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Bereits verlegte Stolpersteine



Julius Rappaport * 1927

Wexstraße 4–6 (Hamburg-Mitte, Neustadt)


HIER WOHNTE
JULIUS RAPPAPORT
JG. 1927
DEPORTIERT 1941
LODZ
ERMORDET 23.9.1942

Weitere Stolpersteine in Wexstraße 4–6:
Erna Goldberg, Walt(h)er Goldberg, Kurt-Hermann Goldberg, Werner-Richard Goldberg, Hans-Hermann Goldberg, Fanny Rappaport, Ella Rappaport, Berthold Rappaport, Leib Rappaport

Leib/Leo Rappaport, geb. am 20.4.1885 in Zastawna, deportiert am 25.10.1941 nach Lodz, am 23.9.1942 in Chelmno/Kulmhof ermordet
Fanny Rappaport, geb. Diamant, geb. am 30.5.1900 in Roz˙nia˛tów, deportiert am 25.10.1941 nach Lodz, am 23.9.1942 in Chelmno/Kulmhof ermordet
Ella Rappaport, geb. am 20.2.1925 in Hamburg, deportiert am 25.10.1941 nach Lodz, dort gestorben am 27.10.1943
Julius Rappaport, geb. am 17.11.1927 in Hamburg, deportiert am 25.10.1941 nach Lodz, am 23.9.1942 in Chelmno/Kulmhof ermordet
Berthold Rappaport, geb. am 19.9.1932 in Hamburg, deportiert am 25.10.1941 nach Lodz, am 23.9.1942 in Chelmno/Kulmhof ermordet

Wexstraße 4–6 (Wexstraße 6)

Der Tischlermeister Leib Rappaport stammte aus der damals zur Habsburger Monarchie gehörigen Bukowina. Die kleine Stadt Zastawna (heute Sastawna), wo er am 20. April 1885 als Sohn jüdischer Eltern geboren worden war, gehörte nach dem Ersten Weltkrieg zu Rumänien und heute zur Ukraine. Sein Vater war Benjamin Rattenbach (geb.15.5.1856), die Mutter hieß Schene Elke Rifka Rappaport. Ihre Kinder, Leib und seine drei Geschwister Srul/Saul (geb.10.3.1881), Mordko/Jankel (geb. 25.12.1887) und Rifka/Ryfka (geb. 8.4.1890), erhielten oder nahmen später selbst den Familiennamen der Mutter an. Nach einer Familienüberlieferung war dies in ihrer Heimat nicht ungewöhnlich, wenn die Mutter aus einer besser gestellten Familie stammte. Es wäre auch möglich, dass sich die Eltern in ihrer Heimat "nur" nach jüdischem Ritus trauen ließen.

Die in Hamburg lebende Familie Rattenbach/Rappaport besaß die österreichische Staatsbürgerschaft und wurde nach dem Ersten Weltkrieg zu rumänischen Staatsbürgern erklärt. Benjamin Rattenbach war Teilhaber der Zigarrengroßhandlung "Benjamin & Co." in der Kaiser-Wilhelm-Straße 19. Seine Frau war offenbar bereits in Zastawna verstorben. Benjamin Rattenbach starb am 27. Juni 1928, sein Grab befindet sich auf dem Jüdischen Friedhof Langenfelde.

Sein ältester Sohn Srul kam 1901 nach Hamburg, er meldete sich in der Neustadt in der Elbstraße 75 (heute Neanderstraße) zunächst noch mit dem Familiennamen Rattenbach an. Im Antrag auf Einbürgerung seiner ganzen Familie in den Hamburger Staatsverband im April 1920 gab er an, er habe in seiner Heimat eine "ruthenische Volksschule" besucht wie auch seine Geschwister. Die drei Brüder absolvierten handwerkliche Berufsausbildungen. Leib wurde Tischler, Mordko Schuhmacher, später Textilwarenhändler. Srul hatte das Schneiderhandwerk in Czernowitz erlernt und dann von 1902 bis 1917 in der Fabrikation der Firma Rappolt und Söhne (s. Franz Rappolt) gearbeitet. 1903 hatte er in der Gemeinde Wiznitz (heute Wyschnyzja/Ukraine) in der Bukowina die Köchin Frime/Frieda Sinnreich (geb. 18.8.1880) geheiratet und den Familiennamen in Rappaport geändert. Das Ehepaar wohnte seit 1912 mit ihren fünf Kindern im Hamburger Stadtteil Eimsbüttel in der Kielortallee 25 im Oppenheim-Stift, wo es ab 1917 eine Schneiderei betrieb. Während des Ersten Weltkrieges arbeitete Srul Rappaport als Schneider für die Militärbehörde im Bekleidungsamt in Hamburg-Bahrenfeld. Seine Brüder nahmen als Soldaten am Ersten Weltkrieg teil. Leib Rappaport befand sich im April 1920 noch in russischer Kriegsgefangenschaft.

