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Bereits verlegte Stolpersteine



Ruth Jaffé * 1938

Hoheluftchaussee 19 (Eimsbüttel, Hoheluft-West)


HIER WOHNTE
RUTH JAFFÉ
JG. 1938
DEPORTIERT 1942
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Weitere Stolpersteine in Hoheluftchaussee 19:
Jonny Joel Jaffé, Anneliese Jaffé, Tirza Jaffé, Alexander (gen. Süsskind) Moses, Jenny Moses

Anneliese Jaffé, geb. Röss, geb. am 5.3.1911 in Kassel, am 11.7.1942 nach Auschwitz deportiert, dort ermordet
Jonny Joel Jaffé, geb. am 28.10.1910 in Hamburg, am 11.7.1942 nach Auschwitz deportiert, dort ermordet
Ruth Jaffé, geb. am 24.6.1938 in Hamburg, am 11.7.1942 nach Auschwitz deportiert, dort ermordet
Tirza Jaffé, geb. am 31.10.1941 in Hamburg, am 11.7.1942 nach Auschwitz deportiert, dort ermordet

Hoheluftchaussee 19

"Totengräber" lautete die Berufsbezeichnung Jonny Jaffés in der Deportationsliste für den Transport am 11. Juli 1942 nach Auschwitz. Ansonsten wissen wir einiges über entferntere Familienmitglieder, aber kaum etwas über ihn, über seine Frau und die beiden Töchter.

Bereits Jonnys Großeltern waren in Hamburg ansässig. Der Großvater, Jacob Jaffé, hatte im Sommer 1866 die Halberstädterin Rechel Riekchen Ruben an ihrem Geburtsort geheiratet. Danach war sie ihm in die Hansestadt gefolgt, wo er als Zigarrenhändler arbeitete. Ein gutes Jahr später wurde Jacob und Rechel Jaffés erstes Kind geboren: Abraham Jacob erblickte unter fachkundiger Hilfe der Hebamme Rinkel am 2.8.1867 das Licht der Welt. Zehn Jahre später bekam er eine Schwester, der die Eltern den Namen Betty gaben. Zu jener Zeit wohnte die Familie in der Marktstraße 25. Weitere fünf Jahre später wurde Rechel Jaffé – mittlerweile dreiundvierzigjährig – erneut schwanger. Der zweite Sohn, der den Vornamen Meyer erhielt, starb nicht einmal zwei Wochen später in der Wohnung der Eltern.

Abraham Jacob, der Älteste, arbeitete wie sein Vater als Kaufmann. Im Alter von 36 Jahren heiratete er im Herbst 1903 die drei Jahre jüngere Henriette Friedlaender aus Stade. Bis dahin lebte er noch bei den Eltern in der Peterstraße am Großneumarkt. Zwei Jahre später ging auch seine Schwester Betty die Ehe mit dem Hamburger Hausmakler und Kaufmann Carl Norden ein.

Am 31.7.1909 kam Abraham und Henriette Jaffés erster Sohn zur Welt, lebte jedoch nur zwei Tage und hatte, als er starb, noch keinen Namen. Rund ein Jahr später wurde der zweite Sohn geboren. Ihn nannten die Eltern Jonny Joel. Die Geburt muss sehr schwer gewesen sein, und die Mutter war offenbar so geschwächt, dass sie sich nicht mehr erholte. Das Kind überlebte, aber Henriette Jaffé starb, siebenunddreißigjährig, knapp einen Monat nach der Geburt. Seinen Großvater dürfte der kleine Junge noch kennengelernt haben. Dieser starb 1915, als Jonny sechs Jahre alt war. Großmutter Rechel Jaffé zog nach dem Tod ihres Ehemanns zu ihrer Tochter Betty und ihrem Schwiegersohn Carl Norden in die Neustadt, wo sie 1929, im hohen Alter von neunzig Jahren, starb.

In der Kultussteuerkartei der Deutsch-Israelitischen Gemeinde (DIG) ist für Jacob Abraham Jaffé als "2. Ehefrau" die Witwe Clara Jaffé, geb. Simon, eingetragen. Clara Jaffé wurde am 15.9.1877 in Friedrichstadt geboren. Sie wohnte zuletzt in der Klosterallee 24/OE und verdiente ihren Lebensunterhalt durch Zimmervermietung. Sie dürfte das Sorgerecht für den heranwachsenden Jonny Joel wahrgenommen haben.

Jonny Joel Jaffé trat am 5. Juli 1934 in die DIG ein. Er war ledig. Er wohnte eine Zeit in der Hammerbrookstraße 38, anschließend bei seiner Stiefmutter in der Klosterallee. Es gibt einen Hinweis, dass er in dieser Zeit als kaufmännischer Angestellter tätig war. Über acht Monate wurde für das Steuerjahr 1934/35 ein Einkommen notiert, dann wurde der Vermerk über seine Erwerbstätigkeit gestrichen und durch die Notiz "landw. Arbeiter" ersetzt. Da es in Hamburg in diesem Beruf für Juden keine Erwerbsmöglichkeit gegeben haben dürfte – es sei denn in Gartenarbeiten auf den Land- oder Stadtgütern des jüdischen Besitzbürgertums –, verließ Jonny Joel Jaffé Hamburg. Ursprünglich schien er die Absicht zu haben, nach Norden (Ostfriesland) zu gehen. Doch wurde dieser Ort auf der Kultussteuerkartei wieder gestrichen und durch Borghorst in Westfalen ersetzt.

