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Nanny Müller (geborene Müller) * 1893
Helene-Lange-Straße 7 (Eimsbüttel, Harvestehude)
HIER WOHNTE
NANNY MÜLLER
GEB. MÜLLER
JG. 1893
DEPORTIERT 1941
ERMORDET IN
RIGA
Weitere Stolpersteine in Helene-Lange-Straße 7:
Edith Goldschmidt, Moritz Goldschmidt, Max Strelitz, Hans Wunderlich, Estella Wunderlich
Nanny Müller, geb. 29.9.1893 in Hamburg, am 6.12.1941 deportiert ins Getto Riga
Helene-Lange-Straße 7 (früher: Hansastraße 79), Eimsbüttel
Nanny Müller wurde am 29. September 1893 in Hamburg geboren. Sie hatte drei Geschwister: Ihr älterer Bruder Aron Leopold Müller war am 1. August 1891, ihre Schwester Paula am 6. März 1895 und ihr jüngerer Bruder Lazarus Siegmund am 5. November 1901 geboren worden. Über Kindheit und Jugend und Ausbildung der Geschwister ist uns nichts bekannt.
Nanny Müller war seit dem 30. Mai 1919 laut Eheschließungsurkunde mit dem Sänger Siegmund Cohn, geb. 2. Juli 1894 in Hamburg, verheiratet. Sie arbeitete beruflich als "Ein- und Verkäuferin" und gehörte nach ihrer Scheidung ab 1929 als selbständig zahlendes Mitglied der Jüdischen Gemeinde Hamburgs an. Bis Dezember 1938 leistete sie Beiträge in Höhe von RM 2,10 an die Jüdische Gemeinde. Ab 1939 sind keine Zahlungen mehr verzeichnet. Nanny Müller arbeitete als Angestellte in der Firma Moritz Mädler, Lederwarenfabrik im Neuen Wall 10. Wie lange sie dort beschäftigt war, ist nicht überliefert. Auch andere Beschäftigungsverhältnisse sind nicht bekannt.
Siegmund Cohn hatte nach dem Schulabschluss an der Talmud-Tora-Schule den Beruf des Kaufmanns erlernt. In seinem Lebenslauf vom Februar 1938 schrieb er, dass er von 1919 bis 1929 "teils kaufmännisch in mehr oder weniger längeren Anstellungen tätig, teils auch als Sänger am Hamburger Rundfunksender und am Kabarett in Deutschland" beschäftigt gewesen sei. 1920 war er in der Fröbelstraße 7 gemeldet. Danach war er bis 1926 mit keinem eigenen Eintrag verzeichnet, was dafürspricht, dass er und seine Frau Nanny in dieser Zeit zur Untermiete wohnten. Ab 1926 war Siegmund Cohn als Kaufmann in der Rappstraße 9 verzeichnet. Diese Adresse findet sich auch auf der Kultussteuerkarte von Nanny Müller. Die Ehe wurde am 26. März 1927 geschieden. Nanny Cohn nahm im März 1934 den Geburtsnahmen Müller wieder an.
Als weitere Wohnorte von Nanny Müller sind auf der Karteikarte der Jüdischen Gemeinde die Alsterdorfer Straße 98 und Hansastraße 79 eingetragen. Für die Hansastraße 79 war Nanny Müller erstmals 1935 im Hamburger Adressbuch notiert.
Ihr letzter Wohnsitz lautete Hegestieg 12. Nach einem Eintrag auf der Kultussteuerkarte wohnte sie vermutlich ab dem 28. Januar 1936 dort. In dem Haus lebten auch ihr Bruder Ludwig Müller und seine Frau Marianne. Nanny Müller bewohnte dort eine eigene Wohnung im Erdgeschoss. Ab 1937 war sie für diese Anschrift auch im Adressbuch eingetragen.
Bei Nanny Müller lebte auch ihre verwitwete Mutter Minna Müller, geb. Engel, geb. 3. September 1862. Als gemeinsame Wohnungen sind die Rappstraße, Hansastraße und Hegestieg nachweisbar. Sie musste am 3. Dezember 1941 in das "Judenhaus" Schäferkampsallee 29 ziehen und wurde ab dem 20. Mai 1943 im "Judenhaus" Beneckestraße 4-6 einquartiert, bis sie als 81jährige am 9. Juni 1943 nach Theresienstadt deportiert wurde. Sie starb dort am 18. Februar 1944.
Nanny Müllers Bruder Leopold und seine Frau Marianne Müller gaben im Mai 1939 ihre eigene Wohnung im Hegestieg 12 auf und zogen zu Nanny Müller. Hinter Leopold Müller lag Monate KZ-Haft in Sachsenhausen, wohin er im Zuge des Novemberpogroms 1938 verschleppt und am 14. Dezember entlassen worden war. Leopold Müller war schon seit 1927 von der Unterstützung der Fürsorge abhängig und hatte mehrfach eine Zwangsräumung angedroht bekommen. Durch den Umzug zu seiner Schwester konnte er günstiger wohnen und seine Lage etwas verbessern. Nanny Müller zahlte ihre Miete regelmäßig, wie es in einer Stellungnahme der Fürsorge hieß. Leopold Müller wanderte im August 1941 in die USA aus, wo er am 21. August 1942 verstarb.
