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Bereits verlegte Stolpersteine



Georg Rosenberg * 1886

Borgfelder Straße 24 (Hamburg-Mitte, Borgfelde)


HIER WOHNTE
GEORG ROSENBERG
JG. 1886
VERHAFTET 1938
SACHSENHAUSEN
DEPORTIERT 1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Weitere Stolpersteine in Borgfelder Straße 24:
Max Angres, Rosa Angres, Mathilde Dyhrenfurth, David Glücksohn, Siegfried Schuster, Hertha Schuster, Herbert Schuster

Georg Rosenberg, geb. 9.6.1886 in Elmshorn, deportiert am 12.2.1943 über Berlin nach Auschwitz

Borgfelder Straße 24

Georg Rosenberg wurde am 9.6.1886 in Elmshorn in der Kirchenstraße 4 geboren. Seine Eltern waren Alexander Rosenberg und Amalie, geb. Fürstenberg. Sie gehörten der Israelitischen Gemeinde an. Das Wohnhaus lag im Zentrum von Elmshorn, einen Steinwurf von der St. Nikolai Kirche entfernt. Alexander Rosenberg hatte am 1. September 1883 am Markt in Elmshorn ein Ladengeschäft für Papierwaren eröffnet. Dieses expandierte bald zu einem Papierwarengroßhandel, den er von der Kirchenstraße 4 aus betrieb.

Die Großmutter Jürgen Wohlenbergs, des Mitverfassers dieses Artikels, arbeitete vom 1. November 1891 bis zum 30. April 1902 als Dienstmädchen bei der Familie Rosenberg. Bei ihrer Heirat wurde sie von den Rosenbergs mit einer kompletten Aussteuer beschenkt. Alexander Rosenberg war Bürger der Stadt Elmshorn und ein angesehenes Mitglied der Israelitischen Gemeinde. Er gehörte dem Elmshorner Männer-Turnverein an, den er nach 1933 wegen seiner Zugehörigkeit zur jüdischen Gemeinde verlassen musste.

Die Rosenbergs bekamen am 16. August 1889 einen zweiten Sohn, Friedrich, genannt Fritz. Beide Jungen besuchten das örtliche Gymnasium, die Bismarckschule. Georg heiratete am 8. Juni 1909 Gerda Mendel, die Tochter einer sehr angesehenen jüdischen Elmshorner Familie. Sie bekamen zwei Kinder, Günther am 1.11.1910 und Edel Ellen am 28.12.1912. Georg arbeitete bereits 1906 als Kaufmann im Geschäft seines Vaters. Vielleicht war das ein Grund, dass sein Bruder Friedrich 1913 mit der "Graf von Waldersee" in die USA auswanderte, um dort eine Existenz aufzubauen. Als Adresse gab er bei seiner Einwanderung auf Ellis Island seinen Cousin Jacob in der Nassau Street in Manhattan an. (Friedrich starb im April 1975 in San Antonio in Texas. Alle unsere Bemühungen, Nachkommen in den USA zu finden, waren erfolglos.)

Die Ehe von Georg und Gerda Rosenberg war nicht von langer Dauer, sie wurde am 25. Februar 1920 geschieden. Georg wurde schuldig gesprochen, da das Gericht ein Verhältnis mit seiner späteren zweiten Frau, Irma S., als Scheidungsgrund wertete. Die Tatsache der Scheidung und dass der Scheidungsgrund eine Christin war, dürften ursächlich für den Selbstmord von Georgs Mutter kurze Zeit später gewesen sein. Sein Vater starb am 12. März 1927 im städtischen Altenheim. Das Grab der beiden ist auf dem jüdischen Friedhof in Elmshorn bis heute erhalten.

Die geschiedene Gerda, die fortan den Namen Rosenberg-Mendel tragen durfte, zog mit ihren Kindern in die Holstenstraße 10 in Elmshorn, wo sie als Hand- und Fußpflegerin arbeitete, während ihr Sohn Günther als Messe-Steward zur See fuhr. Gerda Rosenberg-Mendel intensivierte ihre Gesangs- und Musikstudien und gab Gesangsunterricht. Ihr Lebenslauf ist in dem Online Lexikon verfolgter Musiker und Musikerinnen der NS Zeit der Universität Hamburg veröffentlicht (www.lexm.uni-hamburg.de).

