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Paul Sternberg * 1902
Hegestraße 1 (Hamburg-Nord, Hoheluft-Ost)
1941 Minsk
Weitere Stolpersteine in Hegestraße 1:
Anni Dettmann, Paula Knopf
Paul Sternberg, geb. 30.5.1902 in Hamburg, am 18.11.1941 nach Minsk deportiert
Hegestraße 1
Paul Sternberg war der ältere Sohn von Leopold (19. Juli 1869 bis 30. Oktober 1941) und Auguste Sternberg, geborene Philipp (4. Juni 1878 bis 18. März 1930); sein jüngerer Bruder hieß Siegfried (22. April 1908 bis 8. Januar 1922). Aus der Kultussteuerkartei der Jüdischen Gemeinde ist ersichtlich, dass Leopold Sternberg, der aus Bromberg stammte, als Pfandleiher tätig war und zwischen 1914 und 1923 regelmäßig zur Steuer veranschlagt wurde, d. h. ein steuerpflichtiges Einkommen hatte. Die Familie lebte in jener Zeit am Wilhelmsplatz 5 in St. Pauli (heute Hans-Albers Platz) und zog später in die Agathenstraße 3, in das Nanny Jonas-Stift um.
Paul Sternberg war Angestellter bzw. Einkäufer in verschiedenen Firmen, u. a. bei Ephraim, Gumpel & Co., die im Im- und Export mit Spiel-, Eisen- und Kurzwaren tätig war.
In seinen Aufzeichnungen hat sich der Kaufmann Donat Wolf (geboren am 30. November 1902 in Hamburg, gestorben am 31. Juli 1984 in den USA) in einem Brief an seine Enkel an die Bekanntschaft mit Paul Sternberg erinnert. Seit dem 1. Juli 1936 hatte Wolf eine Anstellung bei Ephraim, Gumpel & Co., wo er mit Sternberg zusammenarbeitete:
"Bei Ephraim, Gumpel & Co. traf ich eine ganze Reihe sehr netter Leute, mit denen ich zusammenarbeitete und die ich noch immer in guter Erinnerung habe. Da war zum Beispiel ein junger Mann namens Paul Sternberg, mit dem ich sehr eng zusammenarbeitete und dem es unglücklicher Weise nicht gelang, aus Deutschland herauszukommen. Ich möchte erwähnen, dass einen Tag nachdem meinem Cousin die Firma weggenommen wurde, zwei Gestapo-Männer ins Büro kamen, wo er und ich zusammensaßen, und ihn fragten: ,Sind Sie Jude, Paul Sternberg?‘ Auf seine bejahende Antwort hin, nahmen sie ihn fest. Ich saß dort, unfähig etwas dagegen zu tun und wundere mich noch heute, dass sie mich nicht gleichzeitig mitnahmen."
Über die Zeit der "Arisierung" der Firma 1938/39 schrieb er weiter:
"So geschah es, dass Ephraim, Gumpel & Co. von jemandem übernommen wurde, der der Besitzer eines Weingroßhandels und ein alter Bekannter meines Vaters und meines ältesten Bruders war. Um eine reibungslose Übernahme des Unternehmens zu gewährleisten, mussten einige Angestellte dort bleiben und darunter waren Sternberg und ich.”
Paul Sternberg wurde, wahrscheinlich nach September 1938, von der Gestapo verhaftet, ins KZ Fuhlsbüttel in Hamburg und anschließend nach Sachsenhausen gebracht. Dort saß er als Häftling Nr. 008529 in Block 20 ein, bis er am 11. Januar 1939 wieder entlassen wurde. Danach wurde er bei der Jüdischen Gemeinde mit wechselnden Adressen geführt, in der Bogenstraße 15 bei Levisohn, der Schlachterstraße 40/42 im Marcus Nordheim-Stift und schließlich in der Hegestraße 1.
Am 2. Februar 1939 füllte er den "Fragebogen für Auswanderer" des Oberfinanzpräsidenten Hamburg aus. Er gab an, für den 17. Februar 1939 auf dem Dampfer "Cap Norte" für die Auswanderung nach São Paulo vorgemerkt zu sein. Er sei ledig und plane, allein nach Brasilien auszuwandern, wo er als Kaufmann und Vertreter tätig sein wolle.
