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Bereits verlegte Stolpersteine



Hochzeitsphoto von Ernst und Rosa Thälmann, 1915
© Gedenkstätte Ernst Thälmann, Hamburg-Eppendorf

Ernst Thälmann * 1886

Rathausmarkt 1 (links vor dem Rathaus) (Hamburg-Mitte, Hamburg-Altstadt)


ERNST THÄLMANN
MDHB 1919 – 1933 KPD
JG. 1886
VERHAFTET 1933
ZUCHTHAUS BERLIN-MOABIT
1937 GEFÄNGNIS HANNOVER
1943 HAFTANSTALT BAUTZEN
1944 BUCHENWALD
ERMORDET 18.8.1944

Weitere Stolpersteine in Rathausmarkt 1 (links vor dem Rathaus):
Kurt Adams, Etkar Josef André, Bernhard Bästlein, Adolf Biedermann, Gustav Brandt, Valentin Ernst Burchard, Max Eichholz, Hugo Eickhoff, Theodor Haubach, Wilhelm Heidsiek, Ernst Henning, Hermann Hoefer, Franz Jacob, Friedrich Lux, Fritz Simon Reich, August Schmidt, Otto Schumann, Theodor Skorzisko, Hans Westermann

Ernst Thälmann, geb. 14.4.1886 in Hamburg, im August 1944 im KZ Buchenwald von der SS erschossen

Tarpenbekstraße 66

Ernst Thälmann war der Sohn von Johannes und Maria Magdalena Thälmann, geborener Kohpeiss, die 1884 geheiratet hatten. Die Familie wohnte Alterwall 68. Ihre Tochter Frieda wurde am 4. April 1887 geboren. Über Frieda ist lediglich bekannt, dass sie nicht politisch aktiv war und bis zu ihrem Tod am 8. Juli 1967 in Hamburg lebte. Laut Geburtsregister gab es wahrscheinlich weitere Geschwister, die aber bereits im Kleinkindalter verstarben. Als die Eltern 1892/93 wegen Hehlerei im Gefängnis saßen, wurden Ernst und Frieda in Pflegefamilien gegeben.

Die beiden mussten als Kinder viel im elterlichen Lebensmittelgeschäft und Fuhrbetrieb mitarbeiten, sodass wenig Zeit für die Schule blieb. Trotz guter Leistungen – er hatte die "Selekta" erreicht – verließ Ernst im Alter von 14 Jahren die Volksschule. [Die Selekta bezeichnet eine Besonderheit des Hamburgischen Schulwesens Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts. Nach Beendigung der neunjährigen Volksschule konnten begabte Schüler sie besuchen und sich unter anderem für die Bewerbung auf das Lehrerseminar qualifizieren.] Somit besaß Ernst nicht die Voraussetzung, sich zum Handwerker oder gar Lehrer ausbilden zu lassen, wie er es sich erhofft hatte. Zwei Jahre lang arbeitete er weiter im Familienbetrieb. Wegen ständiger Streitereien um seine Entlohnung – sein Vater zahlte ihm für seine Arbeit nur ein Taschengeld – und um mehr persönlichen Freiraum verließ er schließlich sein Zuhause und nahm eine Reihe von Gelegenheitsarbeiten auf Hamburger Werften an. Hier zeigte sich erstmals Thälmanns Selbst­bewusstsein, das er als Heizer an Bord des Dampfers "Amerika" ebenso an den Tag legte wie auch 1910 während einer kurzen Episode als Landarbeiter in der Nähe von New York.

