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Bereits verlegte Stolpersteine



Harry Rosenberg * 1875

Lilienstraße 15 (Hamburg-Mitte, Hamburg-Altstadt)


HIER WOHNTE
HARRY ROSENBERG
JG. 1875
DEPORTIERT 1941
ERMORDET IN
RIGA

Weitere Stolpersteine in Lilienstraße 15:
Li(e)selotte Falck, Bettina Rosenberg

Bettina Rosenberg, geb. Westheimer, geb. am 25.9.1877 in Hamburg, deportiert am 6.12.1941 nach Riga-Jungfernhof
Harry Rosenberg, geb. am 17.10.1875 in Hamburg, deportiert am 6.12.1941 nach Riga-Jungfernhof
Lieselotte Falck, geb. Rosenberg, geb. am 16.12.1911 in Hamburg, deportiert am 25.10.1941 nach Lodz, dort am 30.5.1943 verstorben

Lilienstraße 15

Das Ehepaar Harry Rosenberg und Bettina, geb. Westheimer, hatte am 7. August 1903 geheiratet. Beide entstammten jüdischen Familien und lebten mit ihren drei Töchtern in gutbürgerlichen Verhältnissen in Hamburg. Ihre Älteste, Ilse, wurde am 1. Juli 1904 geboren, Edith am 22. März 1907 und Lieselotte am 16. Dezember 1911.

Der Vater von Bettina Rosenberg, der Kaufmann Abraham Isaak Westheimer (geb. 19.5.1843), stammte aus Moisling, einem Vorort von Lübeck. Er hatte am 27. Oktober 1876 in Altona die Schlachtertochter Amalie Meyer (geb. 17.7.1849) geheiratet. Die Familie lebte in der Wrangelstraße 12.

Harry Rosenberg arbeitete als Prokurist in der Firma seines Vaters Gustav Rosenberg, "Papier- und Kontorbedarfsartikel" in der Brandstwiete 7. Das Geschäft hatte Gustav Rosenberg 1878 in der Großen Reichenstraße 54 gegründet. Harry Rosenberg wurde 1908 Mitinhaber und führte die Firma nach dem Tod seines Vaters am 23. Dezember 1911 allein weiter.

Harry Rosenberg hatte zwei jüngere Geschwister: Hermann Emil (geb. 24.7.1880) und -Dora (geb. 29.3.1879). Hermann leitete eine Fabrik und hatte am 29. Mai 1917 Erna Knobloch (geb. 21.5.1893 in Santa Cruz) geheiratet. Dora verdiente ihren Lebensunterhalt als Klavierlehrerin und lebte bei ihrer verwitweten Mutter Jenny Rosenberg, geb. Elias, in der Heinrich-Barth-Straße 9.

Ilse, die älteste Tochter von Harry und Bettina Rosenberg, heiratete 1924 den Geschäftsreisenden Alfons Hirschel (geb. 28.11.1894). Enkeltochter Marion wurde am 24. März 1928 in Kiel geboren.

Die Firma "Gustav Rosenberg" hatte sich in den Jahrzehnten ihres Bestehens gut etabliert. Große Bankhäuser wie die Vereinsbank, die Norddeutsche Bank, das Bankhaus Warburg & Co. sowie Anwaltskanzleien, Konsulenten und große Im- und Exportgeschäfte gehörten zu ihrem Kundenkreis.

Aber Anfang der 1930er Jahre machte sich die allgemein schlechte Wirtschaftslage auch bei ihr bemerkbar, hinzu kamen gesundheitliche Gründe, die den 56-jährigen Harry Rosenberg dazu bewogen, die Firma in die Hände seiner Tochter Edith zu legen.

Edith Rosenberg hatte das private Lyzeum von Dr. Jacob Löwenberg in der Johnsallee 33 und im Anschluss die Handelsschule von Dr. Oberländer in der Grindelallee besucht. Sie erhielt eine kaufmännische Ausbildung und war seitdem im Geschäft ihres Vaters tätig. Am 9. Oktober 1931 wurde Edith Alleininhaberin. Ihr Vater zog sich aber nicht ganz aus dem Geschäftsleben zurück, er blieb bei seiner Tochter als Angestellter tätig.