Darüber, was er in Borghorst gemacht hat, liegen keine Informationen vor. Ging er dort einer Erwerbstätigkeit als Landarbeiter nach? War es keine Erwerbstätigkeit, sondern eine landwirtschaftliche Ausbildung, die er dort suchte, um sich auf eine Auswanderung aus Deutschland vorzubereiten und in einem anderen Land einen beruflichen Einstieg zu haben? Auf der Kultussteuerkarte gibt es einen, allerdings wieder gestrichenen Vermerk über den Aufenthalt Jonny Joel Jaffés in Blankenese. Dort unterhielten die Hamburger Jüdische Gemeinde und die lokalen zionistischen Verbände landwirtschaftlich-gärtnerische Lehrwerkstätten – hatte er dort bereits eine Ausbildung erhalten und ist anschließend nach Borghorst gegangen?

1938 vermerkte die Jüdische Gemeinde auf einer zweiten Kultussteuerkarte erneut Hamburg als seinen Wohnort und veranlagte ihn seit März 1938 wieder steuerlich – er arbeitete jetzt in der Israelitischen Friedhofsgärtnerei, die damals von dem Gärtnermeister Walter Rosenbaum geleitet wurde. Gleichzeitig hatte Rosenbaum auch die Leitung jenes Gärtnerischen Lehrgangs inne, der von der Jüdischen Gemeinde zur Ausbildung ihrer Jugendlichen eingerichtet worden war. Jonny Joel war dort bis Oktober 1941 erwerbstätig.

Das Jahr 1938 brachte für Jonny Joel Jaffé die unmittelbare Konfrontation mit der antijüdischen Einstellung der deutschen Gesellschaft. Im Verlauf des Novemberpogroms 1938 wurde er verhaftet. Aus den Unterlagen des Konzentrationslagers Fuhlsbüttel geht hervor, dass er dort für zwei Tage, am 11. und 12. November 1938, festgehalten wurde.

In jene Zeit fiel aber auch ein Ereignis, das sein Leben in anderer Weise verändern sollte. Jonny Joel Jaffé und Anneliese Röss waren sich begegnet.

Anneliese Röss wurde am 5.3.1911 in Kassel geboren. Ihre Eltern waren Christoph Röss (der in der Kultussteuerkartei mit evangelischem Glauben notiert wurde) und Adele, geb. Süssmann. In der NS-Terminologie galt Anneliese als "Volljüdin". Wann sie nach Hamburg gekommen war, geht aus den vorliegenden Informationen nicht hervor; sicher ist, dass sie 1937 in dem Hamburger Herrenoberbekleidungshaus Rappelt & Söhne (Mönckebergstraße 11) arbeitete. Ab 1. Oktober 1938 wurde sie als erwerbslos geführt, was mit der Geburt ihres ersten Kindes, Ruth, zusammenhängen könnte.

Jonny Joel Jaffé und Anneliese Röss waren fast gleichaltrig. Am 3. März 1940 heirateten sie. Es gab zwei Kinder in der Ehe. Bereits am 24.6.1938 war Ruth geboren worden. In die Kartei wurde sie als Ruth Röss eingetragen und war demnach unehelich geboren; es gibt keinen Hinweis auf die Vaterschaft. Ihre Schwester Tirze kam am 31.10.1941 zur Welt.

Die Familie wohnte nach der Eheschließung für kurze Zeit in der Hoheluftchaussee 19. Vor ihrer Deportation wurde sie noch gezwungen, ins "Judenhaus" im Durchschnitt 8 zu ziehen. Die Deportation erfolgte am 11. Juli 1942 ins Vernichtungslager Auschwitz. Die Stiefmutter von Jonny Joel Jaffé, Clara Jaffé, war im Jahr zuvor, am 6. Dezember 1941, nach Riga deportiert worden.

© Peter Offenborn, Frauke Steinhäuser

Quellen: 1; 4; 5; 8; StaH 552-1, Jüdische Gemeinden, 390 Wählerliste 1930 u. 552-1 Deportationslisten; StaH 332-5 Standesämter 3005 (1104/1903), 7997 (325/1909), 8003 (546/1910), 129 (3060/1882), 8025 (412/1915), 882 (283/1924), 1907 (2416/1877), 8124 (44/1934), 8094 (572/1928), 3042 (741/1905); StaH 332-3 Zivilstandsregister A Nr. 35 (4048/1867); StaH 351-11 AfW, 2761 u. 3507; StAH 213- 8 Staats­anwaltschaft Oberlandesgericht-Verwaltung Abl. 2, 451, A e 1, 1c; Ab.; Peter Offenborn, Jüdische Jugend; Björn Eggert, Franz Rappolt/Charlotte Rappolt, in: Stolpersteine in Hamburg-Winterhude, S. 203–210; Jürgen Sielemann, Der Zielort.

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