1936 zog Günther Rosenberg nach Hamburg, 1937 folgte ihm seine Mutter. Sie wohnten zusammen in Untermiete bei Lewie in der Brahmsallee 24, bei Schmidt in der Hoheluftchaussee 36 und bei Mendel, der Schwester bzw. Tante, in der Lenhartzstraße 7, von wo sie emigrierten. Günther Rosenberg wanderte, nachdem er sich zwei Jahre lang vergeblich um eine Anstellung bemüht hatte, im März des Jahres nach Schanghai aus, Gerda Rosenberg-Mendel konnte im Juni 1939 zu ihrer Tochter nach England ausreisen.

Georg und Irma S. heirateten am 8. November 1921. Für beide begann danach eine erfolgreiche Zeit, die jedoch nicht lange dauerte. Sie vergrößerten das Geschäft des Vaters, indem sie u.a. das Gebäude Kirchenstraße 10 hinzu kauften. Am 1. September 1923 beging die Firma Rosenberg ihr 40jähriges Jubiläum. In der "Elmshorner Zeitung" erschien zu dem Datum ein größerer Artikel, in dem die Großzügigkeit und das Mäzenatentum der Firma für Sport und Kultur der Stadt Elmshorn herausgestrichen wurden. Die Zeitung schrieb von "praktischer Vaterlandsliebe".

Schon wenig später wendete sich jedoch das Blatt. Scheidung, Beginn der Hyperinflation Anfang der 1920er Jahre und einige Steuervergehen führten schließlich zum Konkurs des Papiergroßhandels. Georg Rosenberg wurde zu einer zweimonatigen Gefängnisstrafe wegen Konkursvergehens verurteilt, die jedoch in eine Bewährungsstrafe umgewandelt wurde. Das Grundstück Kirchenstraße 4 wurde im April 1926 zwangsversteigert. Weitere Immobilien musste er verkaufen, andere hatte er schon vor dem Konkurs an seine erste Ehefrau und die beiden Kinder überschrieben.

Die Eheleute Rosenberg zogen nach dem Verlust des Wohnhauses nur einige 100 Meter weiter in eine Mietswohnung in der Peterstraße 28. Irma Rosenberg betrieb dort wie auch in der Haupteinkaufsstraße, der Königstraße, ein Handarbeitsgeschäft. Dieses war sehr bekannt und der Laden in der Königstraße bestand bis weit in die 1970er Jahre. Zuletzt betrieb es der Sohn aus Irma Rosenbergs erster Ehe.

Georg Rosenberg half im Geschäft seiner Frau mit und arbeitete außerdem als Handelsvertreter u. a. für eine Elmshorner Margarinefabrik. Für das Ehepaar wurde es nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Jahre 1933 wirtschaftlich sehr viel schwieriger. Bei der großen Boykottaktion am 1. April 1933 gegen jüdische Geschäfte wurde Irma Rosenbergs Laden von SA-Posten belagert und als jüdisches Geschäft gebrandmarkt. Erst die "freiwillige" Schließung ließ den SA-Mob abziehen.

Wie schwierig die Situation für jüdische Bürger geworden war, zeigt auch die nachfolgende Begebenheit, die als Gerichtsakte im Landesarchiv Schleswig-Holstein in Schleswig verwahrt wird. Georg Rosenberg war 1936, wie schon des Öfteren, als Handelsvertreter nach Wyk auf Föhr gereist. Er wohnte, wie immer, im Strandhotel bei Frau P. Dort wurde er in den Morgenstunden von einem SA-Mann, dem Sohn der Hotelbesitzerin und einem weiteren SA-Mann aus dem Hotel geprügelt und dann durch den halben Ort verfolgt.