1934 legten sie die Privatwohnung aus der Hoheluftchaussee 119, wo sie seit fast zwanzig Jahren gelebt hatten, mit den Geschäftsräumen aus der Brandstwiete 7 zusammen und zogen in die Lilienstraße 15.

Dort ging der Umsatz jedoch durch Boykottmaßnahmen und immer neue Verordnungen, an die sich die jüdischen Geschäftsinhaber zu halten hatten, mehr und mehr zurück. Edith schilderte später, dass bisherige Kunden wie die Großbanken nicht mehr bei jüdischen Händlern kauften, jüdische Kunden wanderten aus oder waren wie die Rechtsanwälte gezwungen, ihre Büros und Kanzleien zu schließen. Als sich Edith im November 1938 einer stationären Behandlung unterziehen musste, erschienen Gestapobeamte in der Lilienstraße und gaben ihrem Vater Harry Rosenberg fünf Minuten Zeit, das Geschäft zu schließen. Ihr Bankkonto wurde gesperrt, das Warenlager mit der Geschäftseinrichtung konfisziert und die Firma schließlich aus dem Handelsregister gelöscht.

Edith Rosenberg hielt sich in der Folgezeit mit Schreibarbeiten über Wasser, zumeist nahmen jüdische Familien ihre Hilfe bei der Aufstellung ihrer Umzugslisten in Anspruch. Im Mai 1939 hatte sie ihre eigene Emigration vorangetrieben und eine Einreiseerlaubnis als Hausangestellte nach England erhalten. Ihre Eltern Bettina und Harry Rosenberg blieben mit ihrer jüngsten Tochter Lieselotte im May-Stift in der Bogenstraße 25 zurück, wo sie seit der erzwungenen Geschäftsaufgabe untergekommen waren. Bei ihnen wohnte auch Lieselottes Freund und späterer Ehemann Salomon Falck (geb. 21.9.1897). Salomon, der sich Siegbert nannte, lebte in Scheidung und konnte Lieselotte erst am 6. Juni 1940 heiraten (s. Rosalie Falck). Beide hofften nach der Eheschließung noch in die USA emigrieren zu können, doch das Affidavit, die erforderliche Bürgschaft eines Freundes, erhielten sie aus unbekannten Gründen nicht.

Das Ehepaar Falck lebte zuletzt im "Judenhaus" in der Dillstraße 20. Von dort wurde es am 25. Oktober 1941 ins Getto "Litzmannstadt" nach Lodz deportiert. Im Getto erhielt das Ehepaar eine Unterkunft am Altmarkt 4.

Als es im Mai 1942 eine "Ausreiseaufforderung" für einen Abtransport mit unbekanntem Ziel erhielt, wandte sich Siegbert/Salomon an die "Ausreise-Kommission" in der Hoffnung auf eine Rücknahme der Aufforderung. Er wies in seinem Schreiben auf seine Kriegsauszeichnungen hin und auf seine Tätigkeit seit November 1942 als "O. D. Mann beim V. Revier" (Ordnungsdienst). Sein Antrag wurde genehmigt.

Lieselotte Falck starb am 30. Mai 1943 im "Getto-Hospital" an einer Lungentuberkulose.

Siegbert/Salomon wurde, als das Getto angesichts des Vormarsches der Roten Armee aufgelöst wurde, im August 1944 nach Tschenstochau (Czestochowa) südlich von Warschau in ein von der SS verwaltetes Zwangsarbeiterlager für den Rüstungskonzern "HASAG", Hugo Schneider AG, verlegt. Die Häftlinge arbeiteten unter mörderischen Bedingungen in einer Munitionsfabrik und im Stahlwerk. Am 24. Dezember 1944 wurde Siegbert/Salomon Falck mit einem Massentransport ins KZ Buchenwald eingeliefert. Mit der Haftnummer 11874 wurde er dort als "jüdischer Häftling" und mit der Berufsangabe "Krankenpfleger" registriert. Siegbert/Salomon wurde zunächst im "Kleinen Lager", eine Quarantänezone, untergebracht und kam dann ins Hauptlager in den Block 47, wo die Lebensbedingungen etwas besser waren. Ab März 1945 musste er Zwangsarbeit in einem Baukommando leisten, zuletzt bei Instandhaltungsarbeiten in der nahegelegenen SS-Siedlung in Kleinobrigen, obwohl er seit 1942 linksseitig gehbehindert war. Siegbert/Salomon Falck starb kurz vor Auflösung des Lagers am 29. März 1945 im Krankenbau des "Kleinen Lagers". Als Todesursache wurde ein infektiöser Magen-Darmkatarrh angegeben.