Nach Hamburg zurückgekehrt, fand Ernst Thälmann wieder Arbeit im Hafen. Hier war er durch seine Erfahrungen als Gelegenheitsarbeiter politisiert worden. 1903 war er in die Sozialdemokratische Partei, 1904 in die Transportarbeitergewerkschaft eingetreten, wo er noch vor dem Ersten Weltkrieg zum Vorsitzenden der Abteilung Fuhrleute aufstieg. Als er 1910 seine zukünftige Frau Rosa Koch kennenlernte, war er als Fuhrmann tätig. Rosa, geboren am 27. März 1890 in Bargfeld, war Plätterin bei der Wäscherei "Frauenlob", die auf einer von Thälmanns Touren lag. Die beiden heirateten 1915, kurz bevor Ernst Thälmann zur Artillerie eingezogen wurde. Wie viele, die vor 1914 politisch links gestanden hatten, kämpfte er während des gesamten Krieges loyal für sein Vaterland. Als die Armee im Herbst 1918 aufgelöst wurde, kehrte er nach Hamburg zurück. Auch als führender Kommunist blieb er stolz auf sein "Eisernes Kreuz" II. Klasse, einer Auszeichnung, die im Frühjahr 1918 en masse verliehen worden war, um die Moral der bedrängten Truppen zu heben. Mindestens zweimal wurde Ernst Thälmann bei Kampfhandlungen verwundet.

Wieder in Hamburg, fand er eine gut bezahlte Stelle beim Arbeitsamt, wo er bis zum Inspektor aufstieg. Während dieser Zeit wurde sein einziges Kind, die Tochter Irma (6. November 1919) geboren. Ernst Thälmanns politische Karriere nahm nach dem Krieg einen rasanten Aufschwung. Er schloss sich der Hamburger Ortsgruppe der USPD an, die aus der SPD hervorgegangen war. Als führendes Mitglied ihres linken Flügels setzte er sich sehr für den Zusammenschluss der Partei mit der KPD ein, der schließlich im Dezember 1920 vollzogen wurde. Seit Februar 1919 war Thälmann Abgeordneter der Hamburgischen Bürgerschaft, ein Mandat, das er bis 1933 innehatte.

Ernst Thälmann wurde am 29. März 1921 fristlos gekündigt, nachdem er unerlaubt seinem Arbeitsplatz ferngeblieben war, um einem Aufruf der KPD zu den Waffen zu folgen und sich der sogenannten März-Aktion anzuschließen. Dieser Aufstand war ein Versuch vor allem mitteldeutscher KPD-Anhänger und -Anhängerinnen, die bürgerliche Republik zu schwächen. Er scheiterte. Für kurze Zeit arbeitete Thälmann anschließend wieder sowohl für seinen Vater als Fuhrmann als auch auf Werften. Seit der "März-Aktion" verdiente er sein Geld jedoch in erster Linie als hauptamtlicher Mitarbeiter der KPD.

Während einer Welle rechtsradikalen Terrors wurde 1922 ein Versuch unternommen, Ernst Thälmann zu ermorden. Am 17. Juni explodierte eine Handgranate vor der Erdgeschosswohnung der Familie in der Siemssenstraße 4. Sie richtete nicht nur Sachschaden an, sondern jagte auch seiner Frau und der kleinen Tochter einen Riesenschrecken ein.

1924 wurde er in den Reichstag gewählt, wo er bis zum Ende der Weimarer Republik der Parlamentsfraktion der KPD vorstand. Diese Funktion brachte längere Aufenthalte in Berlin mit sich. Außerdem war Thälmann regelmäßiger Gast in Moskau, sowohl in seiner Rolle als führender deutscher Kommunist als auch als Mitglied des Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationalen. Das Exekutivkomitee lenkte die Politik der Mitgliedsparteien, koordinierte sie nach einheitlichen Grundsätzen und verfolgte als Endziel die Weltrevolution.