Nachdem Georg Rosenberg die beiden angezeigt hatte, warfen sie ihm vor, den dortigen Kolonialwarenhändler betrogen zu haben. Dafür gab es aber keine Beweise. Georg Rosenberg war bereit, seine Anzeige zurückzuziehen und schlug als Voraussetzung dafür vor, dass die beiden Täter für die Winterhilfe spendeten und seine zusätzlichen Kosten übernähmen. Das Verfahren wurde eingestellt, nachdem aus Elmshorn das polizeiliche Führungszeugnis eingetroffen war. Dieses begann mit den Worten: "Der Kaufmann Georg Rosenberg, wohnhaft in Elmshorn, Peterstraße 28 ist Jude. Der Ruf des Rosenberg ist kein guter." Das Schreiben endete: "Im übrigen kann gesagt werden, dass man es bei Rosenberg mit einem typischen Juden mit typisch jüdischem Charakter und Einstellung zu tun hat."

In dem Führungszeugnis der Elmshorner Polizei wurden auch Irma Rosenberg nebulöse Betrugsvorwürfe gemacht, die jedoch ihrem Mann angelastet wurden. Die Ehe geriet in die Krise. Ob es der nationalsozialistische Verfolgungsdruck war oder die Tatsache, dass im Juli 1934 ein Karl S. in das Haus Peterstraße 28 einzog, wissen wir nicht, jedenfalls trennte sich Irma Rosenberg von ihrem Mann. Er suchte Hilfe bei der jüdischen Gemeinde und fand Zuflucht bei einem Gemeindemitglied, der Familie des Lederfabrikanten Oppenheim am Flamweg. Der Sohn Rudi Oppenheim, der als 11-jähriger im Februar 1939 mit seiner Familie aus Deutschland flüchtete und heute (2012) mit seiner Familie in den USA lebt, bestätigte dies anlässlich eines Besuches in seiner Heimatstadt.

Georg Rosenbergs Tochter Edel Ellen ging als erste aus der Familie nach Hamburg. Sie lebte als Haustochter bei Hermine Danziger, geb. Rosenberg, in der Behnstraße. Ob es sich dabei um eine Verwandte handelte, ließ sich nicht ermitteln. Sie emigrierte auch als erstes Familienmitglied und verließ Deutschland bereits 1934 mit dem Ziel London, wo sie später ein Fußpflegeinstitut aufbaute.

Im November 1938 gehörte Georg Rosenberg zu den Verhafteten der Pogromnacht. Er wurde in das KZ Sachsenhausen verbracht und am 23. Dezember aus der Haft entlassen. Seine Ehefrau Irma ließ ihn bei seiner Rückkehr am 24. Dezember nach Elmshorn nicht mehr in die bis dahin gemeinsame Wohnung. Die Entlassung war üblicherweise mit der Auflage verbunden, bis zu einem bestimmten Zeitpunkt das Reichsgebiet zu verlassen. Für Auswanderungspläne Georg Rosenbergs gibt es keine Anhaltspunkte.

Als nächstes Lebenszeichen findet sich im Juli 1939 in den "Elmshorner Nachrichten" der folgende Artikel: " Festgenommen wurde am Montag, dem 24. Juli, der frühere Kaufmann, der Jude Georg Rosenberg. Er lebte in der letzten Zeit von Unterstützung der jüdischen Gemeinschaftshilfe und versuchte, bei Behörden Hilfe in seiner angeblichen ‚Notlage‘ zu finden. Es wurden bei seiner Festnahme 452,16 RM bei ihm vorgefunden. Diese Summe hatte Rosenberg nach jüdisch-devisenschieberischer Weise in dem Futter seiner rechten Hosenklappe versteckt. Die Gestapo wird sich jetzt wieder einmal mit ihm beschäftigen."

