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Bereits verlegte Stolpersteine



Judis Kargauer * 1939

Breite Straße / Pepermöhlenweg (vormals Breite Straße 11) (Altona, Altona-Altstadt)


HIER WOHNTE
JUDIS KARGAUER
JG. 1939
DEPORTIERT 1941
LODZ
ERMORDET 1942 IN
CHELMNO

Weitere Stolpersteine in Breite Straße / Pepermöhlenweg (vormals Breite Straße 11):
Egon Samuel Kargauer, Regina Kargauer, Denny Kargauer

Denny Kargauer, geb. am 7.12.1940, deportiert nach Lodz am 25.10.1941, dort gestorben am 19.1.1942
Egon Samuel Kargauer, geb. am 9.10.1914, mehrfach inhaftiert, deportiert nach Lodz am 5.10.1941, im Vernichtungslager Chelmno am 10.5.1942 ermordet
Judis (Judith) Kargauer, geb. am 4.11.1939 in Hamburg, deportiert nach Lodz am 25.10.1941, im Vernichtungslager Chelmno am 10.5.1942 ermordet
Regina Kargauer, geb. Finkelstein, geb. am 5.2.1915 in Altona, deportiert nach Lodz am 25.10.1941, dort gestorben am 18.2.1942

Breite Straße/Ecke Pepermölenbek (Breitestraße 11)

In den "Transportlisten der deportierten Hamburger Juden, Transport nach Litzmannstadt am 25.10.1941" wurden zwölf Mitglieder der jüdischen Familie Kargauer aufgeführt. Der "Evakuierungsbefehl" für diesen ersten Großtransport Hamburger Juden ins Getto Lodz im besetzten Polen galt für die Witwe Cäcilie Kargauer, bei der Deportation 54 Jahre alt, und ihre sieben teils erwachsenen Kinder und deren Familien: ihre älteste Tochter Carmen Liebenthal, geb. Kargauer, sowie deren Mann Alfons und die Kinder Fränzel und Salo, ihren Sohn Egon mit seiner Frau Regina und den Kindern Judis und Denny, ihren Sohn Heinz, der 1938 im KZ Fuhlsbüttel in Haft gewesen war, mit seiner Frau Gisela, ihre Söhne Gerd und Norbert und ihre Töchter Ruth und Tessa. Tessa, Cäcilie Kargauers jüngste Tochter, war zwölf Jahre alt und Schülerin der Israelitischen Töchterschule in der Karolinenstraße. Bis auf das Ehepaar Heinz und Gisela Kargauer, das in der Heinrich-Barth-Straße in Eimsbüttel gelebt hatte, und Carmen Liebenthals Familie, wohnhaft in der Rappstraße 7 in Eimsbüttel, Rotherbaum, wohnten alle Kargauers zuletzt in dem Altonaer "Judenhaus" Breite Straße 11. Niemand aus der Familie überlebte.

Der Kaufmann Bernhard Kargauer und seine Ehefrau Cäcilie, geborene Vogel, wohnten nach ihrer Heirat 1903 in der Eckernförderstraße 57 in St. Pauli (heute Simon-von-Utrecht-Straße), um 1910 in der Gärtnerstraße 24 und in den 1920er Jahren in der Bundespassage 6. Zwischen 1911 und 1929 kamen ihre sieben Kinder zur Welt.

Der älteste Sohn Egon Samuel Kargauer wurde am 9. Oktober 1914 geboren. Er wurde später Verkäufer in der Textilbranche und war bei verschiedenen Firmen beschäftigt. Noch lebte er bei den Eltern, die inzwischen in der Grindelallee 168 wohnten. Am 6. November 1936 wurde er verhaftet und saß im Untersuchungsgefängnis Holstenglacis ein; er war wegen "Rassenschändigung" angezeigt worden. Seit 1935 stellten die Nürnberger Gesetze außereheliche Beziehungen zwischen jüdischen und nichtjüdischen Partnern bzw. Partnerinnen unter Zuchthausstrafe. Dies rief Denunzianten auf den Plan. Viele lieferten Liebespaare der staatlichen Verfolgung aus, andere Anzeigen bei der Gestapo beruhten auf Lügen und Gerüchten, wie offensichtlich auch im Fall Egon Kargauers. Er wurde am 15. März 1937 nach mehr als vier Monaten U-Haft wieder entlassen.

Am 8. September 1938 heiratete er die jüdische Polin Regine Finkelstein, Tochter von Aron und Etla Finkelstein (siehe dies., S. 185)

Regine Kargauer, geboren am 15. Februar 1915, arbeitete als Kontoristin, zuletzt bei Münden und Co in Hamburg. Ab November 1938 war sie erwerbslos.