Sein Auftreten als "Mann aus dem Volk" – ungelernter Transportarbeiter mit Hamburger Zungenschlag und Schiffermütze – war hilfreich für seinen Aufstieg zum Vorsitzenden einer deutschen KP Stalinscher Prägung. Persönlich nahe stand er Stalin jedoch nie. Im Herbst 1925 wurde Ernst Thälmann auf Intervention Stalins Vorsitzender der KPD und mithin zu Deutschlands prominentestem Kommunisten. Durch seine Kandidatur für das Amt des Reichspräsidenten bei den Wahlen 1925 und 1932 geriet er einmal mehr ins Scheinwerferlicht innenpolitischer Aufmerksamkeit.

Sein Spitzname "Teddy" wurde nach dem sogenannten Hamburger Aufstand von 1923 in der KPD verbreitet. Einem Parteimythos zufolge hatte er außergewöhnlichen Kampfgeist bewiesen – er sei ein Kämpfer, dem alle Kommunisten nacheifern sollten.

Für sein Familienleben wurden Thälmanns politische Aktivitäten mehr und mehr zur Zerreißprobe. Seine Frau blieb mit der Tochter in Hamburg, ab 1929 in der Tarpenbekstraße 66, wo die Wohnung aus Sicherheitsgründen im 2. Stock lag. Rosa und Irma lebten mit Rosas Vater in einem "typischen Arbeiterhaushalt", wie es ein höherer KPD-Funktionär ausdrückte. In Berlin trat Thälmann, was Kleidung und Sprache anging, weiterhin als Hamburger Arbeiter auf. Traf er mit Menschen zusammen, die nicht aus seinem Milieu stammten, fühlte er sich unwohl. Wahrscheinlich war sein Bedürfnis nach einem Zuhause der Auslöser für eine Liebesaffäre mit seiner Vermieterin Martha Kluczynski, einer KPD-Genossin.

In ihrer Wohnung in der Lützower Straße 9 in Charlottenburg wurde Ernst Thälmann am 3. März 1933 zusammen mit seinem engen Mitarbeiter Werner Hirsch bei einer Razzia der Schutzpolizei verhaftet. Martha Kluczynski sollte ihn nicht wiedersehen. (1975 starb sie in Ost-Berlin.) Laut Polizeiakte standen Thälmanns gepackte Taschen bereit – ein Hinweis auf die (zu) späte Entscheidung, in den Untergrund zu gehen.

Ernst Thälmann verbrachte fast zwölf Jahre in Einzelhaft in Hitlers Kerkern. In den ersten Jahren wurde er gefoltert. Später bot man an, ihn freizulassen, wenn er öffentlich dem Sowjetkommunismus abschwören würde. Auf diesen Handel ließ er sich nicht ein. Thälmann saß zuerst im Berliner Gefängnis Moabit ein, bevor er nach Hannover, später nach Bautzen verlegt wurde.

Mindestens einmal wurde ernsthaft geplant, ihn aus der Gefangenschaft zu befreien, aber im letzten Moment unterbanden die im Exil lebenden KPD-Führer diesen Versuch.

In all diesen Jahren erhielt Thälmann regelmäßig Besuch von seiner Frau. Indem sie Kontakt zu verschiedenen Kurieren hielt, agierte sie als Bindeglied zwischen ihm und der im Exil lebenden KPD-Führerschaft. Durch die Treue zu ihrem Mann ging Rosa ein hohes Risiko ein. Mindestens einmal wurde sie von der Gestapo verhaftet. Außerdem arbeitete sie eng mit Thälmanns Hamburger Rechtsanwalt zusammen, bis die Nationalsozialisten Mitte der 1930er Jahre alle Aussichten auf einen Prozess zunichte machten.

Wie schon während des Ersten Weltkriegs erwies sich Thälmann auch im Gefängnis als eifriger Briefeschreiber. Die erhaltenen Dokumente ermöglichen Einblicke in seine Persönlichkeit. In Briefen an enge Angehörige – von Tochter und Frau bis zu Vater und Schwager – wechselte er übergangslos von Familienangelegenheiten zu politischen Themen. Eine besonders enge Beziehung entwickelte er zu seinem Vater, der 1927 in die KPD eingetreten war, nachdem die Inflation sämtliche Familienersparnisse "geschluckt" hatte. Vom Tod des Vaters am 31. Oktober 1933 erfuhr Thälmann im Gefängnis Moabit, an der Beerdigung in Hamburg am 4. November 1933 durfte er nicht teilnehmen. Seine Mutter, die ihm nicht so nahe gestanden hatte, war bereits am 9. März 1927 in Hamburg verstorben.