Für Siegbert/Salomon Falck wurde ein Stolperstein an seinem früheren Wohnort im Försterweg 43 in Hamburg-Stellingen verlegt (vgl. Stadtteilbroschüre Stolpersteine in Hamburg).

Harry und Bettina Rosenberg wurden aus der Bogenstraße 25 gemeinsam mit ihrer Tochter Ilse, ihrem Schwiegersohn Alfons Hirschel und Enkeltochter Marion am 6. Dezember 1941 nach Riga-Jungfernhof deportiert. Ilse und Marion Hirschel gehörten zu denen, die 1942 ins Getto Riga eingewiesen wurden und in Arbeitskommandos Zwangsarbeit leisteten. Am 1. Oktober 1944 wurden sie in das KZ Stutthof gebracht. Wo und unter welchen Umständen sie zu Tode kamen, ist unbekannt. An Familie Hirschel erinnern Stolpersteine in der Kottwitzstraße 19 (s. Stolpersteine in Hamburg-Eimsbüttel).

Harry Rosenbergs ledige Schwester Dora Rosenberg wurde ebenfalls am 6. Dezember 1941 nach Riga-Jungfernhof deportiert. Die Unterrichtserlaubnis war ihr nach 40-jähriger Tätigkeit entzogen worden. Ihre Wohnung in der Löwenstraße 52, die sie mit ihrer Mutter bis zu deren Tod bewohnt hatte, hatte sie aufgeben müssen. Sie veräußerte Teile ihrer Möbel unter Wert und konnte auch ihren Konzertflügel nicht in die kleinere Wohnung in der Löwenstraße 50 mitnehmen. Zuletzt wurde auch sie in das "Judenhaus" in der Bogenstraße 25 einquartiert. In einem letzten Brief, der von der deutschen Zensur nur in Teilen ins "feindliche Ausland" durchgelassen wurde, benachrichtigte sie ihren Bruder Hermann Rosenberg in New York von ihrer baldigen "Abreise". Für Dora Rosenberg wurde ein Stolperstein in der Löwenstraße 50 verlegt.

Ihre Nichte Edith Rosenberg erlebte das Kriegsende in der Emigration, jedoch wurde sie während der Bombardierung Londons am 18. Juni 1944 schwer verletzt.

Stand: September 2018
© Susanne Rosendahl

Quellen: 1; 6; StaH 351-11 AfW 32425 (Rosenberg, Edith); StaH 351-11 AfW 4006 (Rosenberg, Hermann); StaH 351-11 AfW 19952 (Falck, Salomon); StaH 621-1/84_2 (Firmenarchiv Ernst Kaufmann); StaH 332-5 Standesämter 8624 u 402/1903; StaH 332-5 Standesämter 1418 u 1714/1904; StaH 332-5 Standesämter 8716 u 121/1917; StaH 332-5 Standesämter 1911 u 4483/1877; StaH 332-5 Standesämter 5864 u 877/1876; StaH 332-5 Standesämter 9782 u 1467/1920; Lodz Hospital, Der Hamburger Gesellschaft für Genealogie zur Verfügung gestellt von Peter W. Landé, 2009, USHMM, Washington, bearbeitet von Margot Löhr; Auskunft aus der Gedenkstätte Buchenwald von Torsten Jugi, E-Mail vom 22.3.2016; Das Buch der alten Firmen der Freien und Hansestadt Hamburg, S. 58 XI; Lohmeyer: Stolpersteine, S. 300; Bajohr: "Arisierung" S. 369; Sparr/Eggert: Stolpersteine, S. 184.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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