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Bereits verlegte Stolpersteine



Laura und Alfred Mosbach, ca. 1930
© Sammlung Matthias Heyl

Laura Mosbach (geborene Horwitz) * 1876

Grindelallee 6 (Eimsbüttel, Rotherbaum)

1941 Riga

Weitere Stolpersteine in Grindelallee 6:
Minna Gottschalk, Maximilian Gumpel, Edith Horwitz, Albert Josephi, Dr. Leonhard Lazarus, Hedwig Lazarus, Johanna Rosenberg

Laura Mosbach, geb. Horwitz, geb. am 01.02.1876 deportiert am 06.12.1941 nach Minsk

Laura Horwitz kam als Tochter von Caroline Horwitz, geborene Meier, und Meier Horwitz in Bünde/Westf. zur Welt.

Laura Mosbach und ihr Ehemann Alfred Mosbach (geboren am 16.06.1872 in Lüdenscheid) zogen erst spät nach Hamburg. Ihre Kinder Harry Herman (geboren am 06.03.1902) und die Tochter Hildegard (verheiratete Katz, geboren am 24.06.1904) wurden in Werl geboren.

Die Familie wohnte in Hamburg-Harburg, in der Wilstorfer Straße 7, in einer 6-Zimmer-Wohnung. Bis zu seinem 62 Lebensjahr, als er am 24. März 1934 sein Geschäft aufgeben musste, war Alfred Mosbach als selbständiger Gemüsehändler tätig. Laura Mosbach war Hausfrau.

Danach lebte das Ehepaar von der Wohlfahrtsunterstützung. Offensichtlich stockten sie diese durch Untervermietung auf. Bei einer Untersuchung für die Wohlfahrtsbehörde am 24. März 1939 bestätigte der Amtsarzt, dass Alfred Mosbach "dauerhaft arbeitsunfähig" war.

Am 06. Juni 1939 stellte Alfred Mosbach einen Ausreiseantrag für sich und seine Frau nach Palästina. Zeitgleich mussten sie die Wohnung auflösen. In den Ausreiseakten des Oberfinanzpräsidenten findet sich ein handschriftlicher Brief Alfred Mosbachs v. 23. Juni 1939, in dem er darum bittet, bis zum 30.06. die Passerlaubnis erteilt zu bekommen, da er am 01. Juli seine Wohnung zu räumen habe. Die Prüfung des Ausreisegutes erfolgte ohne Beanstandung am und termingerecht, und die Behörde genehmigte die Ausreise. Diese konnten die Mosbachs jedoch nicht antreten: Der Beginn des Ersten Weltkrieges hatte sie verhindert. Eine Notiz in den Ausreiseakten vom 30. November 1939 erläutert: "Auf Vorladung erscheint Herr Mosbach und erklärt, dass er sich am 5. September ein englisches Visum nach Palästina besorgen wollte, dass das Konsulat dann aber nicht mehr vorhanden war. Er will demnächst – in ca. 4 – 6 Wochen, über Wien und Constanza mit einem griechischen Dampfer illegal nach Palästina fahren. Das Gepäck wird mit der Bahn nach Triest versandt und dort von dem in Palästina lebenden Sohn des Mosbach abgerufen."

Die Einreise nach Palästina hatte schon vor Kriegsbeginn restriktiven Bestimmungen unterlegen, die Großbritannien als Mandatsmacht verfügte. Daneben hatten Zionisten "illegale" Einwanderungen (Aliyah Beth) organisiert: Gemietete oder gekaufte Schiffe, notdürftig für den Personentransport umgerüstet, überquerten das Mittelmeer und setzten die Passagiere an der Küste Palästinas aus.

Nach Kriegsbeginn wurde diese Reise extrem teuer und noch gefährlicher. Die Organisatoren wollten eigentlich nur junge, kräftige, zionistisch ausgerichtete Männer und Frauen auf die Schiffe nehmen. Dass die über 60jährigen Mosbachs die Strapazen und die Gefahr der Reise dennoch auf sich nehmen wollten, weist darauf hin, wie verzweifelt sie gewesen sein müssen. Doch auch dieser Plan schlug fehl, ob aus gesundheitlichen Gründen bei Alfred Mosbach oder weil die Mosbachs bei tausenden von Bewerbern für die wenigen Schiffe, die noch mit Ziel Palästina ausliefen, keine Chance auf einen Platz hatten, wissen wir nicht.

