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Hedwig Lazarus (geborene Süsskind) * 1892

Grindelallee 6 (Eimsbüttel, Rotherbaum)

1941 Minsk

Weitere Stolpersteine in Grindelallee 6:
Minna Gottschalk, Maximilian Gumpel, Edith Horwitz, Albert Josephi, Dr. Leonhard Lazarus, Laura Mosbach, Johanna Rosenberg

Dr. Leonhard Lazarus, geb. 6.7.1899 in Altona, deportiert am 08.11.1941 nach Minsk
Hedwig Lazarus, geborene Süsskind, geb. 24.5.1892 in Gehrden, deportiert am 08.11.1941 nach Minsk

Eltern des Leonhard Lazarus:
Joseph Lazarus, geb. am 2.4.1869 in Altona, gest. am 8.3.1948 in Montevideo/Uruguay. Beruf: Kaufmann/Metallwaren; Emilie Lazarus (geborene Pilatus), geb. am 1.4.1880, gest. am 31.3.1954 in Hamburg. Joseph und Emilie Lazarus gehörten der jüdischen Religion an.

"Zunächst sehe ich die viel größere Freiheit der Einzelnen als einen Vorteil an. Vorausgesetzt, dass sie richtig ausgenutzt und nicht missbraucht wird. Ein weiterer Vorteil der Demokratie ist der, dass eine Katastrophenpolitik der Regierung verhindert wird." Diesen Satz schrieb Leonhard Lazarus in seiner Dissertation "Platons Staatsideale im Vergleich zur heutigen Demokratie." Er wurde mit dieser Arbeit am 1. März 1922 an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Hamburgischen Universität in "Allgemeiner Staatslehre" promoviert, seine Arbeit als "ausreichend" anerkannt.

Der 1899 als ältestes von drei Geschwistern in Altona geborene Leonhard Lazarus hatte das Christianeum besucht, wo er am 5. Juni 1917 das Notabitur ablegte, da er am 15. d. Mts. zum Felddienst eingezogen wurde. Nach Ende des 1.Weltkrieges studierte er zunächst fünf Semester in Kiel und Tübingen Rechts- und Staatswissenschaften, bis er sich am 15. Oktober 1920 zum Wintersemester an der Universität Hamburg einschrieb. Seinen Wohnsitz hatte er zu dieser Zeit im Gerlingweg 15 in Elmshorn.

Am 12. Juli 1924 heiratete er die gelernte Putzmacherin (=Hüte) Maria Auguste Franziska Hamann (geb. am 8.11.1895 in Elmshorn). Sie war evangelisch. Das Ehepaar blieb kinderlos.

Von 1926 bis 1929 arbeitete Leonhard Lazarus als Bücherrevisor in Hamburg. Die Akten lassen offen, warum der promovierte Jurist keine Tätigkeit in seinem Fach ausübte, vielleicht lag es an der allgemeinen wirtschaftlichen Lage, vielleicht fehlten ihm entsprechende Verbindungen. Im Jahr der Weltwirtschaftskrise wurde er wegen "Urkundenunterdrückung" verhaftet und am 15. Mai 1929 zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Durch die Anrechnung der Untersuchungshaft wurde er am Jahresende 1929 wieder entlassen.

Der Gefängnisaufenthalt stürzte das Ehepaar auch in eine schwere finanzielle Krise. Leonhard Lazarus verlor nicht nur den Arbeitsplatz, sondern auch die eigene Zweizimmerwohnung ließ sich fortan nicht mehr halten. Das Ehepaar musste den Großteil des Hausrats aufgeben und bewohnte fortan ein Zimmer zur Untermiete. Zuwendungen erhielten die beiden von Maria Lazarus Mutter Johanna, während Leonhard Lazarus Vater Joseph nicht in der Lage war, den Sohn und die Schwiegertochter zu unterstützen, wie die Wohlfahrtsbehörde festhielt.

