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Leni Evi Kellmann * 1937
Grindelallee 81 (Eimsbüttel, Rotherbaum)
HIER WOHNTE
LENI EVI
KELLMANN
JG. 1937
"POLENAKTION" 1938
BENTSCHEN / ZBASZYN
1940 PIASKI
1942 TREBLINKA
ERMORDET
Weitere Stolpersteine in Grindelallee 81:
Martin Cobliner, Alma Israel, Chaim David Kellmann, Rosa Emma Kellmann
Chaim David Kellmann, geb. am 10.9.1895 in Neu Sandez, Galizien, abgeschoben am 28.10.1938 nach Zbaszyn (Bentschen), auf Ende 1945 für tot erklärt
Rosa Emma Kellmann, geb. Hoffmann, geb. am 3.9.1914 in Hamburg, abgeschoben am 28.10.1938 nach Zbaszyn (Bentschen), auf Ende 1945 für tot erklärt
Evi Kellmann, geb. am 24.8.1937 in Hamburg, abgeschoben am 28.10.1938 nach Zbaszyn (Bentschen), auf Ende 1945 für tot erklärt
Grindelallee 81
David Kellmanns Geburtsort Neu Sandez lag in Galizien, das bis zum Ende des Ersten Weltkriegs 1918 zur Habsburger Monarchie und danach als Nowy Sacz zur neu gegründeten Republik Polen gehörte. Über Davids Schul- und Ausbildungszeit sowie über die Anfänge seiner Berufstätigkeit ist uns nichts bekannt. Im September 1936 kam er aus Stuttgart nach Hamburg und trat dort gleich in die Jüdische Gemeinde ein. Er arbeitete als Reisender (Vertreter) im Deutschen Reich und in Polen.
Rosa Emma Hoffmann war das zweite Kind des jüdischen Ehepaares Aron Zwi Hoffmann, geboren am 17. Juni 1884 in Aurich, Ostfriesland, und Henriette, geborene Cohen, geboren am 4. Oktober 1893 in Hamburg. Aron arbeitete als Garderobenhändler. Henriette hatte die Israelitische Töchterschule als Fünfzehnjährige mit der Selekta-Reife verlassen. Anschließend hatte sie in Berlin-Charlottenburg eine Lehre als Spezialverkäuferin für Schlachterei, Geflügel und Feinkost bei der Firma Martha Jacob, Kantstraße 138, absolviert. Zurück in Hamburg, arbeitete sie in der Schlachterei ihres Vaters.
Am 21. November 1912 heirateten Henriette und Aron in Hamburg. Ihr erstes Kind, der Sohn Hermann, kam am 5. Mai 1913 in Hamburg zur Welt.
Im Ersten Weltkrieg diente Aron Hoffmann als Musketier im königlich-preußischen Infanterieregiment Nr. 150 in der 12. Kompanie. Am 3. August 1915 starb er mit 31 Jahren durch einen Gewehrschuss in den Rücken. Damit wurde Henriette mit nur 22 Jahren Witwe und musste den zwei Jahre alten Hermann und die erst elf Monate alte Rosa allein aufziehen.
Von 1916 bis 1919 arbeitete sie im Kaufhaus Hermann Tietz am Jungfernstieg (dem heutigen Alsterhaus) als Ein- und Verkäuferin in der Schlachtereiabteilung. Sie verdiente monatlich 240 Reichsmark (RM) netto. Zusammen mit ihren Kindern lebte sie in der Bartelsstraße im Schanzenviertel. Am 29. März 1919 heiratete sie erneut. Ihr zweiter Ehemann war der nichtjüdische Schlachtermeister Wilhelm Völker, geboren am 18. Januar 1893 in Arnstadt/Thüringen. Am 29. Oktober 1920 kam Hermanns und Rosas Halbbruder Karl Heinz Völker zur Welt.
Rosa Hoffmann besuchte von April 1921 bis 1929 die Israelitische Töchterschule in der Karolinenstraße. Anschließend begann sie eine kaufmännische Lehre beim Mode-Kaufhaus Gebr. Robinson am Neuen Wall, die sie 1931 abschloss. Wegen der herrschenden Wirtschaftskrise konnte die Firma sie nicht mit einer ganzen Stelle übernehmen, doch bot sie ihr immer wieder monatsweise eine Beschäftigung an. 1934 trat Rosa in die Jüdische Gemeinde ein. 1935 brachen die Umsätze der Firma Robinson, deren Inhaber jüdisch waren, auf Grund von Boykottmaßnahmen stark ein. Das Unternehmen musste Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entlassen, darunter auch Rosa, die nun Arbeitslosenunterstützung erhielt. 1937 fand sie bei dem Tee- und Kaffeehandelshaus Walter Messmer zwar wieder eine Anstellung, doch lag das Gehalt von monatlich 50 RM unter dem Existenzminimum. Bereits Anfang 1936 war sie zur Untermiete in die Grindelallee 81 zu Abe gezogen. Ein Jahr später wechselte sie in die Heimhuderstraße 3e. Dort wohnte seit einiger Zeit bereits David Kellmann. Im April 1937 zogen beide zusammen in Rosas vorherige Unterkunft bei der Familie Abe in der Grindelallee. Am 22. September desselben Jahres heirateten sie, kurz nach der Geburt von Tochter Evi (deren Geburtsdatum in einigen Dokumenten falsch mit dem 29.9.1937 angegeben ist).