Das Ehepaar wurde nach der Zwangsräumung der Wohnung in das sogenannte Judenhaus in der Grindelallee 6 umgesiedelt. Dort lebten sie bei Edith Horwitz in einem Zimmer zur Untermiete. Alfred Mosbach starb ein Jahr später, am 21. Mai 1940.

Ab September 1941 musste Laura Mosbach den "Judenstern" tragen und den Zusatznamen Sara führen. Am 06. Dezember 1941 wurde die 65jährige Laura Mosbach auf Anordnung der Geheimen Staatspolizei, Leitstelle Hamburg, nach Riga deportiert.

Nach eigenen Angaben erhielt die Tochter noch nach der Deportation über das Rote Kreuz noch zwei oder drei Briefe ihrer Mutter. Wann und wo diese starb, erfuhr sie nicht.

Die Kinder Harry und Hildegard konnten rechtzeitig (Harry Anfang 1939 / Hildegard 1935) nach Palästina auswandern. Die Eltern hatten die Reise teilweise durch Verkauf ihres Hausrats finanziert. Harry starb am 11. November 1945. Seine Ehe mit Martha Mosbach, geborene Runzler, blieb kinderlos.

Hildegard Katz geb. Mosbach starb am 08. Juli 1961. Sie hinterließ ihren Mann Siegfried Katz und ihren minderjährigen Sohn Samuel.

© Christine Zinn-Lührig

Quellen: StaHH, 314-15 Oberfinanzpräsident, FVg3161 (Ausreiseanträge) und Oberfinanzpräsident, FVg 7689.; StaH 351-11, Amt für Wiedergutmachung, Ablage 2008/1, 240604; StaHH 522-1, Jüdische Gemeinden, 992b, Kultussteuerkartei der Deutsch-Israelitischen Gemeinde Hamburgs; Buch der Erinnerung. Die ins Baltikum deportierten deutschen, österreichischen u. tschechoslowakischen Juden, Bd. II, München 2003; Beate Meyer (Hg.): Die Verfolgung und Ermordung der Hamburger Juden. Hamburg 2007, 2.Aufl., S. 30ff. ; Sybille Baumbach: Emigration, in: Kirsten Heinsohn (Red.) unter der Herausgabe des Institut für Geschichte der deutschen Juden: Das jüdische Hamburg. Ein historisches Nachschlagewerk. Göttingen 2006, S. 69 ff.; Frank Bajohr:" ...dann bitte keine Gefühlsdusseleien." Die Hamburger und die Deportationen, in, Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg und dem Institut für die Geschichte der deutschen Juden (Hg.): Die Deportation der Hamburger Juden 1941–1945. Hamburg 2002, S. 17.


Laura Mosbach, geb. Horwitz, geb. am 1.2.1876 in Bünde, deportiert am 6.12.1941 nach Riga, Todesdatum unbekannt

Stadtteil Harburg-Altstadt, Am Centrumshaus 1

Laura Mosbach und ihr vier Jahre älterer, in Lüdenscheid geborener Ehemann Alfred hatten zunächst mehrere Jahre in Werl/Westfalen gelebt und hier eine Familie gegründet, bevor sie Mitglieder der Harburger Synagogengemeinde wurden. Ihr Sohn Harry kam am 6.3.1902 zur Welt und ihre Tochter Hildegard am 24.6.1905. Nach ihrem Umzug wohnte die Familie in der Wilstorfer Straße 45 (Ecke Moorstraße), wo Alfred Mosbach ein Obst- und Gemüsegeschäft betrieb, das er später in den unteren Teil der Bergstraße (heute: Am Centrumshaus) verlegte. Auch auf dieses jüdische Geschäft hatten es die Harburger Nationalsozialisten abgesehen, als sie sich am 1. April 1933 mit ihren Plakaten vor dem Eingang postierten, um die Kundinnen und Kunden auf die "nichtarische" Herkunft seines Besitzers hinzuweisen.

