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Bereits verlegte Stolpersteine



Irma Holländer (geborene Lagus) * 1897

Goernestraße 10 (Hamburg-Nord, Eppendorf)

1941 Lodz
1942 ermordet in Chelmno

Weitere Stolpersteine in Goernestraße 10:
Berta Bernhardt

Irma Auguste Holländer, geb. Lagus, geb. 26.3.1897 in Hamburg, am 25.10.1941 nach Lodz deportiert, am 10.5.1942 nach Chelmno weiterdeportiert

Goernestraße 10

Irma Holländer war die Tochter des jüdischen Ehepaares Friedrich Lagus (geb. am 6. Januar 1870 in Carolinenthal bei Prag) und Ida Lagus, geb. Nelky (geb. am 31. Oktober 1875 in Hamburg).

Friedrich Lagus war zunächst Weinhändler, dann Zigarrengroßhändler in Hamburg geworden (Fa. Heinrich Wiesner und Co., Hohe Bleichen 8–10, später Hegestieg 14) und besaß darüber hinaus eine Reihe von Tabakläden in der Stadt und in anderen Orten. Über Irma Holländers Kinder- und Jugendzeit, ihren Ausbildungsgang ist uns nichts bekannt. 1924 hatte sie Max Holländer geheiratet. In Unterlagen aus den 1930er Jahren wird sie als geschieden, als Ange­stellte, aber auch als Lehrerin für Kunsthandwerk bezeichnet. Zu jener Zeit wohnte sie bei den Eltern in deren Haus im Hegestieg 14, einem fünfstöckigen Gebäude mit Läden, Büros und Wohnungen. Friedrich Lagus verkaufte das Haus, das beachtliche Mieteinnahmen er­bracht hatte, im Dezember 1938, also unmittelbar nach der Pogromnacht vom 9. November, für 110000 RM an den Hamburger "Arier" Julius Pemöller, um die Auswanderung der Familie finanzieren zu können.

Im Mai 1939 emigrierten Irmas Eltern sowie der Bruder Edgar Lagus mit Ehefrau Gerda und ihrem kleinen Kind nach Rio de Janeiro/Brasilien.

Nach Entrichtung aller Gebühren, Zwangsabgaben und Sondersteuern blieben von dem Verkauf noch 14000 RM übrig. Das Oberfinanzpräsidium Hamburg gab sich großzügig und gestattete Friedrich Lagus, seiner in Hamburg verbliebenen Tochter 12000 RM zum Geschenk zu machen. Allerdings wurde das Geschenk von der Behörde sogleich unter "Sicherungsanordnung" gestellt, Irma durfte davon monatlich 400 RM für Miete, zum Lebensunterhalt usw. abheben. Ansonsten scheint sie mittellos und ohne Einkünfte gewesen zu sein. Im Hegestieg 14 konnte sie nicht mehr bleiben. Sie zog in die Goernestraße 10, 1. Stock, zur Untermiete bei der Jüdin Berta Bernhardt (geb. 1884), geborene Katz, einer verwitweten Lehrerin.

Warum Irma Deutschland nicht gemeinsam mit ihrer Familie verließ, wissen wir nicht. Sie scheint ihre Emigration aber geplant zu haben, denn in Briefen an die Finanzbehörde aus den Jahren 1939/40 wies sie auf Fremdsprachenkurse hin, die sie zur Vorbereitung der Auswanderung besuche, sowie auf Unterricht zur Herstellung von Kunstblumen, den sie kostenlos erteile, um für ihre künftige Berufstätigkeit im Ausland zu üben.

Am 25. Oktober 1941 wurde Irma Holländer, wie auch ihre Vermieterin und ältere Freundin Berta Bernhardt, in das Getto Lodz deportiert. Vermutlich wurden beide erst kurz vor der Abfahrt des Zuges (10.10 Uhr, Hannoverscher Bahnhof Hamburg) aus der Wohnung geholt, denn sie standen als "Ersatzpersonen" auf der Deportationsliste.

Irma wurde zunächst, am 1. November 1941, mit zwölf weiteren Personen in zwei Zimmern mit Küche in der Wohnung 3/5 in der Blattbinderstraße 7a untergebracht. Auf dem Formular "Anmeldung" des "Ältesten der Juden in Litzmannstadt" wird als Beruf "Lehrerin für kunstgewerbliche Arbeiten" angegeben. Am 10. März 1942 wurde sie in die Hausiererstraße 3, Wohnung 11, verlegt.

Am 3. Mai erhielt sie den "Ausreisebefehl" III 497, das heißt ihre Verlegung ins Vernichtungslager Chelmno. Sie bat die "Aussiedlungskommission" "ergebenst, … mich hier lassen zu wollen", da sie beim Papier-Ressort des Gettos "als Spezial- Arbeiterin dringend benötigt" werde. Ihrem Schreiben legte sie eine Bescheinigung des Ressorts bei, dass sie als "Sachverständige in Papier-Kunstgewerblichen Artikeln … demnächst hier beschäftigt" werde. Demnächst! Diese Einschränkung mag der Ausweisungskommission genügt haben, Irma Holländers Bittbrief mit ODMOWA abzustempeln – abgelehnt!

Das "Abmeldeformular" sagt: Die Obengenannte verließ am 10. Mai 1942 die Wohnung. "Ursache: ausgewiesen". Die Zeile hinter "Neue Adresse" blieb leer.

Am 10. Mai 1942 war Transport Nr. 7 von Lodz nach Chelmno abgegangen, zur sofortigen Ermordung der Opfer in Gaswagen.

© Johannes Grossmann

Quellen: 1; 2; 4; 8; StaH 351-11 AfW Abl.2008/1, 260397 Holländer, Irma; StaH 314-15 OFP, R 1938-2914; StaH 522-1 Jüd. Gemeinden, 992e2 Band 1; Archiwum Panstwowe, Lodz (Get­to-Archiv), Melderegister, Irma Holländer, PL-39-278-1011-16942 bis 16945; USHMM, RG 15083, M 299/906-907, Fritz Neubauer, Universität Bielefeld, E-Mail vom 2.6.2010.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Recherche und Quellen.

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