Bis zum 3. Juli 1930 blieb Leonhard Lazarus erwerbslos. Danach konnte er für zwei Jahre wieder eine Arbeit als Bücherrevisor bei der Firma Seresin in Hamburg Dovenfleth aufnehmen. Von 1932 bis 1934 meldete er sich wieder als erwerbslos. In dieser Zeit kam es zu einem Prozess wegen aufgelaufener Mietschulden, der mit einem Vergleich endete. Nun das Paar wechselte mehrfach den Wohnsitz (immer Zimmer zur Untermiete).

Im Oktober 1934 übernahm Leonhard Lazarus einen Verkaufskiosk in der Jägerstraße in Altona, den er jedoch aufgab, als er sich als unrentabel entpuppte. Ein Jahr später arbeitete er in dem Geschäft (Metallschmelze/Metallwaren) seines Vaters, zu diesem Zeitpunkt in der Müggenkampstraße 5 in Hamburg Eimsbüttel. Am 16. Juni 1938 wurde Leonhard Lazarus im Rahmen der "Juni-Aktion" verhaftet und ins Lager Sachsenhausen gebracht. Diese reichsweite Verhaftungsaktion erfasste auch Juden, die wegen Bagatelldelikten vorbestraft waren wie Leonhard Lazarus.

Die deprimierende soziale Lage und die eskalierende Verfolgung der Juden blieb nicht ohne Auswirkung auf dessen Ehe: Im Juni 1937 trennte sich das Paar, 1938 reichte die Ehefrau einen Antrag auf "Aufhebung" der Ehe ein, während ihr Ehemann im KZ Sachsenhausen einsaß. Die Möglichkeit für nichtjüdische Ehepartner, eine Trennung aus "rassischen" Gründen zu verlangen, hatten die Nationalsozialisten ins Eherecht eingeführt. So argumentierte die Ehefrau - wie vom Gesetzgeber vorgesehen - sie sei sich bei der Eheschließung über die Folgen einer Verbindung mit einem Juden nicht im Klaren gewesen, diese seien ihr erst durch die nationalsozialistische Aufklärung und besonders bei der Verhaftung ihres Mannes deutlich geworden. Sie fügte hinzu, der Name Lazarus stigmatisiere sie bei der Arbeitssuche, und im übrigen wolle sie ihrem Mann, der Deutschland verlassen wolle, auf keinen Fall folgen. Leonhard Lazarus konnte der Verhandlung nicht beiwohnen, sondern nur aus dem Konzentrationslager per Brief mitteilen, er sei mit der Aufhebung der Ehe einverstanden. Damit allerdings verlor er auch noch den dürftigen Schutz vor Verfolgung und Verhaftung, den eine Mischehe Juden bot.

Zur selben Zeit stellte Leonhards Vater Joseph Lazarus einen Auswanderungsantrag für seine Frau, seinen Sohn und sich selbst. Sie beabsichtigten, nach Paraguay auszuwandern. Als Ausreisegut gab Leonhard Lazarus, bzw. sein Vater für ihn, nur folgende Gegenstände an: "Bei meiner Ausreise nach Paraguay beabsichtige ich folgende Gegenstände mitzunehmen: 2 Mäntel, 3 Anzüge, übliche Leibwäsche und 1 Reiseschreibmaschine".

Am 25. Oktober 1938 wurde die Unbedenklichkeitsbescheinigung ausgestellt. Die Eltern reisten noch im Herbst 1938 nach Uruguay aus.

Warum Leonhard Lazarus nach seiner Haftentlassung am 28. Januar 1939 die Ausreise trotz der vorliegenden Genehmigung nicht unternahm, geht aus den Akten nicht hervor. Vielleicht wollte er diesen Schritt nicht allein unternehmen, jedenfalls heiratete er am 6. April 1939 Hedwig Süßkind.