Der Boykott wurde zwar nach einem Tag beendet, aber die Sorgen um die berufliche Zukunft blieben bestehen. Am 10. Januar 1934 musste Alfred Mosbach sein Geschäft in der Bergstraße für immer schließen. Mit 62 Jahren fand er keine neue Anstellung, zumal er nach einer ärztlichen Untersuchung für arbeitsunfähig erklärt wurde. Er musste versuchen, irgendwie mit seiner bescheidenen Wohlfahrtsunterstützung auszukommen.

Große Sorgen bereitete den Eltern auch die Zukunft ihrer beiden Kinder. Tochter Hildegard wanderte 1935 im Alter von 30 Jahren mit ihrem Mann nach Palästina aus, um der weiteren Verfolgung zu entgehen und in der Fremde einen Neuanfang zu wagen.

Ihr Bruder versuchte, sich hier in Harburg auf die neuen Gegebenheiten einzustellen, nachdem er am 7. Juli 1933 die acht Jahre jüngere Martha Runzler (geb. 4.11.1910), eine nicht­jüdische Mecklenburgerin, geheiratet hatte. Sie betrieb in der Bergstraße 5 ein Geschäft für Plissee- und Näharbeiten, das zu einem Häuserblock gehörte, den die damals stadteigene Deutsche Wohnungsbau-Gesellschaft (D.W.G.) Ende der 1920er Jahre neben dem Harburger Rathaus erbaut hatte und seitdem verwaltete und vermietete.

Noch vor der Verkündung der "Nürnberger Rassengesetze" erhielt Martha Mosbach am 22. August 1935 von der D.W.G. im Auftrage des Harburger Bürgermeisters Dyes die schriftliche Mit­teilung, dass der Mietvertrag für das Geschäft in der Bergstaße am 30. September 1935 auslaufe, weil ihr Ehemann Jude sei. Martha Mosbach legte gegen diese Kündigung Beschwerde ein. Daraufhin befasste sich sogar der Harburger Stadtrat auf seiner Sitzung am 5. September 1935 mit ihrem Einspruch. Doch ihre Beschwerde blieb ohne Erfolg "weil in der Eheschließung der Mieterin … eine bewusste Rassenschändung und damit ein grober Verstoß gegen die nationalsozialistische Auffassung erblickt wird und der Stadtgemeinde nicht zugemutet werden kann, diese Art von Verbrechen durch Duldung zu fördern."

Bevor Bürgermeister Dyes die Beschwerde am 7. September 1935 offiziell beantwortete, prüfte er die Frage, ob im "Fall Mosbach" eine öffentliche "Sonderaktion" – etwa die Aufstellung eines großen Transparents mit entsprechender Aufschrift – angebracht sei. In seinem endgültigen Antwortschreiben lehnte er Martha Mosbachs Beschwerde dann aber vor allem mit formaljuristischen Argumenten ab: "Nachdem Sie den Nichtarier Mosbach geheiratet haben und nachdem die Stadt auf Grund der neuerdings anzuwendenden Bestimmungen des Reichseinheitsmietvertrages bei Ehegatten die Unterschrift beider Ehegatten verlangen muss, müsste der Vertrag für den Laden auch von ihrem Ehemann jetzt unterschrieben und damit ein neues Vertragsverhältnis zwischen der Stadt und Ihrem Ehemann eingegangen werden. Die Stadt lehnt aber ein Vertragsverhältnis mit einem Nichtarier mit Recht ab, zumal Sie die Ehe mit dem Nichtarier lange nach der Machtergreifung eingegangen sind und sich damit außerhalb der Volksgemeinschaft gestellt haben."

Martha Mosbach war nicht die einzige Mieterin, die im Herbst 1935 von der Deutschen Wohnungsbau-Gesellschaft in Harburg eine Kündigung erhielt. Elf anderen Mietern erging es genauso. Daran konnte auch Ludwig Fließ, der Vorsteher der Harburger Synagogen­ge­meinde, mit einem Schreiben an Bürgermeister Dyes nichts ändern.