Im Verlauf des Novemberpogroms 1938 wurde Egon Kargauer wie viele jüdische Männer festgenommen und saß für die Nacht vom 10. zum 11. November in "Schutzhaft" im KZ Fuhlsbüttel ein. Dann wurde er ins KZ Sachsenhausen verlegt, wo er bis zum 25. Januar 1939 inhaftiert blieb. Im Anschluss an seine Haft begannen die Eheleute, die Auswanderung nach Shanghai vorzubereiten; vermutlich war Egon Kargauer, wie auch andere, mit der Auflage entlassen worden, Deutschland zu verlassen. Das Ehepaar Kargauer wohnte zu diesem Zeitpunkt in der Großen Gärtnerstraße 6 (heute Thadenstraße). In der Vierzimmerwohnung lebten auch Regine Kargauers Schwester Carmen Liebenthal und ihre zwei Kleinkinder; ihr Mann war in Haft.

Egon Kargauer, der wie seine Frau keine Anstellung mehr fand, beantragte Wohlfahrtsunterstützung. Nach einem Hausbesuch vom Wohlfahrtsamt Anfang Februar wurde in der neu angelegten Fürsorgeakte vermerkt: "Ehemann […] wandert am 12.4.1939 nach Shanghai aus." Egon und Regine Kargauer lebten ab Februar 1939 von wöchentlich 17,40 Reichsmark (RM) Arbeitslosenunterstützung.

Egon Kargauers Auswanderungsantrag war bei der Devisenstelle des Oberfinanzpräsidenten in Bearbeitung. Im "Auswandererfragebogen" hatte er als Ziel Shanghai angegeben. Die meisten Staaten waren nicht daran interessiert, mehr und mehr ärmere Menschen aufzunehmen; so wurden Einwanderungsquoten erlassen, Bürgschaften oder Vorzeigegelder verlangt. Nur für die Einreise ins chinesische Shanghai war kein Visum nötig. Es war eine verzweifelte Entscheidung, mittellos in ein völlig unbekanntes Land auszureisen. Die Reise- und Transportkosten wollte der Hilfsverein des Jüdischen Religionsverbandes Hamburg übernehmen.

Zu den Formblättern, die für die bevorstehende Auswanderung auszufüllen waren, gehörten auch ein Fragebogen für die Versendung von Umzugsgut und Umzugsgutverzeichnisse für Hand- und Reisegepäck. Egon Kargauer gab an, vier neue Koffer und eine Kiste gekauft zu haben, finanziert durch den Verkauf von Möbeln. Er schätzte den Wert der ansonsten gebrauchten Sachen in seinem Besitz auf 400 RM. Bis Ende März 1939 wollte er seine Wohnung räumen und die Kiste für die Verschickung nach Shanghai versiegelt lagern. Detailliert musste er den Inhalt angeben. In seinem persönlichen Reisekoffer befanden sich Kleidung, Bettwäsche, ein Rasierapparat, ferner Gebetbuch und Gebetsriemen.

Am 21. März 1939 meldete die Zollfahndungsstelle, es gebe keine Bedenken gegen das Umzugsgut, da es sich nur "aus gebrauchten Wäsche- und Bekleidungsstücken sowie einigen benutzten Bedarfsgegenständen" zusammensetze. Ende März 1939 bescheinigte die Devisenstelle in der sogenannten Unbedenklichkeitsbescheinigung, dass "kein Vermögen vorhanden" und Egon Kargauer keine Abgaben schuldig sei.

Dennoch schlugen die Auswanderungspläne fehl. Am 22. April wurde in der Sozialverwaltung notiert, dass Regine Kargauer, die als Empfängerin von Arbeitslosenunterstützung Pflichtarbeit leisten musste, schwanger sei: "Angeblich ist Frau K. gravid. Die Eheleute K. wollen auswandern. Die schon festgesetzte Ausreise verzögerte sich, weil anscheinend kein Platz mehr auf dem Dampfer war."

Im April 1939 bezog das Ehepaar ein möbliertes Zimmer in der Wohnung von B. Cohn in der Rappstraße 24. Seit diesem Monat war Egon Kargauer als "Erdarbeiter" bei verschiedenen Firmen zur Zwangsarbeit eingeteilt, zeitweise war er in Flensburg beschäftigt.