Nach seiner Entlassung heiratete Leib Rappaport die Schneiderin Fanny Diamant. Sie zog erst anläßlich ihrer Heirat nach Hamburg, nach Angaben ihres Bruders Avraham Anschel Diamant (geb. 14.5.1913) im Jahre 1920 oder 1921. Der Vater Jakob Diamant starb als Soldat im Ersten Weltkrieg, ihre Mutter Bina Hana, geb. Wassermann (geb. 1882), hatte mit ihren Kindern in Rożniątów einer Ortschaft in Oberschlesien (heute Polen) gelebt, wo Fanny am 30. Mai 1900 geboren worden war.

Fanny und Leib Rappaport wohnten zunächst im Stadtteil St. Pauli in der Bartelsstraße 5. Sie bekamen drei Kinder: Ella, Julius und Berthold, die zwischen 1925 und 1932 in Hamburg geboren wurden. Im Stadtteil St. Pauli in der Altonaerstraße 20a (heute Altonaer Straße) machte sich Leib Rappaport 1927 mit einer Bautischlerei selbstständig. Zwei Jahre später verlegte er seine Werkstatt in den Alten Steinweg 57. Seinen jüdisch klingenden Namen Leib änderte er in Leo. Die Familie wohnte dann in der Schlachterstraße 46/47 im jüdischen Lazarus-Gumpel-Stift und etwa um 1934 in der Wexstraße 6, wo heute vor einen Nachkriegsbau Stolpersteine an sie erinnert. 1936 zogen sie in die Agathenstraße 3 in das Nanny-Jonas-Stift in Hamburg-Eimsbüttel. Seine Bautischlerei betrieb Leib Rappaport bereits in der Agathenstraße 12. Als zum Jahresbeginn 1939 Juden keine selbstständigen Tätigkeiten mehr ausüben durften, mussten wahrscheinlich auch die Brüder Srul und Leib ihre Werkstätten aufgeben. Mordko Rappaport hatte wohl früh die Zeichen der Zeit erkannt und war Ende 1936 mit seiner Ehefrau Rifka, geb. Braun (Brun), in die USA emigriert. Ihre Kinder Gertrud (geb. 20.9.1912) und Max (geb. 4.5.1914), die 1935 nach Palästina auswanderten, folgten ihnen im Jahre 1937.

Leib Rappaport erhielt im August 1939 von der Hamburger Devisenstelle eine zur Ausreise benötigte "Unbedenklichkeitsbescheinigung". Somit muss auch er mit seiner Familie den Versuch unternommen haben, aus Deutschland zu entkommen. Aber mit Kriegsbeginn im September 1939 war es für eine legale Auswanderung zu spät, zudem galt Leib Rappaport mit seiner Familie aufgrund seines Geburtsortes als "staatenlos". Der Vermerk "September 1939 Ausland" wurde auf seiner Kultussteuerkarte der Israelitischen Gemeinde in Hamburg wieder gestrichen.

Leibs Schwester Rifka Gänser, geb. Rappaport, hatte durch ihre Heirat am 28. November 1919 in Hamburg mit dem in Grzymalow in Galizien geborenen Händler Karl Gänser (geb. 9.8.1891) die polnische Staatsangehörigkeit erworben. Sie war Ende 1904 nach Hamburg gekommen und arbeitete hier als Dienstmädchen und Köchin. Karl Gänser soll nach einem Eintrag auf seiner Kultussteuerkarte im August 1938 aus der Dillstraße 21 nach Istanbul emigriert sein. Rifka Gänser gehörte am 28. Oktober 1938 zu den etwa 1000 Hamburger Jüdinnen und Juden mit polnischer Staatsangehörigkeit, die zur polnischen Grenze nach Zbaszyn/Bentschen abgeschoben wurden. Ihre letzte Adresse war Beim Schlump 24. Das Ehepaar Gänser wurde im Juni 1961 durch rechtskräftigen Beschluss des Amtsgerichts Hamburg für tot erklärt, als Zeitpunkt wurde der 31. Dezember 1943 festgelegt. Ihr Sohn Max (geb. 30.4.1925) wurde am 6. Dezember 1941 aus der Bornstraße 22 nach Riga deportiert und ermordet. Das Schicksal seiner Schwester Ella (geb. 19.2.1921) ließ sich nicht klären.