Martha Mosbach fand noch einmal einen Laden, den sie mieten konnte, weil der Vermieter Wert auf die Miete und nicht auf die Religion oder "Rasse" legte. Ein Kind, dem sie 1936 das Leben schenkte, starb kurz nach der Geburt. In dieser bedrückenden Situation wurde Harry Mosbach am 23. Juni 1938 im Rahmen der so genannten Juni-Aktion verhaftet und in das KZ Sachsenhausen eingeliefert. Die Haft dauerte zwei Monate und hätte sicherlich noch länger gedauert, wenn seine Frau nicht wiederholt zur Gestapo gegangen wäre und ihr glaubhaft versichert hätte, dass sie mit ihrem Mann umgehend nach Palästina auswandern werde, wenn er frei käme. Die Passage würden Verwandte in Amsterdam bezahlen. Am 19. November 1938 flog Harry Mosbach vom Hamburger Flughafen nach Amsterdam. Von dort aus fuhr er einige Tage später nach Genua, wo er seine Frau traf und mit ihr nach Palästina ausreiste.

Seinen Eltern war diese glückliche Fügung nicht vergönnt, obwohl sie sich nach der dramatischen Verschärfung der Judenverfolgung im Jahre 1938 ebenfalls um eine Ausreise nach Palästina bemühten. Die dafür erforderlichen Formalitäten zogen sich über mehrere Monate hin. Ende Juni 1939 lösten Alfred und Laura Mosbach ihre Harburger Wohnung auf und versteigerten den größten Teil ihres Hausrats, den sie aus Platzgründen zurücklassen mussten. Die letzten Tage vor ihrer geplanten Ausreise verbrachten sie bei Verwandten in der Grindelallee 6. Als Alfred Mosbach sich am 5. September 1939 das Einreisevisum für Palästina im britischen Konsulat in Hamburg abholen wollte, stand er vor verschlossenen Türen, da Großbritannien und Deutschland sich inzwischen im Krieg befanden. Der anschließende Versuch, über Wien und Konstanza in Rumänien nach Palästina zu gelangen, scheiterte ebenfalls. Alfred Mosbach starb im Alter von 68 Jahren am 21. Mai 1940 in Hamburg an einem Herzanfall, ohne seine Kinder in Palästina noch einmal gesehen zu haben.

Eineinhalb Jahre später gehörte seine Frau Laura zu den 747 Hamburger Jüdinnen und Juden, die am 6. Dezember 1941 nach Riga deportiert wurden. Eine Schicksalsgefährtin, Thekla Bernau (geb. 29.5.1900), mit der sie die letzten Stunden vor dem Abtransport verbrachte, schilderte ihren Kindern am Vorabend der Abfahrt, wie den Betroffenen zu Mute war: "Nun wissen wir es: Am 5. oder 6. Dezember geht es fort. Keiner fragt, wohin. Jeder weiß es, und keiner gesteht es sich ein. Wir sind jetzt elf in zwei Zimmern … Wenn ich alles überdenke, werden meine Lippen trocken, und ich kann nicht mehr denken. … Laura Mosbach [ist eine von uns. Sie] stammt aus Bünde in Westfalen und kann Zigarren aus alten Blättern und Zeitungspapier drehen. Aber weder die Wenkels noch die Grothkopps wollen sie rauchen. Sie ist traurig. Wer will heute schon rauchen. … Ist heute der Nikolaustag oder morgen? Man vergisst, was ist. Es wäre besser, man könnte noch mehr vergessen. … Am Abend habe ich einen Weinkrampf. Die Wenkel sagt, dass es wie bei den vorigen Transporten sei. An der Sternschanze stünden die Viehwagen. Offen. Frauen für sich, Männer für sich ... "

Für Laura Mosbach wurde dieser Abtransport aus Hamburg eine Reise in den Tod.

© Klaus Möller

Quellen: 1; 2 (FVg 7689 Alfred Mosbach, FVg 3161 Harry Hermann Mosbach); 4; 5; 6; 8; Heyl (Hrsg.), Harburger Opfer; Heyl, Mosbach; Heyl, Synagoge, S. 119f.; StaH, 351-11, AfW, Abl. 2008/1, 140672 Mosbach Alfred, 010276 Mosbach, Laura, 041110 Mosbach, Martha; StaH, 430-5 Dienststelle Harburg, Ausschaltung jüdischer Geschäfte und Konsumvereine, 1810-08, Bl. 89ff.; Adressbuch Harburg 1935.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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