In der Zeitung las Ernst Thälmann gern Meldungen über Hamburg und hob hervor, er sei stolz, aus einer Stadt zu kommen, die sich als "Zentrum des Welthandels" und "Tor zur Welt" bezeichnete. In der Erinnerung verklärte er das Leben in seiner Heimatstadt und betonte, er habe sich unter den Menschen dort am wohlsten gefühlt.

Thälmanns Ermordung war dem Attentat vom 20. Juli 1944 auf Hitler geschuldet. Kurz nach dem misslungenen Anschlag teilte Hitler Himmler mit, Thälmann "ist zu exekutieren". In der Nacht vom 17. auf den 18. August wurde er vom Gefängnis Bautzen ins KZ Buchenwald gebracht, wo er von der SS erschossen wurde. Im Nachkriegs-Westdeutschland gab es einige Versuche, die mutmaßlichen Mörder zu verurteilen – ohne Erfolg.

Rosa und Irma Thälmann waren 1944 im KZ Ravensbrück inhaftiert worden und wurden von der Roten Armee befreit. Nach dem Krieg lebten sie in der DDR und wirkten an der Entstehung des politisch instrumentalisierten "Mythos" Ernst Thälmann mit. Schon während des Spanischen Bürgerkriegs hatte ein Bataillon der Internationalen Brigaden seinen Namen getragen. In der Sowjetischen Besatzungszone wurde 1948 die "Pionierorganisation Ernst Thälmann" gegründet. Später trugen in der DDR und anderen sozialistischen Ländern unzählige Straßen und Plätze, Schulen und Arbeitskollektive seinen Namen, sogar Ortschaften wurden nach ihm benannt. Vor der kubanischen Südküste, in der Schweinebucht gelegen, gibt es eine "Ernst-Thälmann-Insel". Auch in Hamburg wurde 1946 für einige Jahre eine Straße nach ihm benannt. Nach der blutigen Niederschlagung des Ungarn-Aufstandes zehn Jahre später, erhielt sie allerdings den bis heute gebräuchlichen Namen Budapester Straße, da man mitten im Kalten Krieg keinen Kommunisten als Namensgeber in der Öffentlichkeit aufwerten wollte.

Die Gedenkstätte Ernst Thälmann am Ernst-Thälmann-Platz (1985 so benannt) in Eppendorf hält die Erinnerung an den "Sohn seiner Klasse", so der Titel eines Defa-Films, wach. Die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dort haben auch den Stolperstein legen lassen. Nach der "Wende" verschwand der Name Ernst Thälmanns in den "neuen Bundesländern" mehr und mehr aus der Öffentlichkeit, heutige junge Menschen wissen kaum noch etwas von ihm.

Ernst Thälmanns Frau Rosa starb am 21. September 1962 in Ost-Berlin, die Tochter Irma am 10. Dezember 2000 im wiedervereinigten Berlin, wo sie 1998 erfolglos als DKP-Kandidatin am Bundestagswahlkampf teilgenommen hatte.

© Norman LaPorte, University of Glamorgan, Wales, Übersetzung aus dem Englischen und Bearbeitung Sabine Brunotte

Quellen: Bundesarchiv (Berlin), Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR (BA-SAPMO), NL 4003 (Thälmann Nachlass) Staatsarchiv Hamburg (StaH), Polizeibehörde I, 331-1, I, 898,902, 905; Politische Polizei , V 236-3, 236-6; Komintern Archiv (Moskau), Bestand 526 (Ernst Thälmann); dtv Lexikon, Mannheim und München 1997; mündliche Auskunft Lisa Sukowski, Gedenkstätte Ernst Thälmann Hamburg-Eppendorf, vom 6.5.2010; telefonische Auskunft StaH Jörg-Olaf Thiessen vom 7.1.2011.