Die gelernte Erzieherin war am 24.05.1892 in Gehrden geboren und lebte seit 1924 in Hamburg. Sie gehörte der Jüdischen Gemeinde an. Im April 1939 stellte sie nun auch einen Auswanderungsantrag und berief sich dabei auf den bereits für ihren Mann genehmigten Antrag. Die Kosten für die Ausreise sollten vom Jüdischen Hilfsverein übernommen werden. Sie erhielt eine Unbedenklichkeitsbescheinigung. Zu diesem Zeitpunkt wohnte das Ehepaar in der Dillstraße 20 bei Mayer. Laut Sozialdienststelle wurde Leonhard Lazarus im April 1939 von der Zwangsarbeit befreit, da er sich um seine nach Ausreise nach Shanghai bemühte. Offensichtlich war der Weg nach Südamerika versperrt, Shanghai stellte für deutsche Juden das letztmögliche Ziel dar, das sie ohne Visum erreichen konnten. Leonhard Lazarus gab an, innerhalb von 4 – 5 Wochen reisen zu wollen. Sein Vater habe ihm etwas Geld zurückgelassen. Doch die Auswanderung scheiterte.

Gegen Mitte des Jahres wurde Leonhard Lazarus als Zwangsarbeiter bei Erdarbeiten eingesetzt, im Rahmen der "Pflichtarbeit für Fürsorgeempfänger", wie es hieß. Im März 1941 arbeitete er als Stanzer bei der Firma Holste & Schultz. Dort erlitt er im August 1941 einen Betriebsunfall.

Am letzten Wohnsitz als Untermieter bei Horwitz im "Judenhaus" in der Grindelallee 6 erhielten beide den Deportationsbefehl. Am 8. November 1941 wurden Leonhard und Hedwig Lazarus nach Minsk deportiert. Sie kehrten nicht wieder aus dem Ghetto zurück.

Leonhard Lazarus Eltern gelang rechtzeitig die Auswanderung nach Montevideo, wo sie einen kleinen Milchladen eröffneten. Joseph Lazarus starb dort mit fast 79 Jahren.

Die Mutter Emilie Lazarus kehrte über Israel nach Hamburg zurück und lebte bis zu ihrem Tod am 1. April 1954 im Jüdischen Altersheim in der Sedanstraße. Sie verstarb im Jerusalemkrankenhaus. Die Bewilligung ihrer Wiedergutmachungsansprüche erlebte sie trotz Drängens ihres Anwalts auf schnellere Bearbeitung nicht mehr.

Moritz Walter Lazarus, der 1902 geborene, jüngere Bruder von Leonhard, wurde zusammen mit seiner Frau Fanny, geborene Falck (geb. am 12.10.1910) und seinen beiden Kindern Vera und Edith Beate am 6. Dezember 1941 nach Riga deportiert. Die Kinder waren zu diesem Zeitpunkt acht und vier Jahre alt. Keiner aus der Familie hat das Lager überlebt.

Leonhard Lazarus Schwester Therese Gertrud Senft (geboren am 07.02.1901 in Altona) gelang die Ausreise nach Israel. Sie starb dort am 13.09.1965.

© Christine Zinn-Lührig

Quellen: StaH, 351-11, Amt für Wiedergutmachung, Abl. 2008/1; StaH, 314-15, Oberfinanzpräsident, R1938/2261; StaH, 314-15, Oberfinanzpräsident, FVg 4767 und FVg 7807; StaH, 522-1, Jüdische Gemeinden, Kultussteuerkartei der Deutsch-Israelitischen Gemeinde Hamburgs; Archiv Landgericht Hamburg, Urteil 6 R 243/38, S. 2f; Wolfgang Ayaß: "Asoziale" im Nationalsozialismus. Stuttgart 1995; Beate Meyer (Hg.): Die Verfolgung und Ermordung der Hamburger Juden 1933 – 1945. Geschichte. Zeugnis. Erinnerung. Hamburg 2007, 2.Auflage; Patrick Wagner: Volksgemeinschaft ohne Verbrecher. Konzeptionen und Praxis der Kriminalpolizei in der Zeit der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus. Hamburg 1996.

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