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Bereits verlegte Stolpersteine



Hedwig Klein * 1911

Parkallee 26 (Eimsbüttel, Harvestehude)


HIER WOHNTE
DR. HEDWIG KLEIN
JG. 1911
DEPORTIERT 1942
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Weitere Stolpersteine in Parkallee 26:
Recha Klein, Therese Klein, Gretchen Meyer

Gretchen Meyer, geb. Hellmann, geb. am 11.3.1850 in Ebelsbach, Bayern, deportiert am 23.6.1943 nach Theresienstadt, dort am 9.11.1943 gestorben
Recha Klein, geb. Meyer, geb. am 6.9.1880 in Hamburg, deportiert am 15.7.1942 nach Theresienstadt, am 15.5.1944 weiter deportiert nach Auschwitz
Therese Klein, geb. am 19.1.1910 in Antwerpen, Belgien, deportiert am 6.12.1941 nach Riga
Hedwig Klein, geb. am 12.9.1911 in Antwerpen, Belgien, deportiert am 11.7.1942 nach Auschwitz

Parkallee 26

Gretchen Meyer, geborene Hellmann, erlebte hoch betagt in Hamburg mit, wie erst ihre Enkelin Therese Klein, dann ihre zweite Enkelin Hedwig Klein, danach ihre Tochter Recha Klein, wenige Tage später ihre Schwiegertochter Hanna Meyer mit ihrem Mann Nathan Offenburg und aus Berlin ihr jüngster Sohn Emanuel Meyer mit seiner Frau Bele deportiert wurden. Sie selbst war 93 Jahre alt, als sie am 23. Juni 1943 noch mit einem Transport nach Theresienstadt gebracht wurde.

Auf Gretchens Kultussteuerkarte der jüdischen Gemeinde stand tatsächlich "deportiert" und nicht – wie bei ihren Angehörigen und allgemein üblich – der beschönigende Begriff "Abwanderung". In dem Getto von Theresienstadt, wo Willkür, drangvolle Enge, Mangelernährung herrschte und kaum medizinische Versorgung möglich war, starb Gretchen Meyer schon einige Monate später, am 4. November 1943.

Gretchen Hellmann war am 11.3.1850 in Ebelsbach, Bayern geboren worden. Dort existierte seit dem 16./17.Jahrhundert eine kleine jüdische Gemeinde; einige ihrer Vorfahren betrieben laut Volkszählung von 1817 dort Viehhandel. Über Gretchen Hellmanns Kindheit, Schulzeit und eine eventuelle Ausbildung ist uns nichts bekannt.

Sie heiratete etwa 1870 den Kaufmann Meyer Israel Meyer in Mainz. Die Familie zog nach Hamburg. und am 2.4.1874 wurde der Sohn Israel geboren. Hier kamen auch die Kinder Nathan (geb. 1875?), Benjamin (geb. 15.6.1876), Baruch (geb. 21.6.1877), Emanuel (geb. 21.9.1878) und Recha (geb. 6.9.1880) zur Welt. Zunächst wohnte die Familie am Alten Steinweg 49, dann in der Wexstraße 14.

M. I. Meyer arbeitete recht erfolgreich in seinem Beruf. Im Hamburger Adressbuch für das Jahr 1880 wurde er als Teilhaber in der Firma Haarburger & Meyer aufgeführt. 1913, die Familie war inzwischen in die Heinrich-Barth-Straße 11 umgezogen, kauften Meyer und Gretchen das Haus Parkallee 26 und wohnten dann dort im Erdgeschoss.

1883 übernahm er die Aufgabe eines Vormunds-Assistenten für Helene Flörsheim (siehe www.stolpersteine-hamburg.de), die durch den Tod ihres Mannes Carl zwei unmündige Kinder allein zu betreuen hatte.

Am 29. August 1914 starb Gretchens Mann Meyer I. Meyer an Leberkrebs. Er wurde auf dem jüdischen Friedhof in Langenfelde begraben.

Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten im Jahr 1933 wurden zahlreiche antijüdischen Gesetze und Verordnungen beschlossen, die zunehmend deren Rechte beschränkten oder außer Kraft setzten. Auf Grund des Gesetzes "über Mietverhältnisse mit Juden" vom 30. April 1939, welches den gesetzlichen Mieterschutz aufhob, musste Gretchen Meyer vor ihrer Deportation in ein sogenanntes Judenhaus in die Beneckestraße 6 umziehen.

Gretchen Meyers Tochter Recha hatte in Hamburg den ebenfalls jüdischen Exportkaufmann Abraham Wolf Klein (geb. am 10.1.1876) aus Satoraljaujhely im Nordosten Ungarns kennengelernt und 1909 geheiratet. Sein Hauptwohnsitz lag in Antwerpen, wohin das junge Paar zog. Dort kamen die beiden Töchter Therese, geb. 19.1.1910 und Hedwig, geb. 12.9.1911 zur Welt.

