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Bereits verlegte Stolpersteine



Bertha Polack * 1897

Großneumarkt 56 (Hamburg-Mitte, Neustadt)


HIER WOHNTE
BERTHA POLACK
JG. 1897
DEPORTIERT 1941
ERMORDET IN
MINSK

Weitere Stolpersteine in Großneumarkt 56:
Sella Cohen, Bertha Cohen, A(h)ron Albert Cohn, Thekla Daltrop, David Elias, Theresia Elias, Louisa(e) Elias, Helene Martha Fernich, Martha Minna Fernich, Camilla Fuchs, Siegmund Josephi, Robert Martin Levy, Hertha Liebermann, Fritz Mainzer, Elsa Nathan, Ruth Nathan, Siegfried Neumann, Fanny Neumann, Lieselotte Neumann, Mirjam Neumann, Max Leo Neumann, Therese Neumann, Bela Neumann, Josef Polack, Eva Samuel, Rosa Therese Weil, Bernhard Weil, Rosa Weinberg, Siegfried Weinberg

Bertha Polack, geb. am 12.10.1897 in Hamburg, deportiert am 8.11.1941 nach Minsk
Josef Polack, geb. am 20.11.1899 in Hamburg, deportiert am 8.11.1941 nach Minsk, weiterdeportiert 1942 nach Auschwitz

Großneumarkt 56

Die Geschwister Bertha und Josef Polack wurden in der elterlichen Wohnung in der ehemaligen Schlachterstraße 50 geboren. Ihre Eltern, der gelernte Schriftsetzer und spätere Händler Siegfried Polack (geb. 9.8.1862) und die Köchin Caroline Levy (geb. 13.3.1865) hatten am 19. Mai 1893 in Hamburg geheiratet. Bertha und Josef Polack waren die jüngsten ihrer sechs Kinder. Die älteren Schwestern Sara Senta und Marianne waren am 21. Oktober 1893 als Zwillinge zur Welt gekommen, ihnen folgten am 7. Dezember 1894 der Bruder Nathan Jakob und am 9. April 1896 Schwester Auguste.

Siegfried Polack starb im Israelitischen Krankenhaus am 5. April 1907 im Alter von nur 44 Jahren. Seine Witwe Caroline bezog mit ihren noch unmündigen Kindern eine Freiwohnung im benachbarten Hertz-Joseph-Levy-Stift, Großneumarkt 56. Nach einer Überlieferung lebten sie in einfachen, aber soliden Verhältnissen, ihren Haushalt führte Caroline Polack nach den jüdischen Speisegesetzen streng rituell.

Ihre Söhne erlernten nach ihrer Schulzeit handwerkliche Berufe, Josef wurde Bäcker, Nathan Dekorateur. Die Brüder nahmen am Ersten Weltkrieg teil und wurden offenbar beide schwer verwundet. Nathan verstarb am 12. Juli 1918 in einem Kriegslazarett in Mont-Notre-Dame bei Soissons. Josef geriet in französische Kriegsgefangenschaft und erhielt später eine kleine Invalidenrente, die ihm allerdings Anfang 1935 entzogen wurde. Nach dem Krieg fand er nur aushilfsweise Arbeit als Bäcker, so z.B. bei der Konsumgenossenschaft "Produktion". Nach einer überstandenen Magenoperation und einem Kuraufenthalt im Erholungsheim der Eduard und Adelheid Kann-Stiftung in Oberstedten am Taunus, fand er jedoch im Sommer 1933 einen Arbeitsplatz als Badewärter in einer Badeanstalt in Hamburg-Barmbek.

Seine Schwester Bertha hatte eine Ausbildung als Kontoristin und Stenotypistin absolviert. Einige Zeit betrieb sie unter dem Firmennamen Carl Balzer in der Büschstraße 1 eine "Lotteriekollekte" und arbeitete dann bis 1933 im Lotteriegeschäft von Paul Levin in der Königsstraße 14/16 (heute ein Teil der Poststraße). Dann konnte auch sie nur noch aushilfsweise eine Beschäftigung finden. Schwester Senta verlor aufgrund des "Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" am 30. Juni 1933 ihre Stellung als Kontoristin beim Arbeitsamt in den Großen Bleichen, wie alle Angestellte und Beamte, die keine "arische" Abstammung nachweisen konnten. Sie gab ihre Wohnung in der Breitestraße 142 in Altona auf und zog zu ihrer Familie am Großneumarkt zurück.

Anders als ihre Geschwister waren Marianne und Auguste zu diesem Zeitpunkt bereits verheiratet. Marianne hatte am 15. September 1922 den Kaufmann Aron Leopold Müller (geb. 1.8.1891 in Altona) geheiratet, ihre Schwester Auguste 1927 den Bäcker Max Theodor Rankenburg. Auguste erlebte die Machtübernahme der Nationalsozialisten nicht mehr, sie starb am 1. Oktober 1932 in ihrer Wohnung in der Tarpenbeckstraße 52.

Vier Jahre später, am 23. Juni 1936 starb auch Caroline Polack. Sie wurde, wie ihr verstorbener Mann und die Tochter Auguste, auf dem Jüdischen Friedhof Ilandkoppel in Ohlsdorf beerdigt.