Ernst Thälmann MdHB

Die historiographische Beurteilung der Rolle Ernst Thälmanns, der die deutschen Kommunisten am Vorabend und auf dem Höhepunkt der Großen Krise der späten 1920er und frühen 1930er Jahre führte, war in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts durch die Auseinandersetzung mit der früheren marxistischen Geschichtsschreibung geprägt, die ihn in einer Art heroisierender Legendenbildung zum "Führer der revolutionären Avantgarde" und zum "bedeutenden Sohn" des deutschen Volkes stilisierte.

Dabei spielte Thälmann in seiner Funktion als Parteiführer bei der Bekämpfung und schließlich auch der nachhaltigen Destabilisierung der ersten deutschen Republik eine unrühmliche Rolle. Die Radikalisierung seiner auf "Komintern-Linie" gebrachten Partei und die damit verbundene Verlagerung des politischen Kampfes auf die Straße vertiefte den Riss innerhalb der deutschen Arbeiterbewegung und half, ein Klima zu schaffen, in dem die nationale Rechte ihren Angriff auf das republikanische System erfolgreich vortragen konnte. Dass Thälmann als Statthalter des "Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale" (EKKI) in Deutschland schließlich nicht einmal zu denjenigen gehörte, die Stalin Ende der 1930er Jahre gegen "unbequeme deutsche Emigranten" austauschte, gehört ebenso zu seiner persönlichen Tragik wie die Hinrichtung vieler seiner engsten Vertrauten im Zuge der stalinistischen Säuberungen in der UdSSR.

Ernst Thälmann wurde am 16. April 1886 in Hamburg geboren. Sein Vater, der Fuhrmann Fritz Johannes Thälmann, betrieb in diesen Jahren eine Kutscherkneipe. Bis zur Eröffnung eines Kolonialwarengeschäftes in den 1890er Jahren wurde der Junge überwiegend bei Verwandten erzogen. Als Schüler musste er zusammen mit seiner Schwester seinen Eltern im Geschäft helfen. Aus der Schule entlassen, arbeitete er zunächst als Rollkutscher in dem mittlerweile um Kohlenhandel und Mobilientransport erweiterten Geschäft seiner Eltern.

Im Alter von 16 Jahren verließ Thälmann sein Elternhaus und schlug sich vorübergehend mit wechselnden Beschäftigungen im Hafen durch, bis er schließlich eine Anstellung als Transportarbeiter bei der Hamburger Janssenbrauerei fand. Seine hier entstandenen Kontakte zur sozialistischen Arbeiterjugend sowie seine Erfahrungen als jugendlicher Arbeiter im Hafen bewogen ihn, sich 1903 als 17jähriger der SPD anzuschließen. Nach seinem beruflichen Wechsel in das Transportwesen trat Thälmann Anfang 1904 dem "Transportarbeiterverband" bei.

Im Alter von 20 Jahren wurde Ernst Thälmann als Soldat zum 9. Artillerieregiment nach Köln eingezogen. Hier erkrankte er, wurde vorzeitig entlassen und heuerte bei der "Hamburg-Amerika-Linie" an. Von Oktober bis Dezember 1907 fuhr er als Kohlentrimmer auf dem Dampfer AMERIKA. Drei Reisen führten ihn nach New York, wo er –wie er in seinem 1935 verfassten Lebenslauf schrieb – die "fortgeschrittene Technik", die im Vergleich zu Deutschland guten Lebensbedingungen und nicht zuletzt die gehobene Rechtsstellung der Frau in der amerikanischen Gesellschaft bewunderte.

