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Bereits verlegte Stolpersteine



Jettchen Moses (geborene Freund) * 1879

Bornstraße 32 (Eimsbüttel, Rotherbaum)


HIER WOHNTE
JETTCHEN MOSES
GEB. FREUND
JG. 1879
DEPORTIERT 1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 1944
AUSCHWITZ

Weitere Stolpersteine in Bornstraße 32:
Siegfried Moses

Jettchen Moses, geb. 18.9.1879 in Grebenau, am 15.7.1942 nach Theresienstadt deportiert, weiterdeportiert nach Auschwitz am 15. Mai 1944
Siegfried Moses, geb. 23.12.1870 in Hamburg, am 15.7.1942 nach Theresienstadt deportiert, dort am 1. 12.1942 verstorben

Bornstraße 32

20 von 25 Ehejahren wohnten Jettchen und Siegfried Moses in der Bornstraße 32. Als das Paar 1917 heiratete, war Siegfried Moses seit drei Jahren Witwer und Vater dreier Kinder.

Er war am 23. Dezember 1870 als Sohn der Eheleute Jacob und Betty Moses, geb. Schwabe geboren worden. Sein Vater war Händler. Über seine Kindheit und Jugend wissen wir nichts. Als Siegfried Moses Februar 1897 seine erste Ehefrau, die Putzhändlerin Clara Simon, geheiratet hatte, lebte er bei seinen Eltern im Haus Großer Neumarkt 1 a. Siegfried Moses` Berufsbezeichnung lautete ebenfalls Händler. Im Januar 1898 wurde die Tochter Jeannette geboren, benannt nach Claras verstorbener Mutter. Im Oktober 1899 folgte Sohn Ludwig, und im August 1903 kam eine weitere Tochter zur Welt, Hanna Hertha. Bis 1904 wohnte die Familie am Zeughausmarkt, ganz in der Nähe von Siegfrieds Elternhaus. Als Clara Moses im November 1914 im Israelitischen Krankenhaus starb, lebte die Familie am Eppendorfer Baum. Siegfried Moses führte inzwischen eine Schuhwaren-Agentur, die Kinder waren 16, 15 und elf Jahre alt. Von wem sie in den drei folgenden Jahren versorgt wurden, ist nicht bekannt.

Im Dezember 1917 heiratete Siegfried Moses die aus Grebenau in Hessen stammende Jettchen Freund. Sie war eines von zwölf Kindern des Viehhändlers Löb Freund und seiner Ehefrau Adelheit, geb. Stern. Ihre Schwester Hannchen lebte seit 1912 mit ihrem Mann Albert Halberstadt in Hamburg. Er war Vorsteher des Daniel Wormser Hauses, einer jüdischen Hilfseinrichtung für Durchwanderer und Obdachlose.

Acht Monate nach der Hochzeit, im August 1918 und damit kurz vor Kriegsende, fiel Siegfrieds Sohn, der inzwischen als Soldat für Deutschland kämpfte. Der "Kanonier" Ludwig Moses, noch keine 19 Jahre alt, war im zivilen Leben Kaufmannslehrling gewesen.

Zwei Jahre nach diesem Schicksalsschlag, im April 1920, brachte die nun 40-jährige Jettchen Moses in der Calmann’schen Klinik Johnsallee 68 einen Sohn zur Welt, der den Namen Ernst Ludwig Jacob erhielt. Er besuchte die nahe Talmud Tora Schule und war seit seinem 14. Lebensjahr Fußball-Jugendleiter des Sportbundes "Schild" im Reichsbund jüdischer Frontsoldaten.

Hanna Hertha Moses, seine ältere Halbschwester, war zur Israelitischen Töchterschule gegangen. 1928 trat sie zum evangelischen Glauben über und heiratete Karl Hans Cleff, ebenfalls evangelisch. Das Paar lebte in Wuppertal und hatte einen Sohn, der einziges Enkelkind von Jettchen und Siegfried Moses blieb.

Tochter Jeannette Moses arbeitete als Angestellte und lebte seit Mitte der 1920er Jahre zur Untermiete im Schulweg. Im Dezember 1930 zog sie nach Schweden, wahrscheinlich folgte sie ihrem späteren Mann, dem Hamburger Kaufmann Max Karl Gustav Warmbt, der bereits im April 1930 dorthin übergesiedelt war. Er gehörte der evangelisch-lutherischen Kirche an, und wie ihre jüngere Schwester konvertierte auch Jeannette. Im Mai 1933 wurde das Paar in Stockholm getraut, die Ehe blieb kinderlos.

