im NS-Staat 1933 bis 1938/39, Göttingen 2016, Band I, S. 232 (staatl. Schulen, 1938), S. 607-609 (öffentl. Badeanstalten), S. 609 (öffentl. Bücherhalle), Band II, S. 767-769 (Sportverein), Band IV, S. 719-721 ("Arierparagraph" in Sportvereinen, 1933), Band V, S. 248-249 (Kellinghusenbad), S. 654 (öffentl. Verkehrsmittel, 1938), S. 711-712 (Einkaufsverbot für Beamte in jüdischen Geschäften, 1937); www.stolpersteine-hamburg.de (Martin Josephs, Julie Josephs geb. Goldberg, Harriet Perlmann).

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