Nach seiner Abmusterung in Hamburg war Thälmann als Gelegenheitsarbeiter im Hafen, als Transportarbeiter und schließlich als Expedient verschiedener Wäschereien, darunter der Großwäscherei Welscher in Wandsbek, tätig. Bei der "Trumpf "-Wäscherei lernte er seine spätere Frau, die Directrice Rosa Koch, kennen.

Bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges bekleidete Thälmann verschiedene ehrenamtliche Funktionen in der "Transportarbeitergewerkschaft" und der SPD. Politisch rechnete er sich dem linken Flügel seiner Partei zu. In Parteiversammlungen setzte er sich für die Position Rosa Luxemburgs und der ihr nahestehenden Minderheit in der SPD-Reichstagsfraktion ein.

Im Januar 1915 wurde Ernst Thälmann als Reservist zum Fronteinsatz an die Westfront Champagne, Aisne und Somme – eingezogen. Disziplinarvergehen verhinderten, dass Thälmann befördert und – obwohl zweimal verwundet – mit Kriegsauszeichnungen versehen wurde. Im Herbst 1918 kehrte er von einem Fronturlaub nicht zu seiner Einheit zurück. Das Kriegsende in Hamburg abwartend, war er zunächst im elterlichen Geschäft und als Arbeiter auf einer Abwrackwerft im Hafen beschäftigt. 1920 fand er schließlich eine feste Anstellung als Kontrolleur beim Arbeitsamt.

In Hamburg hatte er sich im November 1918 der USPD angeschlossen, für die er im März 1919 in die Bürgerschaft gewählt wurde. Hier stimmte er zwei Tage nach der Eröffnungssitzung gegen das "Gesetz über die vorläufige Staatsgewalt", das bis zur Verabschiedung einer neuen, demokratischen Verfassung die höchste Staatsgewalt auf die Bürgerschaft übertrug. Als Vertreter des linken Flügels, der sich für die Fortführung der Revolution und die Etablierung des Rätesystems in Deutschland aussprach, wurde er zwei Monate später zum Vorsitzenden der USPD in Hamburg gewählt.

Im Oktober 1920 gehörte er auf dem außerordentlichen Parteitag in Halle zu den Wortführern des linken Flügels seiner Partei, die für den Zusammenschluss mit der KPD und den Anschluss an die "Kommunistische Internationale" plädierten. Auf dem "Berliner Vereinigungsparteitag" von KPD und linker USPD wurde Thälmann in den "Zentralausschuß" der Kommunistischen Partei – damals vorübergehend "Vereinigte Kommunistische Partei Deutschlands" (VKPD) genannt – gewählt.

In Hamburg wurde Ernst Thälmann 1921 Vorsitzender der KPD-Ortsgruppe und zugleich Mitglied der Bezirksleitung. Noch im selben Jahr erfolgte seine Bestellung zum hauptamtlichen Funktionär der KPD im Bezirk "Wasserkante". Als Mitglied des "Zentralausschusses der deutschen Kommunisten" nahm er im Juni 1921 am "3. Weltkongreß der Kommunistischen Internationale" teil, wo er erstmals mit Lenin und Trotzki zusammentraf. Als Exponent der linken innerparteilichen Opposition wandte er sich in den folgenden Jahren wiederholt gegen den Kurs Heinrich Brandlers. Im Oktober 1923 war Thälmann als Leiter der KPD-Hamburg an der Vorbereitung des "Hamburger Aufstandes" beteiligt, trat aber in der Durchführungsphase nicht führend in Erscheinung.