Familie Oppenheim hatte Elmshorn verlassen und war über Asien in die USA geflohen, womit Georg Rosenberg seinen dortigen Unterschlupf verloren hatte. Kurze Zeit später, im August 1939, zog er nach Hamburg, wo keines der Familienmitglieder mehr lebte. Er erhoffte sich von der Anonymität der Großstadt offenbar, dass sie die Situation für ihn einfacher mache als die Enge einer Kleinstadt. Erst ein Jahr später meldete er sich beim Jüdischen Religionsverband an und wurde ab Juli 1940 beitragspflichtig. Noch war er nicht geschieden und wohnte zunächst zur Untermiete in der Borgfelder Straße 24 bei Mathilde Dyhrenfurth.

Er arbeitete als Händler, hatte jedoch nur ein geringes Einkommen. Dann erkrankte er so schwer, dass er seine Erwerbstätigkeit aufgeben und gleichzeitig hohe Arztkosten und Arzneimittelausgaben tragen musste. Vollkommen mittellos, beantragte er beim Jüdischen Religionsverband Stundung der Beitragszahlungen, die ihm gewährt wurde. Für 1941 wurde ihm gar nicht erst ein Zahlungsbescheid erteilt. Als Mathilde Dyhrenfurth die Wohnung aufgab, zog Georg Rosenberg in die Eimsbütteler Chaussee 45 zu Josef Mayer, der jedoch bereits am 8. November 1941 mit seiner Familie nach Minsk deportiert wurde.

Nachdem sie acht Jahre getrennt gelebt hatten, reichte Irma Rosenberg gegen den Willen ihres Ehemannes die Scheidung ein. Warum sie diesen Zeitpunkt wählte, geht aus dem Scheidungsurteil nicht hervor. Bis dahin hatte die Verbindung, obwohl nicht "privilegiert", einen gewissen Schutz vor einer "Überführung nach dem Osten in ein Judenviertel", wie es in der Urteilsbegründung hieß, geboten. Am 5. Juni 1942 wurde die Ehe von Irma und Georg Rosenberg wegen "unheilbarer Zerrüttung geschieden. Irma Rosenberg nahm ihren Mädchennamen wieder an und heiratete später Karl S.

Im Zuge der Wohnungszwangsmaßnahmen der Gestapo wurde Georg Rosenberg am 6. Oktober 1942 durch die jüdische Gemeinde in der Beneckestraße 2 untergebracht, ihren eigenen Gemeinderäumen, die nun als "Judenhaus" dienten. Inzwischen 56 Jahre alt, wurde er zum Transport "nach dem Osten" aufgerufen. Es handelte sich um einen kleinen Transport von 22 Hamburger Juden und Jüdinnen, von denen allein zehn aus der Beneckestraße 2 kamen. Sie waren im Alter von sechs bis 60 Jahren. Zu ihnen gehörte auch ein Mitarbeiter der jüdischen Gemeinde mit seiner Familie, Martin Starke, der als einziger diese Deportation überlebte. Nur bei dreien gab die Gestapo eine Berufsbezeichnung an, darunter Georg Rosenberg mit "Händler". Der Transport verließ Hamburg am 12. Februar 1943 und führte über Berlin nach Auschwitz. Ein Datum von Georg Rosenbergs Ermordung in Auschwitz konnte nicht ermittelt werden.

Georg Rosenberg wurde in Elmshorn in der Kirchenstraße 4, in der er und seine Familie über 40 Jahre gelebt haben, mit einem Stolperstein geehrt.

© Jürgen Wohlenberg und Hildegard Thevs

Quellen: 1; Stadtarchiv Elmshorn, Personenstandsregister; Amtsgericht Elmshorn, Grundbuchamt; Landesarchiv Schleswig-Holstein/Schleswig; ALGH 11 b R 286/41; Staatsarchiv Hamburg, 522-1 Jüdische Gemeinden, 992 e 2 Band 5; 992 d 27; 351-11 Amt für Wiedergutmachung, 8590; Archiv Auschwitz; Ellis Island, Einwanderungsunterlagen; Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen; ITS Bad Arolsen; Kirschninck, H., Beiträge zur Elmshorner Geschichte, Band 9, Geschichte der Elmshorner Juden; Ancestry.com; Beate Meyer, "Jüdische Mischlinge". Rassenpolitik und Verfolgungserfahrung, Hamburg 1999, S. 77f.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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