Sruls Kindern Ella (geb. 8.3.1904), Rosa (geb. 15.4.1906), Max (geb. 27.4.1908, gest. 1951), Feiwich/Friedrich (geb. 11.12.1910) und Arthur (geb. 5.12.1912) gelang es, 1938 in die USA zu emigrieren. Die Eltern blieben in Hamburg zurück. Ihren Deportationsbefehl für den ersten Hamburger Großtransport am 25. Oktober 1941 ins Getto "Litzmannstadt" nach Lodz erhielten sie gemeinsam mit Leib und Fanny Rappaport und deren drei noch unmündigen Kindern.

Im Getto von Lodz wurde Leib Rappaport mit seiner Familie zunächst in die Rubens Straße 2, Raum 40 und im Februar 1942 am Altmarkt 4 einquartiert. Als Anfang Mai 1942 die Transporte in das nahegelegene Vernichtungslager Chelmno/Kulmhof zusammengestellt wurden, erhielten auch sie einen "Ausreisebefehl". Da Leib Rappaport seit November 1941 in der "Bau-Abteilung" als Tischler arbeitete, erhielt der Brief, den Leib Rappaport am 8. Mai 1942 an die "Ausweisungs-Kommission" schrieb, mit der Bitte, von diesem Transport zurückgestellt zu werden, den Stempel "UWZGLEDNIONE" berücksichtigt. Auch Fanny hatte ihre Aufforderung erhalten, war aber aufgrund der Arbeitsbescheinigung ihres Mannes freigestellt worden. Nur wer eine wichtige Arbeitsstelle im Getto nachweisen konnte, besaß eine Überlebenschance.

Familie Rappaport lebte noch knapp fünf Monate zusammen, dann musste sie mit einem anderen Transport am 23. September 1942 das Getto ohne ihre Tochter Ella verlassen.

Ella Rappaport, im Getto als Arbeiterin registriert, starb am 27. Oktober 1943 im "Getto-Hospital" an Lungentuberkulose.

Srul und Frime Rappaport waren bereits am 25. April 1942 nach Chelmno/Kulmhof gebracht worden, wo sie in einem der Gaswagen ermordet wurden.

Auch Fanny Rappaports Familie in Rożniątów gehörte zu den Opfern der Shoa. Ihr bereits erwähnter Bruder Avraham Anschel Diamant, der bis zu seiner Verhaftung und Ausweisung nach Polen Ende 1933 bei seiner Schwester und seinem Schwager in Hamburg lebte, bezeugte nach dem Krieg, vermutlich als einziger Überlebender, bei der Gedenkstätte Yad Vashem in Israel das Schicksal seiner Familie.


Stand: August 2018
© Susanne Rosendahl

Quellen: 1; 4; 5; 8; 9; StaH 332-5 Standesämter 689 u 459/1913; StaH 332-5 Standesämter 8730 u 684/1919; StaH 332-5 Standesämter 940 u 265/1928; StaH 332-7 Staatsangehörigkeitsaufsicht BVI 2087; StaH 351-11 AfW 39308 (Diamant, Avraham Anschel); StaH 351-11 AfW 5263 (Rappaport, Saul); StaH 522-1 Jüdische Gemeinde Nr. 992 e 2 Band 1; StaH 522-1 Jüdische Gemeinde Nr. 992 e 2 Band 3; StaH 332-8 Meldewesen K 6770; Lodz Hospital, Der Hamburger Gesellschaft für Genealogie zur Verfügung gestellt von Peter W. Landé, 2009, USHMM, Washington, bearbeitet von Margot Löhr; Yad Vashem, Zentrale Datenbank der Namen der Holocaustopfer Simon Diamant (Gedenkblatt); Yad Vashem, Zentrale Datenbank der Namen der Holocaustopfer Rubin Diamant (Gedenkblatt); Yad Vashem, Zentrale Datenbank der Namen der Holocaustopfer Klara Diamant (Gedenkblatt); Yad Vashem, Zentrale Datenbank der Namen der Holocaustopfer Bina Diamant (Gedenkblatt); USHMM, RG 15.083, 302/586-632, Fritz Neubauer Universität Bielefeld, E-Mail vom 11.6.2014; Auskünfte von Ben Rappaport in Israel, E-Mail am 17.3.2015; http://www.ushmm.org/online/hsv/person_view.php?PersonId=1959807 (Zugriff 16.3.2015); http://www.jewishgen.org/Yizkor/Rozniatow/roz497.html (Zugriff 11.4.2015).
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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