Die Familie Klein verließ Belgien. Im Oktober 1914, während des 1. Weltkriegs
wurde Antwerpen von deutschen Truppen überrannt. Abraham Klein erhielt in Hamburg einen Einberufungsbefehl und während der Kampfhandlungen an der Ostfront wurde er im Juni 1916 als vermisst gemeldet. Er kehrte nicht zu seiner Familie zurück und wurde offiziell für tot erklärt.

Die verwitwete Recha zog mit ihren beiden Kindern zu ihrer Mutter in die Parkallee 26 in Hamburg. Wie alle Jüdinnen und Juden war sie von den antijüdischen Maßnahmen betroffen: Sie musste ab dem 2. Dezember 1938 den zusätzlichen Vornamen "Sara" annehmen und ab September 1941 einen "Judenstern" tragen. Sie wurde am 15. Juli 1942 aus der Dillstraße 15, einem sogenannten Judenhaus, wohin sie nach den nationalsozialistischen Bestimmungen ziehen musste, zum Hannoverschen Bahnhof gebracht und zusammen mit 925 Hamburger Einwohnern nach Theresienstadt deportiert. Trotz der dort herrschenden inhumanen Zustände überlebte sie fast zwei Jahre, musste aber dann am 15. Mai 1944 von Theresienstadt noch auf einen weiteren Transport nach Auschwitz gehen, wo sie vermutlich gleich nach der Ankunft vergast wurde.

Therese Klein, die älteste Tochter von Recha Klein, ging in Hamburg zur Schule und erlernte nach ihrem Abschluss den Beruf der Stenotypistin. Sie verdiente in den Jahren 1934/35 allerdings so wenig, dass sie nicht einmal Abgaben an die jüdische Gemeinde zahlen musste. Ab 1. März 1936 wurde das Einkommen in einem Vermerk auf der Kultussteuerkartei mit 15 RM wöchentlich angegeben, damit blieb sie weiterhin steuerfrei.

Auch sie war betroffen von den sich permanent verschärfenden Einschränkungen für die jüdische Bevölkerung. Als erste aus der Familie erhielt sie einen Deportationsbefehl und wurde am 6. Dezember 1941 von Hamburg aus zusammen mit 775 anderen Personen nach Riga deportiert, wo die Hamburger im Jungfernhof einquartiert wurden. Das war ein ehemaliger Gutshof, der mit einem Gutshaus, Scheunen, kleinen Baracken und Viehställen bebaut war. Die Gebäude waren größtenteils baufällig und nicht beheizbar. Viele Deportierte starben bereits im ersten Winter an Hunger, Kälte und unbehandelten Krankheiten. So erging es vermutlich auch Therese Klein, sie war gerade dreiunddreißig Jahre alt.

Die zweite Tochter Rechas, Hedwig Klein, besuchte in Hamburg die orthodoxe Israelitische Höhere Mädchenschule in der Bieberstraße und erwarb dort das Abiturzeugnis. Sie entschied sich Islamwissenschaft, Semitistik und englische Philologie zu studieren, schloss 1937 ihre Dissertation ab, die sich mit einem historischen Thema zur Geschichte Omans befasste und bestand die vorgeschriebene mündliche Prüfung mit dem Prädikat "ausgezeichnet". Obwohl sie bereits die Erlaubnis für den Druck der Dissertation erhalten hatte, wurde ihr die Urkunde 1938 durch Intervention des Dekans der "Hansischen Universität" mit Verweis auf die nationalsozialistischen Verordnungen nicht ausgehändigt. Sie erkannte, dass sie in Deutschland keine Anstellung finden würde und fragte Rudolph Strothmann, einen ihrer Doktorväter, der sich im März 1938 in London aufhielt, um Rat. Er empfahl ihr, in die Niederlande zu gehen. Sie erfuhr aber, dass offiziell nur Personen, die dort Angehörige hatten und eine Zusage für einen Arbeitsplatz aufweisen konnten, Zuflucht finden könnten. Ab November 1938 bemühte sie sich vergeblich ein Visum für Großbritannien zu bekommen.

Im Juli 1939 erhielt sie ein Visum für Indien und die Zusage, dort ihre arabistische Arbeit fortsetzen zu können. Im August 1939 hatte sie bereits ein Schiff dorthin bestiegen, das aber im September unmittelbar vor Kriegsbeginn, wie alle deutschen Schiffe, zurück nach Deutschland beordert wurde. Damit war ihre Emigration gescheitert. Am 23. Oktober 1941 wurde die Auswanderung für Juden gänzlich verboten.

