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Bereits verlegte Stolpersteine



Porträtfoto Kreine Goldberger, mit Stempel und Öse eines Ausweises
Foto der belgischen Fremdenpolizei von Kreine Goldberger
© State Archives in Belgium – Individual file established by the Belgian Foreigners Police

Kraine Goldberger (geborene Geller) * 1898

Agathenstraße 3 (Eimsbüttel, Eimsbüttel)


HIER WOHNTE
KRAINE
GOLDBERGER
GEB. GELLER
JG. 1898
FLUCHT 1939 BELGIEN
INTERNIERT MECHELEN
DEPORTIERT 1944
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Weitere Stolpersteine in Agathenstraße 3:
Margarethe Conu, Herbert Frank, Frieda Laura Frank, Benjamin Goldberger, Lea Goldmann, Bela Meier, Henry Meier, Alexander Nachum, Clara Nachum

Benjamin Goldberger, geb. am 26.12.1895 in Kolomea (Galizien), im Herbst 1939 nach Antwerpen emigriert, am 29.4.1944 in Mechelen interniert, am 19.5.1944 nach Auschwitz-Birkenau deportiert
Kre(a)ine Goldberger, geb. Brun, genannt Geller, geb. am 2.3.1898 in Zalocze (Galizien), im Herbst 1939 nach Antwerpen emigriert, am 29.4.1944 in Mechelen interniert, am 19.5.1944 nach Auschwitz-Birkenau deportiert

Agathenstraße 3

Aus Christchurch in Neuseeland nahm Kate Gibson über die homepage Kontakt nach Hamburg auf. Sie hatte in Neuseeland über das Stolperstein-Projekt gelesen und war davon so begeistert, dass sie in Hamburg anfragte, ob es auch Stolpersteine für ihre Großeltern Benjamin und Kreine Goldberger, die in der Agathenstraße 3 gewohnt haben, gäbe. Es gab noch keine, aber im Oktober 2013 konnten dank Peter Hess Steine für Benjamin und Kreine Goldberger verlegt werden.

Beide stammten aus Galizien. Wahrscheinlich kamen ihre Familien Anfang des 20. Jahrhunderts nach Deutschland. Im April 1922 heirateten Benjamin und Kreine in Hamburg. Benjamin Goldberger wohnte zu der Zeit noch in Hannover, seine Braut in der Rutschbahn 25 a, Haus 2. Es gibt einen Hinweis darauf, dass der Vater von Benjamin Goldberger in Hannover eine Druckerei oder eine Verlagsbuchhandlung besaß.

Kreine Goldbergers Eltern waren der Thoraschreiber Meschullom (auch Meschalon) Geller (geb. 20.9.1867 in Przemysl) und Schura Brun (geb. 2.2.1868 in Zalozce). Kreine hatte eine sechs Jahre jüngere Schwester Hynde. Beide Mädchen trugen den Doppelnamen Geller Brun oder hießen offiziell "Brun, genannt Geller". Wahrscheinlich waren die Eltern nicht verheiratet, obwohl auf der Kultussteuerkarteikarte des Vaters der Name der Mutter in der Rubrik "Ehefrau" eingetragen war. Die Mutter Schura Brun starb am 16.11.1938 in Hamburg.
Benjamin Goldberger war laut Heiratsurkunde von Beruf "Händler", also Kaufmann. Die Kultussteuerkarteikarte bezeichnet ihn als Schiffskoch. Tatsächlich hat er wohl in den 1920er Jahren eine zeitlang als Schiffskoch bei der Reederei Hamburg-Süd gearbeitet. Er soll auf dem Schiff "Monte Olivia" gefahren sein, das ab April 1925 nach Südamerika fuhr.

In der Ehe wurden fünf Kinder geboren: Deborah (1923), Abraham (1925), Esther Malie (1926), Marcus (1927) und der Nachkömmling Isaak (1934). In der Familie wird bis heute erzählt, das älteste Kind habe 1923 auf einem Schiff das Licht der Welt erblickt. Die jüngeren Kinder wurden in Hamburg geboren. Wie Benjamin Goldberger nach Gründung der großen Familie sein Geld verdiente, lässt sich nicht mehr rekonstruieren. Vermutlich lebte die Familie in Armut. Auf der Kultussteuerkarteikarte sind ab Ende der 1920er Jahre keine Steuerzahlungen eingetragen. Kreine Goldberger soll in Hamburg als Schneiderin gearbeitet haben. Die Familie wohnte in einer Drei-Zimmer-Wohnung im Haus der Nanny Jonas Stiftung in der Agathenstraße 3. Spätestens ab 1938 hatte das Ehepaar Goldberger wohl Anstrengungen unternommen, mit den Kindern auszuwandern. Vom 23. Dezember 1938 existiert noch eine "Unbedenklichkeitsbescheinigung für Auswanderer". Als Ziel waren die Vereinigten Staaten von Amerika angegeben. Im Juni 1939 legte die Familie ein Umzugsverzeichnis an, aber zu einer Emigration der ganzen Familie in die USA kam es nicht. Die Kinder reisten Anfang August 1939 mit einem Kindertransport nach England. Nach späteren Angaben der überlebenden Kinder hatte die ganze Familie seit Weihnachten 1938 versteckt in der Wohnung zweier Schwestern in Altona gelebt. Gemeldet hingegen war die Familie in der Kielortallee 24 bei Kaufmann. Frau Kaufmann war die Schwester von Kreine Goldberger. Benjamin und Kreine Goldberger flüchteten im November 1939, also nach Kriegsausbruch, illegal nach Antwerpen in Belgien. Dort kamen sie in der Zurenborgstraat unter. Die "Verordnung über polizeiliche Maßnahmen in bestimmten Gebieten Belgiens und Nordfrankreichs vom 12. November 1940" bedeutete die Deportation vieler Juden aus Antwerpen in die Provinz Limburg an der Grenze zu den Niederlanden. Im Laufe des Jahres 1941 konnten die Juden aber nach Antwerpen oder in bestimmte Gemeinden im Großraum Brüssel zurückkehren. Sie wurden nur provisorisch und schlecht untergebracht und durften ihre Gemeinde nicht verlassen. Benjamin und Kreine Goldberger kamen in Anderlecht in der rue de Megissiers 4 I unter.