Durch ihre Heirat mit David Kellmann, der polnischer Staatsbürger war, erhielt Rosa die polnische Staatsangehörigkeit, und auch Evi galt fortan als Polin. Das sollte die Familie ihr Leben kosten. Nachdem die polnische Regierung im März 1938 angekündigt hatte, die Pässe im Ausland lebender Polinnen und Polen nicht zu verlängern, befürchtete die NS-Regierung, Tausende nunmehr staatenlose "Ostjüdinnen und -juden" würden auf deutschem Gebiet bleiben. Um das zu verhindern, ließ sie in der Nacht vom 28. auf den 29. Oktober 1938 ohne jede Ankündigung reichsweit etwa 17000 Polinnen und Polen festnehmen und per Bahn und LKW an den Grenzort Bentschen/Zbaszyn abschieben. Dazu gehörten auch Rosa, David und Evi Kellmann. In den Akten liest sich das für Rosa Kellmann so: "Durch Verfügung des Polizeipräsidenten in Hamburg vom 28.10.38 ist der Frau Kellmann, geb. Hoffmann, auf Grund des §5 der VO v. 22.8.38 der Aufenthalt im Reichsgebiet verboten worden."
Nach Aussagen von Rosas Halbbruder Karl Heinz und ihrer Mutter Henriette lebte die Familie nur kurze Zeit in Bentschen. Von dort wurde sie nach Warschau geschickt. In Briefen an Karl Heinz schilderte Rosa unter anderem, wie sie die Bombardierung Warschaus im September 1939 miterlebte. Von Warschau aus wurde die Familie Kellmann zunächst nach Zamosz und dann nach Piaski in der Nähe von Lublin gebracht, wo Rosa als jüdische Zwangsarbeiterin in der Wäscherei eines deutschen Lazaretts arbeitete. Bis 1942 standen ihr Halbbruder und ihre Mutter in brieflichem Kontakt mit ihr. Sie schickten Kleidung für sie und Evi sowie Lebensmittel, die Karl Heinz beschaffte. Er war als Zahlmeister-Assistent bei der Reederei Hamburg-Süd in Gotenhafen (Gdingen) dienstverpflichtet. Das letzte Paket an Rosa erhielt Karl Heinz im Frühjahr 1942 mit dem Vermerk "geöffnet im Interesse der Wehrmacht" zurück, ebenfalls zurückgekommene Briefe und Karten trugen den Stempel "Der höhere SS Polizeiführer im Wehrkreis Lublin". Damit war die direkte Verbindung abgerissen.
Karl Heinz hörte später, dass Lublin zu jener Zeit "aufgelöst" wurde. Von Überlebenden, die seine Halbschwester und ihre Familie kannten, erfuhr er, dass Rosa von ihrem Mann getrennt und mit Evi in das Vernichtungslager Treblinka gebracht worden war. Von dort kehrten beide nicht zurück. Was mit ihrem Mann David Kellmann geschehen war, ließ sich nicht klären. 1951 erklärte das Amtsgericht Hamburg Rosa, Evi und David Kellmann auf Ende 1945 für tot.
Rosas Bruder Hermann Hoffmann und seine Frau Lydia, geborene Boetzel, geboren am 12. Oktober 1912 in Hohensalza/heute poln.: Inowroclaw, wurden am 8. November 1941 nach Minsk deportiert. Lydia war zu der Zeit hochschwanger. Ihr Sohn kam im Getto Minsk zur Welt. Niemand von ihnen kehrte zurück.
Rosas Halbbruder Karl Heinz Völker überlebte, gehörte der Jüdischen Gemeinde Hamburgs bis zu seinem Tod 1998 an. Sein Vater Wilhelm, nichtjüdisch, starb am 25. August 1940 nach langer schwerer Krankheit in Geesthacht.
Rosas Mutter Henriette wurde 1942 in das Getto Theresienstadt deportiert. Sie überlebte und kehrte im Juni 1945 nach Hamburg zurück. 1950 heiratete sie noch einmal, ihr Mann hieß Sigmund Roth. Henriette Roth starb am 9. Juni 1967. Rosas Briefe an Henriette waren in Theresienstadt beschlagnahmt worden und dort verloren gegangen.
Stand: Juli 2017
© Hermann Völker/Peter Steckhan
Quellen: 1; 5; StaH 332-5 Standesämter 727 u. 1112/1967; StaH 332-5 Standesämter 3200 u. 778/1912; StaH 351-11 Amt für Wiedergutmachung 15119; Sammlung Völker, Geburtsurkunde Evi Kellmann; Heiratsurkunde Wilhelm Voelker; Völker: Familie; Meyer: "Das Schicksalsjahr 1938", in: Meyer (Hrsg): Verfolgung und Ermordung, S. 25.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".