Einerseits hatten die Nationalsozialisten die Arbeit der Jüdin Hedwig Klein in Forschung und Lehre weitgehend unterbunden, andererseits waren sie interessiert an einer Herausgabe von Hitlers "Mein Kampf" in arabischer Sprache und benötigten dafür Experten. Auf Empfehlung forderte deswegen 1941 der deutsche Arabist Hans Wehr Hedwig Klein für die "kriegswichtige Mitarbeit" an einem deutsch-arabischen Wörterbuch an. Das Auswärtige Amt stimmte dem Ansinnen zu und ermöglichte Fördermittel, wodurch Hedwig Klein vorläufig von den ersten Deportationen aus Hamburg, die am 25. Oktober 1941 begannen, ausgenommen wurde. Allerdings war sie sonst allen antijüdischen Gesetzen und Verordnungen unterworfen und musste von der Parkallee 26 in ein so genanntes Judenhaus in die Kielortallee 13 umziehen.

Am 6. Dezember 1941 erhielt ihre Schwester Therese einen Deportationsbefehl. Hedwig und ihre Angehörigen waren davon noch nicht betroffen. Aber am 11. Juli 1942 erreichte auch sie die Aufforderung. Sie musste sich von ihrer Mutter und ihrer 92jährigen Großmutter verabschieden, ihre wissenschaftliche Arbeit abbrechen und wurde mit dem einzigen direkten Transport von Hamburg nach Auschwitz deportiert. Dort wurde Hedwig Klein vermutlich sofort nach der Ankunft ermordet.

1947 wurde ihr posthum (noch im Status einer Verschollenen) die Promotion auf Grund der erhaltenen Druckexemplare der Dissertation zugesprochen.

1951 wurde sie amtlich für tot erklärt, als Zeitpunkt wurde dabei Ende 1945 festgelegt.


Der Sohn Gretchen Meyers, Benjamin Meyer, heiratete am 11. Februar 1910 die acht Jahre jüngere Hanna Levy. Das Paar wohnte in der Heinrich-Barth-Straße 11 und hatte sieben gemeinsame Kinder, die alle später auswandern konnten. Benjamin war von mindestens 1914 bis Ende Juni 1938 als Makler in der Hamburger Börse tätig. Der Vorstand der Hanseatischen Wertpapierbörse bescheinigte den Rechtsanwälten der Erben Gretchen Meyers im Jahre 1961: "Herr Benjamin Meyer war ein hochanständiger und seriöser Mann. Er war als Makler im Auslandsrentenmarkt tätig, der nur geringe Verdienstmöglichkeit bot. Herr Meyer war bereits vor 1933 auf die Unterstützung seiner Verwandten angewiesen." Er brauchte im Jahr 1930 keine Steuern bezahlen und versprach den auf 10 RM reduzierten Handelskammerbeitrag für das Jahr 1932 in Raten zu zahlen. Auf Grund des Erlasses des Reichswirtschaftsministers vom 20. Juni 1938 wurde die jüdische Firma dann nicht mehr zugelassen.

Benjamin und Hanna waren gezwungen in die Dillstraße 15 umzuziehen, dem "Judenhaus", in dem seine Schwester Recha Klein dann auch wohnen musste. Benjamin starb am 17. August 1939 im Israelitischen Krankenhaus. Seine Witwe Hanna heiratete einige Zeit später den am 8. Juni 1866 in Kopenhagen geborenen Nathan Hirsch Offenburg und zog zu ihm in die Rappstraße 13. Am 19.Juli 1942 wurden beide nach Theresienstadt deportiert. Nathan Offenburg starb dort am 11. Mai 1943, Hanna wurde am 9. Oktober 1944 nach Auschwitz weiter deportiert und am 8. Mai 1945 offiziell für tot erklärt.

An Gretchen Meyer, Recha Klein, Therese Klein und Hedwig Klein erinnern Stolpersteine in der Parkallee 26.

Für Dr. Hedwig Klein liegt zusätzlich ein Stolperstein vor dem Hauptgebäude der Universität Hamburg.

An Hanna und Nathan Offenburg erinnern Stolpersteine in der Rappstraße 13.

Emanuel Meyer (geboren 21.9.1878) und Bele Meyer (geb. 12.1.1878) wurden am 29. Januar 1943 von Berlin aus nach Auschwitz deportiert.


Stand: August 2019
© Susan Johannsen

Quellen: StaH: 351-11_51997 (Gretchen Meyer); 351-11_3015 (Benjamin Meyer); 351-11_2590 (Henriette Meyer); Akte 232-1_SerieIII2341 (Carl Flörsheim); historische Adressbücher; StaH 522-1, 992b, Kultussteuerkartei; Gedenkbuch des Bundesarchivs; Hamburger Gedenkbuch; Deportationslisten Hamburg und Berlin: http://www.statistik-des-holocaust.de/; www.alemannia-judaica.de/ebelsbach_synagoge.htm; wikipedia: Hans Wehr, ungar.Chassiden; Emilie Said-Ruete: An Arabian Princess between two worlds; https://esf.uni-osnabrück.de/index.php/module-styles/k/282-klein-hedwig; http://recherchenundarchiv.com/recherchen; J. Walk: Das Sonderrecht für die Juden im NS-Staat, Heidelberg 1981; www.ancestry.com.

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