Josef und Bertha bezogen mittlerweile Fürsorgeleistungen. Zudem übernahm Josef im März 1939 den Hauswartsposten im Hertz-Joseph-Levy-Stift, der vierteljährlich mit 80 Reichsmark vergütet wurde. Am 30. April 1939 wurde "das Gesetz über Mietverhältnisse mit Juden" erlassen; ohne gesetzlichen Mieterschutz konnte ihnen nun kurzfristig gekündigt werden. Dadurch veränderte sich auch die Wohnraumsituation im Hertz-Joseph-Levy-Stift. Die wohnlichen Verhältnisse wurden immer beengter, weil die Jüdische Gemeinde die gekündigten jüdischen Mieter unterbringen musste und nur auf eigenen Wohnraum in den Stiften zurückgreifen konnte.

Als die ersten Hausbewohner ihren "Evakuierungsbefehl zum Aufbau in den Osten" erhielten, war aus dem Stiftsgebäude bereits ein sogenanntes Judenhaus geworden. In seiner Funktion als Hauswart meldete Josef Polack am 24. Oktober 1941 den Tod seiner Nachbarinnen bei dem zuständigen Polizeirevier 34 am Großneumarkt 16. Die Schwestern Camilla Fuchs und Thekla Daltrop (s. dort) hatten sich einen Tag vor ihrer bevorstehenden Deportation nach Lodz entschlossen, freiwillig aus dem Leben zu gehen.

Josef Polack und seine Schwester Bertha erhielten ihre Deportationsbefehle nur wenig später für den nächsten Hamburger Transport am 8. November 1941 ins Getto Minsk, wo sich Bertha Polacks Spur verliert. Josef kam irgendwann im Jahre 1942 ins Vernichtungslager nach Auschwitz.

Dort wurde auch seine Schwester Senta ermordet. Sie hatte ihre Familie verlassen, als sie am 19. Mai 1939 den Stoffhändler Siegmund Pohle (geb. 16.10.1885 in Frankfurt am Main) heiratete. Der Sohn eines Beamten war bereits am 30. Juli 1940 an Leukämie verstorben. Eine zweite Ehe ging sie 1941 mit dem ebenfalls verwitweten Glaser Danny Siegfried Kohn (geb. 8.12.1885 in Wien) ein. Dessen erste Frau Elsa, geb. Rector (geb. 21.12.1880), war am 25. Juni 1934 in Hamburg verstorben. Senta und Danny Kohn wohnten zur Untermiete in der Rendsburgerstraße 14 bei dem Seemann Wiehl, bis sie 1942 zu dem Ehepaar Julie und Ludwig Baruch (s. dort) in das "Judenhaus", Schlachterstraße 46/47 ziehen mussten. Am 19. Juli 1942 wurden sie gemeinsam nach Theresienstadt deportiert und am 6. Oktober 1944 in Auschwitz ermordet. (Stolpersteine in der Rendsburgerstraße 14, s. Stolpersteine in Hamburg-St. Pauli).

Sentas Zwillingsschwester Marianne und deren Mann Aron Müller gelang es im Dezember 1938, ihre Kinder, Inge (geb. 5.4.1924) und Gerhard (geb. 20.5.1925) mit einem Kindertransport nach England in Sicherheit zu bringen.

Aron Müller floh am 15. August 1941, nach seiner Entlassung aus dem KZ Sachsenhausen und elf Monaten schwerer Zwangsarbeit, zu seinem Bruder Lazarus Siegmund Müller (geb. 5.11.1901) in die USA. Die Absicht, Marianne schnellstmöglich nachzuholen, konnte er nicht mehr realisieren. Am 6. Dezember 1941 wurde Marianne Müller mit ihrer Schwägerin Nanny Müller (geb. 29.9.1893) aus der gemeinsamen Wohnung im Hegestieg 12 nach Riga-Jungfernhof deportiert.

Für Nanny Müller liegt ein Stolperstein in der Helene-Lange-Straße 7. Aron Müller, durch die Verfolgungszeit gesundheitlich schwer geschädigt, starb am 21. August 1942 in Chicago.

Seine Mutter Minna Müller, geb. Engel (geb. 3.9.1862 in Röbel/Mecklenburg), wurde am 9. Juni 1943 nach Theresienstadt deportiert, wo sie am 18. Februar 1944 starb.


Stand: August 2018
© Susanne Rosendahl

Quellen: 1; 5; StaH 351-11 AfW 15336 (Müller, Marianne); StaH 351-11 AfW 13125 (Müller, Aron); StaH 351-11 AfW 15833 (Müller, Nanny); StaH 351-14 Arbeits- und Sozialfürsorger 1691 (Polack, Josef); StaH 351-14 Arbeits- und Sozialfürsorger 1692 (Polack, Bertha); StaH 351-14 Arbeits- und Sozialfürsorger 1693 (Pohle, Siegmund); StaH 332-5 Standesämter 6270 u 2571/1891; StaH 332-5 Standesämter 2813 u 575/1893; StaH 332-5 Standesämter 2317 u 3959/1893; StaH 332-5 Standesämter 2317 u 3960/1893; StaH 332-5 Standesämter 9093 u 2334/1893; StaH 332-5 Standesämter 2401 u 1273/1896; StaH 332-5 Standesämter 2433 u 3468/1897; StaH 332-5 Standesämter 13176 u 3732/1899; StaH 332-5 Standesämter 1024 u 262/1934; StaH 332-5 Standesämter 8168 u 401/1940; StaH 332-5 Standesämter 589 u 261/1907; Stein: Stiftung, S. 184.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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