Einen entscheidenden Schritt an die Parteispitze der deutschen Kommunisten markierte seine Wahl zum stellvertretenden Parteivorsitzenden im Januar 1924. In dieser Funktion arbeitete er eng mit dem EKKI bei der Ausschaltung des rechten Parteiflügels zusammen. Es war auch die Rückendeckung aus dem EKKI, die ihn 1925 nach dem Sturz seiner bisherigen Verbündeten, Ruth Fischer und Arkadij Maslow, in das Amt des Parteivorsitzenden beförderte. Und auch 1928 rettete ihn das EKKI, indem es einen Beschluss des Zentralkomitees der KPD aufhob, Thälmann wegen des Versuchs, die Unterschlagungen seines Hamburger Parteifreundes John Wittorf zu vertuschen, von seinen Parteiämtern zu suspendieren. Ernst Thälmann war ein Mann der "Komintern", dessen Exekutivkomitee er seit dem Sommer 1924 selbst angehörte. Hier genoss er hohes Ansehen, obgleich er in der deutschen KPD keineswegs so unumstritten war, wie die spätere SED-Parteihistoriographie glauben machen wollte.

Als richtungweisender Theoretiker trat Thälmann nicht hervor. Selbst in Teilen seiner eigenen Partei galt er als moskauhöriger Opportunist und sich selbst überschätzender "Held der linken Phrase". Clara Zetkin schrieb 1927 an Nikolai Bucharin: "Verhängnisvoll macht sich […] geltend, daß Teddy [= Thälmann] kenntnislos und theoretisch ungeschult ist, in kritiklose Selbsttäuschung und Selbstverblendung hineingesteigert wurde, die an Größenwahnsinn grenzt und der Selbstbeherrschung ermangelt. Er lässt daher seine guten proletarischen Instinkte und Urteile über Menschen täuschen und irreleiten [...]." Dass sämtliche Versuche der innerparteilichen Opposition, Thälmann zu stürzen, immer wieder auch an der Haltung des EKKI scheiterten, lässt vermuten, dass er sich ohne Rückendeckung aus Moskau nicht bis 1933 im Parteivorsitz hätte halten können. Hermann Weber schätzt, dass Thälmann von der Komintern "in eine Funktion gehoben [wurde], der er geistig und politisch nicht gewachsen war". Dies nimmt jedoch nichts von Thälmanns Popularität vor allem in seiner Heimatstadt Hamburg. Insbesondere wegen seiner biographischen Verwurzelung in der Arbeiterschaft und seiner unbestrittenen Volkstümlichkeit genoss er gerade an der Parteibasis hohes Ansehen.

Seit 1924 nahm Thälmann neben seinem Bürgerschaftsmandat in Hamburg auch ein Abgeordnetenmandat im Reichstag wahr. 1925 kandidierte er erstmals für das Amt des Reichspräsidenten, was entscheidend zu seiner Popularisierung in der Partei beitrug. In Kauf genommen wurde dabei freilich, dass der republikanische Kandidat Wilhelm Marx (Zentrum) dem Kandidaten der Rechten, Paul von Hindenburg, mit 900 000 Stimmen im zweiten Wahlgang unterlag – der Zählkandidat Thälmann hatte 1,9 Millionen Stimmen (6,3 %) erhalten. Gleichzeitig versuchte Thälmann seine Position als Parteiführer dadurch zu festigen, dass er sich zum Führer des "Roten Frontkämpferbundes" wählen ließ.

Als er 1932 als Mitbegründer der "Antifaschistischen Aktion" zur Bildung einer "Einheitsfront" unter KPD-Führung aufrief, befand sich nicht nur seine eigene Partei in einer heillosen Zerrissenheit, sondern war auch die Entfremdung zur SPD, die er in Wort und Schrift beharrlich des "Sozialfaschismus" bezichtigte, bereits so weit vorangeschritten, dass ein Zusammengehen unter Führung der Kommunisten für die deutsche Sozialdemokratie nicht in Frage kommen konnte. Eine "Einheitsfront" über Verhandlungen mit den sozialdemokratischen Partei- und Gewerkschaftsführern, wurde a priori ausgeschlossen.