Nanny Müller und ihre zurück gebliebene Schwägerin Marianne erhielten den Deportationsbefehl für den 6. Dezember 1941 in das Getto Riga. Sie überlebten nicht. Beide wurden mit Datum 8.5.1945 für tot erklärt.
Bei ihrer Deportation mussten sie ihren gesamten Hausstand zurücklassen und die Schlüssel der Wohnung an der nächsten Polizeistation abgeben. Die Wohnungseinrichtung und der Hausrat wurden später durch die Firma Arthur Landjunk versteigert. Der Erlös der Versteigerung betrug RM 2.873,95 und wurde abzüglich der Restmiete an die Oberfinanzkasse überwiesen.
Nannys Schwester Paula Pfeiffer, geb. Müller, geb. am 6. März 1895 in Hamburg überlebte den Krieg in einer Mischehe mit ihrem nichtjüdischen Ehemann. Das Paar wohnte in der Isestraße 67. Paula Pfeiffer musste während des Krieges Zwangsarbeit leisten.
Ihr Bruder Lazarus Siegmund konnte in die USA emigrieren.
Leopold und Marianne Müllers Kinder Inge und Max Gerhard gelangten über Kindertransporte nach England und lebten später in den USA und Kanada.
Nanny Müllers geschiedener Ehemann Siegmund Cohn war von November 1937 bis zum 5. Mai 1940 wegen "Rassenschande" inhaftiert. Er hatte 1928 eine Nichtjüdin kennengelernt, zu der er im März 1929 gezogen war. Das Paar lebte jahrelang unverheiratet zusammen. 1934 zog er nach Gerede der Nachbarn, "daß bei der Zeugin N. ein Jude wohne", dort aus und wohnte in der Grindelallee 47 zur Untermiete. Nach Erlass der Nürnberger Gesetze, die außerehelichen Geschlechtsverkehr zwischen Juden und Nichtjuden unter Strafe stellten, besprachen sie ihre Situation und trafen sich nur noch gelegentlich. Am 5. November 1937 wurde Siegmund Cohn verhaftet und wegen "Rassenschande" zu zwei Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe verurteilt, die er in der Haftanstalt Glasmoor absaß. Zur Vorbereitung seiner Emigration erhielt er im April 1940 zwei Tage Strafurlaub.
Siegmund Cohn heiratete am 11. Oktober 1940 die Artistin Lotte Marx, geb. am 17. Februar 1902 in Hamburg. Sie wohnten in der Hansastraße 64 zur Untermiete. Beide emigrierten am 26. November 1940 nach Jugoslawien. Das endgültige Reiseziel dürfte, wie in der Kultussteuerkarte vermerkt, Paraguay gewesen sein. Sein Bruder Eduard Cohn war bereits am 15. September 1938 nach Paraguay ausgewandert und hatte seine Frau Margot und die beiden Kinder Helmut und Marion 1939 nachgeholt.
Stand: Oktober 2024
© Martin Bähr
Quellen: Hamburger Adressbuch; StAH 213-13 Landgericht Hamburg Wiedergutmachung 7467 Müller, Nanny; 242-1 II Gefängnisverwaltung II 2114 Cohn, Siegmund; 242-1 II Zentrale Haftkartei für Männer 30268 (741-4 Fotoarchiv A 467); 314-15 Oberfinanzpräsident F 288, Cohn, Eduard; 314-15 Oberfinanzpräsident FVg 8346, Cohn Siegmund, Cohn Lotte; 351-11_Wiedergutmachung 744 Müller, Minna, 351-11_Wiedergutmachung 13125 Müller, Aron Leopold; 351-11_Wiedergutmachung 15336 Müller, Marianne; 351-11 Wiedergutmachung 15833 Müller, Nanny; 351-11_Wiedergutmachung 17120 Pfeiffer, Paula; 351-11_Wiedergutmachung 47327 Müller, Gerhard; 522-01_0992_b_41163 Nanny Müller geb. 29.9.1893; 522-01_0992_b_41164 Nanny Müller geb. 29.9.1893; 522-01_0992_b_09301 Siegmund Cohn, geb. 2.7.1894; 522-01_0992_b_37843 Lotte Marx, geschiedene Lehmann 17.2.1902; 522-01_0992_b_41137 Leopold Müller; 522-01_0992_b_41139 Leopold Müller; 522-01_0992_b_41161 Minna Müller, geb. Engel; E-Mail Reference Services Arolsen Archives v. 29.8.2024 (Az. T-174167); Email der Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen v. 27.9.2024.
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de933481; https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de933449; https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de933475; https://www.pamatnik-terezin.cz/prisoner/te-muller-minna; https://www.statistik-des-holocaust.de/VI7-3.jpg; https://www.statistik-des-holocaust.de/OT411108-8.jpg, https://www.statistik-des-holocaust.de/OT411206-23.jpg; https://www.statistik-des-holocaust.de/VI7-3.jpg (alle letzter Zugriff 22.7.2024).