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Bereits verlegte Stolpersteine



Rieckchen Erna Herzberg (geborene Levy) * 1894

Schäferstraße 31 (Eimsbüttel, Eimsbüttel)


HIER WOHNTE
RICKCHEN ERNA
HERZBERG
GEB. LEVY
JG. 1894
DEPORTIERT 1941
ERMORDET IN
LODZ

Weitere Stolpersteine in Schäferstraße 31:
Leopold Drutowski, Elli Drutowski, Alexander Herzberg, Kurt Herzberg

Alexander Herzberg, geb. am 13.8.1893 in Halberstadt, deportiert am 25.10.1941 nach Lodz, dort gestorben am 15.3.1942
Erna Rieckchen Herzberg, geb. Levy, geb am 3.4.1894 in Hamburg, deportiert am 25.10.1941 nach Lodz
Kurt Herzberg, geb. am 16.10.1922 in Hamburg, deportiert am 25.10.1941 nach Lodz, dort gestorben am 11.4.1943

Schäferstraße 31

Rolf Bornholdt, der Pate der Stolpersteine vor dem Haus in der Schäferstraße 8, lebte dort selbst als Kind. Er hat noch frühe Kindheitserinnerungen an seine ehemaligen jüdischen Nachbarn (s. auch Familie Drutowski) und schreibt in seinen Lebenserinnerungen: "‚Herr Herzberg‘, erinnert sich Elly [seine Schwester], als ich sie Jahrzehnte später nach dem Schicksal dieser jüdischen Nachbarn befragte, ‚kam mitunter zu uns in die Wohnung und du bist manchmal zu ihm nach oben gegangen. Er hatte eine blanke glitzernde Taschenuhr. Du hast dann auf seinem Schoß gesessen, er hat auf einen Knopf gedrückt und der Deckel sprang auf. Begeistert hast du gerufen: ‚Noch mal, noch mal!‘, wieder machte es klick und die Uhr war offen. Von gegenüber, von einer Wohnung auf der anderen Straßenseite, hat ein Nazi das beobachtet. Er klingelte an unserer Wohnungstür und sagte zu deinem Vater: ‚Wenn ich das noch mal sehe, Ihr Sohn auf’m Schoß bei dem Juden, ich zeige Sie an. Diese Rassenschande melde ich den zuständigen Stellen!‘" Und weiter heißt es: "Die Familie Herzberg und auch das Ehepaar Drutowski klingelten bei uns, bevor sie … deportiert wurden. Sie weinten, als sie sich verabschiedeten und gingen dann zum Sammelplatz auf der Moorweide. Herr Herzberg ist, so hat es später geheißen, weil er nicht schnell genug laufen konnte, bereits auf dem Weg ins KZ erschossen worden." Rolf Bornholdt erinnert sich auch daran, dass die jüdischen Nachbarn zwar bei Bombenangriffen in den Luftschutzraum im Keller gingen, dort jedoch von anderen Hausbewohnern mit Sprüchen wie "hier stinkt‘s nach Knoblauch" gedemütigt wurden. Ein typisches Beispiel für den ganz normalen Antisemitismus im Deutschland der 1930er und 1940er Jahre. Als der Keller des Hauses Schäferstraße 31 bei einem Angriff beschädigt wurde, suchten die Hausbewohner bei Alarm einen kleinen Hochbunker in der Nähe auf. Die jüdischen Nachbarn durften hier keine Zuflucht suchen. Sie mussten in ihren Wohnungen ausharren. Eine andere Erinnerung, die in der Familie Bornholdt weitergegeben wurde, ist, dass Alexander Herzberg der schwangeren Frau Bornholdt den Schneeschieber abnahm, als er sie damit Schnee schieben sah, und die Arbeit für sie übernahm.

Alexander Herzberg musste erst kurz vor seiner Deportation, vermutlich 1940 oder 1941, in das Haus in der Schäferstraße ziehen. Vorher hatte er mit seiner Familie lange im Stellinger Weg 4 b gewohnt. Er stammte aus Halberstadt. Seine Eltern waren Adolf und Rosa Herzberg, geb. Seligmann. Er hatte mindestens vier jüngere Geschwister: Berthold (geb. 21.8. 1896), Erich (geb. 15.4.1898), Paul (geb. 28.3.1902) und Margarethe (geb. 25.10.1903). Keines seiner Geschwister ist im Gedenkbuch verzeichnet. Von Paul Herzberg wissen wir, dass er im Februar 1938 von Magdeburg aus nach Palästina emigrierte.

Alexander Herzberg besuchte in Magdeburg die Mittelschule und absolvierte dann eine kaufmännische Lehre bei der Firma Schmidt & Schaffmann, die mit Schneiderei-Zubehörartikeln handelte. 1911 erlitt er einen Arbeitsunfall und bezog seitdem eine Unfallrente. 1920 zog Alexander nach Hamburg und arbeitete hier erst für die Firma Carsch (Die Familie Carsch wurde am 8. April 1941 in das Getto Minsk deportiert) und dann für Eichengrün & Dreyfuss. Er war ein Angestellter von Julius Eichengrün (s. dort). Im März 1939 verlor Alexander Herz­berg seine Arbeitsstelle.

Inzwischen hatte er die Hamburgerin Erna Levy geheiratet, 1922 wurde der einzige Sohn Kurt geboren. Kurt ist auf der Kultussteuerkarteikarte als "Tischlerlehrling" ausgewiesen. 1940 wurde für ihn eine eigene Kultussteuerkarteikarte angelegt. Demnach hatte er seit Mai 1940 in der Firma W. Reichert in Altona gearbeitet. Die Tischlerei befand sich in der Adolphstraße 134 (heute Bernstorffstraße).

Familie Herzberg wurde am 25. Oktober 1941 ins Getto Lodz deportiert, wo Alexander Herzberg am 15. März 1942 verstarb. Von Erna und Kurt Herzberg ist bekannt, dass sie im Getto zunächst in der Rauchgasse 34 lebten. Kurt erhielt offensichtlich im Frühjahr 1942 den Befehl zur "Aussiedlung", was die Ermordung im nahegelegenen Vernichtungslager Chelmno bedeutet hätte. Er bat deshalb die "Ausweisungskommission" Anfang Mai, ihn und seine Mutter davon auszunehmen, und begründete dies damit, dass er als Tischler im Getto beschäftigt und sein "Lohn zu unserer Aushaltung reichlich" sei. Dem Antrag wurde am 9. Mai 1942 vom "Tischlerressorts" stattgegeben. Am 11. April 1943 starb Kurt Herzberg an Lungentuberkulose.

Erna Herzberg zog offenbar von der Rauch- in die Matrosengasse um. Nach den Registraturen des Gettos "verließ" sie dieses am 1. September 1943. Weiteres über ihr Schicksal ist uns nicht bekannt.


© Susanne Lohmeyer, Jonas Stier

Quellen: 1; 5; StaH 351-11 AfW, 15350; StaH 522-1 992e 2; Stadtteilrundgänge in Hamburg-Eimsbüttel, S. 20f.; HAB IV 1930, 1940; Rolf Bornholdt, Harte Schatten, S. 37ff.; Auskunft Fritz Neubauer/USHMM 301/1229-1230 v. 21.9.2012.

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