Das kommunistische Einheitsfrontkonzept ging vielmehr von einem Verschmelzen der sozialdemokratischen mit der kommunistischen Arbeiterschaft durch gemeinsame Aktionen aus. Um Missverständnissen vorzubeugen, stellte das sich ganz auf der Linie des XI. EKKI-Plenums befindliche "Thälmann-ZK" auch klar, dass die "Antifaschistische Aktion" "keine auch noch so geringfügige Abschwächung des Kampfes gegen den Sozialfaschismus" bedeute. Gewollt oder ungewollt entstand so unter Thälmanns Ägide vielmehr eine Einheitsfront der Republikgegner NSDAP und KPD, die sogar in gemeinsamen Aktionen kulminierten. So etwa 1931 beim Volksbegehren gegen die preußische Minderheitsregierung Braun/Severing oder Ende 1932 bei der Bestreikung der Berliner Verkehrsbetriebe.

Am 7. Februar 1933 leitete Thälmann noch einmal eine KPD-Tagung im Lokal "Sporthaus Ziegenhals" bei Berlin. Unmittelbar nach dem Reichstagsbrand vom 27. Februar 1933 wurde er mit den anderen Mitgliedern des Zentralkomitees der KPD zur Fahndung ausgeschrieben. Entgegen anderslautenden Zeitungsmeldungen, die ihn in Dänemark vermuteten, hielt sich Thälmann mit seinem Sekretär in einer Berliner Gartenkolonie versteckt. Er wurde denunziert und am 3. März 1933 festgenommen.

Obgleich im Frühjahr 1935 Anklage gegen Thälmann wegen "Vorbereitung zum Hochverrat" erhoben wurde, kam es nicht zum Prozess. Der Haftbefehl wurde ausgesetzt, Thälmann jedoch auch weiterhin in Haft gehalten. Bis August 1937 saß er im Untersuchungsgefängnis Berlin-Moabit ein, verbrachte anschließend 6 Jahre im Untersuchungsgefängnis Hannover, bis er im August 1943 ins Zuchthaus Bautzen überstellt wurde. Die aus seiner Haftzeit überlieferten politischen Reflexionen sind tiefgehend und setzen in ihrer zum Teil selbstkritischen und realistischen politischen Analyse auch versöhnliche Akzente: "Auch wir haben in der Vergangenheit schwere und teilweise große politische Fehler gemacht, leider manches versäumt und unterlassen, was wir in dem verschlungenen Wirrwarr des Zeitgeschehens hätten tun müssen, um dem Faschismus den Weg zu versperren."

Nach insgesamt elfeinhalb Jahren Einzelhaft wurde Ernst Thälmann am 18. August 1944 ins KZ Buchenwald verbracht, wo er noch am selben Tag auf direkte Weisung Himmlers von Angehörigen des SS-Kommandos 99 ermordet wurde. Der Befehl zur Ermordung Thälmanns erging parallel zum Beginn der Aktion "Gewitter", mit der das Regime unter dem Eindruck des gescheiterten Attentats vom 20. Juli reichsweit Tausende potenzieller Regimegegner ermorden, verschleppen oder aburteilen ließ.

Thälmanns Ehefrau Rosa und seine Tochter Irmgard wurden Ende September 1944 verhaftet und ins KZ Ravensbrück deportiert. Rosa Thälmann war nach dem Krieg Volkskammermitglied der DDR und starb 1962 als Veteranin der SED in Berlin.

In der Tarpenbekstraße 66 in Hamburg, Thälmanns letztem Wohnsitz, befindet sich heute die "Gedenkstätte Ernst Thälmann e.V."

© Text mit freundlicher Genehmigung der Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg (Hrsg.) entnommen aus: Jörn Lindner/Frank Müller: "Mitglieder der Bürgerschaft – Opfer totalitärer Verfolgung", 3., überarbeitete und ergänzte Auflage, Hamburg 2012

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