Sie überlebten nicht. Im Frühjahr 1944 wurden sie in der "Caserne Dossin" interniert und von dort am 19. Mai 1944 nach Auschwitz-Birkenau transportiert. Weitere Spuren gibt es nicht.

Die "Kazerne Dossin" ist heute ein Museum und ein Ort des Erinnerns. Denn unauflöslich ist sie mit der Geschichte des Holocaust in Belgien verknüpft. Zwischen 1942 und 1944 diente sie den deutschen Besatzern als Durchgangslager für Juden, Sinti und Roma, die mit Zügen nach Auschwitz-Birkenau deportiert werden sollten. Für 25.484 Juden und 352 Sinti und Roma begann im "SS Sammellager Mechelen" der Weg in den Tod. Genau an diesem Ort wird heute die Geschichte der Verfolgung der Juden, Sinti und Roma in Belgien erzählt.

Die Tochter Deborah kehrte nach dem Krieg, wahrscheinlich nur für kurze Zeit, nach Deutschland zurück, blieb unverheiratet und starb 1999 in Wales. Abraham wurde Soldat in einer polnischen Brigade in der Britischen Armee, bevor er nach Palästina ging und dort 1948 im Unabhängigkeitskrieg kämpfte. In Israel wurde er Rechtsanwalt und war auch als Dozent an Universitäten in Australien und Schottland tätig. Er starb 1974 in Schottland. Esther lebte bis zu ihrer Heirat in England und wanderte dann nach Australien aus, wo sie hochbetagt noch lebt. Marcus wurde Töpfer in England. Er starb 2012 und hinterließ neun Kinder und zahlreiche Enkel. Isac, der jüngste, fand Aufnahme in einer liebevollen, nichtjüdischen englischen Familie. Er wurde Dozent für Biologie und lebt heute in Schottland. Kate Gibson ist seine Tochter.

Kreines Schwester Hynde heiratete den aus Ungarn gebürtigen Brothändler Simche Strul Kaufmann, mit dem sie erst, wie auch ihre Eltern, in der Rutschbahn 25 a Haus 2 wohnte und ab Mitte der 1930er Jahre in der Kielortallee 22 und 24 wohnte. Das Paar bekam zwischen 1933 und 1938 vier Kinder. Die ganze Familie wurde im Oktober 1941 nach Lodz deportiert, auch der Vater Meschullom Geller, der schon ein alter Mann von 74 Jahren war. Er starb dort am 1. Juni 1942.

Wahrscheinlich war Kreine Goldbergers Mutter Schura Brun eine Schwester des Buchbinders Nachum Brun (geb. 15.1.1864 in Zalosce), der ebenfalls im Oppenheimer’s Stift in der Kielortallee wohnte und im Oktober 1936 verstarb. (In den Akten taucht auch die Schreibweise "Brunn" auf.) Nachum und seine erste Frau Rahel Brun, geb. Brun sind auf dem Langenfelder jüdischen Friedhof begraben. In zweiter Ehe war Nachum Brun mit Riwka, geb. Goldberg verheiratet. Er hatte sechs Kinder, die zwischen 1891 und 1906 geboren wurden. Der älteste Sohn, Israel, war Trauzeuge, als Benjamin und Kreine Goldberger geheiratet haben. Die Familie Brun wurde im Oktober 1938 nach Zbaszyn abgeschoben. Ihr weiteres Schicksal ist unbekannt.

© Susanne Lohmeyer

Quellen: 1; StaH 332-5, 1053 + 382/1936; StaH 332-5, 1089 + 384/1938; StaH 351-11 AfW, 17897; StaH 314-15 OFP, FVg 5663; StaH 332-5, 8785 + 173/1922; mail von Laurence Schram, Kazerne dossin vzw, Mechelen v. 12.7.2013; Informationen der Enkelin Kate Gibson aus Neuseeland.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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