Anfang Oktober 1939 wurden Regine Kargauer und Egon Kargauers Eltern, die ebenfalls von der Wohlfahrt lebten, im Rahmen der Umsiedlungsaktionen in sogenannte Judenhäuser, die unter Überwachung durch die Gestapo standen, ins "Judenhaus" Breite Straße 11 in der Altonaer Altstadt einquartiert. Im November 1939 wurden auch Egon Kargauers Geschwister dort eingewiesen. Am 4. November 1939 brachte Regine Kargauer die Tochter Judis (Judith) zur Welt. Auch ihr Mann, der zeitweilig in der Rappstraße 16 bei Bahr gewohnt hatte, zog nun zu seiner Familie in die Breite Straße 11. Das Haus Breite Straße 11 (bis 1938 Breitestraße) war vormals im Besitz der Hochdeutschen Israelitischen Gemeinde gewesen, die dort mit einem Sekretariat und der Einrichtung des Beerdigungswesens ihren Sitz hatte; ab 1939 gehörte es dem Jüdischen Religionsverband Hamburg als Abteilung der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland.

Auf Egon Kargauers Kultussteuerkarte wurde der schon erfolgte handschriftliche Vermerk "Ausgeschieden April 39 Shanghai" wieder gestrichen. Das Deutsche Reich befand sich nun im Krieg und eine legale Auswanderung war für die junge Familie nicht mehr möglich.

Am 7. Dezember 1940 bekam Regine Kargauer ein zweites Kind, den Sohn Denny. Im selben Monat starb Egons Vater Bernhard Kargauer im Alter von 71 Jahren.

Zwei Monate später begannen die Hamburger Großdeportationen. Am 25. Oktober 1941 wurden Egon und Regine Kargauer aus dem "Judenhaus" Breite Straße 11 zusammen mit den Kindern Judis und Denny – die Tochter war knapp zwei Jahre, der Sohn zehn Monate alt – und weiteren Familienangehörigen ins Getto Lodz abtransportiert, wo fünf Tage später, am 31. Oktober, die Ankunft der Familie verzeichnet wurde.

Denny überlebte den ersten harten Winter, den Hunger und die Infektionskrankheiten im Getto nicht, er starb am 19. Januar 1942; seine Mutter Regine kam einen Monat später, am 18. Februar 1942, ums Leben.

Auch Egon Kargauers Schwester Carmen Liebenthal und sein Neffe Fränzel sowie der Bruder Heinz und dessen Ehefrau Gisela Kargauer starben im Getto Lodz.

Egon Kargauer wurde zusammen mit der Tochter Judis, seiner Mutter Cäcilie, den Geschwistern Gerd, Norbert, Ruth und Tessa, seinem Schwager Alfons Liebenthal und seinem Neffen Salo am 10. Mai 1942 ins nahegelegene Vernichtungslager Chelmno weiterdeportiert, wo die SS die Gettoinsassen in umgerüsteten Gaswagen ermordete.

Die gesamte Familie Kargauer wurde durch die nationalsozialistische Vernichtungspolitik ausgelöscht.

Für Familie Liebenthal liegen Stolpersteine in der Rappstraße 7, für Heinz und Gisela Kargauer in der Heinrich-Barth-Straße 1 (Biographien siehe www.stolpersteine-hamburg.de). Für Cäcilie Kargauer, geb. Vogel (geb. 14.6.1887 Hamburg), Tessa Kargauer (geb. 7.6.1929 Altona), Gerd Kargauer (geb. 8.12.1920 Hamburg), Norbert Kargauer (geb. 29.9.1926 Hamburg) und Ruth Kargauer (geb. 14.10.1919 Hamburg) sollen Stolpersteine in der Grindelallee 168, dem früheren Lebensmittelpunkt der Familie, verlegt werden.

Stand September 2015

© Birgit Gewehr

Quellen: 1; 2 (FVg 7522, Kargauer, Egon); 4; 5; 8; StaH 522-1 Jüdische Gemeinden, 992 e 1 Band 1 (Deportationsliste Litzmannstadt, 25.10.1941); AB Altona; StaH 351-14 Arbeits- und Sozialfürsorge – Sonderakten, 1355 (Kargauer, Egon); StaH 213-8 (General-) Staatsanwaltschaft Oberlandesgericht – Verwaltung, Ablieferung 2, 451a E 1, 1c (Abrechnungslisten über Schutzhaftkosten des KZ Fuhlsbüttel); Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten/Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen, D 1 A/1022, Bl. 488; Archiwum Panstwowe w Lodzi, Ankunfts- und Abgangsdokumente des Gettos Litzmannstadt; Deutsch-Jüdische Gesellschaft Hamburg (Hrsg.), Wegweiser.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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