Auslandserfahrung habe er vorzuweisen, da er in den Jahren 1930 und 1931 bereits aus beruflichen Gründen in Chile gewesen sei. Zu dieser Zeit wohnte er auf der Reeperbahn 95 als Untermieter bei Deeth.
Am 15. Februar 1939 erhielt Paul Sternberg die Unbedenklichkeitsbescheinigung für Auswanderer vom Oberfinanzpräsidenten Hamburg, die an die elterliche Adresse am Wilhelmsplatz 5 ging. Sie war bis zum 30. April 1939 gültig. Doch seine Abreise verzögerte sich, sodass Paul Sternberg seine Reservierung an Bord der "Cap Norte" nicht wahrnehmen konnte.
Aus einem Ermittlungsbericht der Zollfahndungsstelle Hamburg vom 21. Februar 1939 zum "Umzugsgut des Juden Paul Sternberg" ging hervor, dass die meisten von ihm aufgelisteten Gegenstände keine Bedenken seitens der Zollfahndungsstelle zur Mitnahme nach Brasilien auslösten, da sie in "gebrauchtem Zustande" seien. Jedoch wurde ihm nicht gestattet, Wertsachen und Schmuck mitzunehmen. Ein Ring, eine Krawattennadel, ein Paar Manschettenknöpfe aus Gold, eine silberne Taschenuhr, ein Zigarettenetui, ein Feuerzeug, zwei Gabeln, vier Esslöffel, ein Teelöffel und ein Becher sollten zurückbleiben.
Für seine bevorstehende Reise in tropische Regionen kaufte sich Paul Sternberg einen Leinenanzug und eine weiße Hose, ein Paar Leinenschuhe und einen Strohhut für zusammen 56,50 RM, für die er in gleicher Höhe eine Dego-Abgabe zu entrichten hatte. Eine Auflistung seines Umzugsgutes zeigt, dass er eine umfangreiche Garderobe mitnehmen wollte, sowie Haushaltsgegenstände, Bücher, eine Schreibmaschine und einen Photoapparat. Als gläubiger Jude hatte er auch zwei Samtbeutel für einen Gebetsmantel und für die Gebetsriemen aufgelistet. Jedoch verpasste Paul Sternberg aus unbekanntem Grund sein Schiff nach Südamerika.
Am 30. März 1940 schrieb Paul Sternberg an den Oberfinanzpräsidenten Hamburg:
"Gemäss beifolgender Abschrift der Hinterlegungsquittung habe ich heute bei der Neuen Sparkasse von 1864 die in meinem Besitz befindlichen Gold- und Silberwaren, soweit dieselben ablieferungspflichtig waren, in Depot gegeben, unter der Depot-Nr. 3221. Ich hoffe diese Gegenstände durch Einsendung eines entsprechenden Betrages in Devisen wieder auslösen zu können und bitte die Devisenstelle höflichst um der in Depot eingelegten Sachen. Hochachtungsvoll P. I. S. Darunter handschriftlich:
Abgeliefert an die Ankaufstelle lt. Schreiben Sparc. Von 1864 vom 24.6.40"
Am 18. November 1941 wurde er in das Getto nach Minsk deportiert, von wo er nicht zurückkehrte. In der Datenbank von Yad Vashem wurde von seinem Cousin Werner Philipp 1980 ein Gedenkblatt an Paul Sternberg hinterlegt.
Dem oben erwähnten Donat Wolf gelang, zusammen mit seinem Bruder, die Emigration. Seine Frau Olga und sein Sohn Dan kamen im Getto Riga ums Genehmigung zur vorläufigen Belassung Leben. An sie erinnern Stolpersteine am Eppendorfer Baum 10 (s. dort).
© Claudia García
Quellen: 1; 2; 4; 5; 8; StaH 314-15 OFP, Fvg 5895; StaH 522-1 Jüd. Gemeinden, 992e2 Band 3; Schriftl. Auskunft Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen vom 6.11.2008 AZ 2-10/5; Donat Wolf, "To my grandchildren Daniel and Jessica”, San Francisco, March 9th, 1977, deutsche Übersetzung von Johann-Hinrich und Lena-Maria Möller, Halstenbek 2004; UHH Musikwissenschaftliches Institut Hamburg, LexM, Personen, Donat Wolf: http://www.lexm.uni-hamburg.de/object/lexm_lexmperson_00001014 [Geladen am 04.06.2010].
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".