In den folgenden Jahren besuchte Jeannette mindestens zweimal ihre Familie. Im November 1934 schrieb Jettchen Moses Schwägerin: "Zur Zeit ist Nettel hier aus Stockholm zu Besuch, sie fühlt sich dort mit ihrem Mann sehr glücklich und zufrieden ..." Und im März 1937: "Mit Nettels Besuch gestern hatten wir uns sehr gefreut, sie ist wirklich eine kluge, angenehme und tüchtige Frau ..." Jeannette Warmbt und ihr Mann nahmen 1938 die schwedische Staatsbürgerschaft an.

Siegfried Moses hatte 1920 ein Gewerbe als Kaufmann angemeldet. Infolge der judenfeindlichen Gesetze seit 1933 musste er große Auftragseinbußen hinnehmen. Die Familie zog 1937 – wahrscheinlich aus finanziellen Gründen – aus der Wohnung in der Bornstraße aus und lebte nun zur Untermiete, zuerst in der Gneisenaustraße 8 bei Sander, ab 1939 in der Heinrich-Barth-Straße 8 bei Jacobs. Auch die Zukunftspläne, die Siegfried Moses für seinen Sohn geschmiedet hatte, musste er aufgeben. Der hätte Jura und Handelsrecht studieren sollen. Nun aber konnte der Vater die Kosten für eine höhere Schulbildung nicht mehr aufbringen und Ernst Ludwig musste 1935 die Schule verlassen. "Um bald wirtschaftlich auf eigenen Füßen stehen zu können" absolvierte er eine kaufmännische Lehre in der Firma Louis Schröter und Co. Doch die Firma wurde 1938 "arisiert" und Ernst Ludwig nicht als Kaufmannsgehilfe übernommen. So wurde er erwerbslos und hatte keine Chance, als "Nichtarier" in Deutschland Arbeit zu finden. Er wollte es im Ausland versuchen. Am 15.10.1938 unterschrieb sein Vater eine Bescheinigung, dass er mit der Auswanderung seines noch minderjährigen Sohnes einverstanden war. Max Warmbt, der Schwager in Schweden, finanzierte die Flucht. Auf dem amtlichen "Fragebogen für Auswanderer" ist Kuba als Ziel angegeben. Ernst Ludwigs Tante Helene Freund schilderte die bedrückende Situation seiner Eltern: "Man macht sich natürlich über alles Gedanken, die einem auch den Schlaf rauben. Eine Misere löst die andere ab. Tante Jetty [ Jettchen Moses] ist auch sehr krank, sie hat scheinbar eine schwere Gallensache, vielleicht muss sie operiert werden ... Nun soll der Junge auch bald weg, jedenfalls erst nach Havanna (Cuba), er ist doch noch ein halbes Kind, der in die Welt hinaus muss."

Ernst Ludwig gelangte schließlich 1939 nach Trinidad, damals Britisch West Indien, und nicht nach Kuba. Dies ist wohl den Schwierigkeiten geschuldet, als Flüchtling überhaupt ein Aufnahmeland zu finden. Von 1940 bis 1943 wurde er auf der Karibikinsel als "feindlicher Ausländer" interniert und musste körperlich schwere "Pflichtarbeit" leisten.

Hanna Hertha Cleff, die jüngere Tochter Siegfried Moses`, musste seit 1939 in verschiedenen Wuppertaler Betrieben Zwangsarbeit leisten. Wie alle Jüdinnen und Juden musste sie stets eine Kennkarte bei sich tragen. Während ihres Arbeitseinsatzes bei der Metallwarenfirma Engels & Co. in Wuppertal-Wichlinghausen wurde sie am 4.8.1943 mündlich und einen Tag später schriftlich wegen "Arbeitsbummelei" denunziert und am 6. August 1943 festgenommen. Fast drei Monate saß sie im Gefängnis des Polizeipräsidiums ein, bis sie am 25. Oktober 1943 nach Auschwitz deportiert wurde. Dort wurde sie am 4. Dezember 1943 ermordet. Seit Dezember 2014 erinnert ein Stolperstein in der Lederstraße in Wuppertal an sie.

Siegfried Moses Gewerbe wurde am 31.12.1938 eingestellt. Wovon das Ehepaar nun den Lebensunterhalt bestritt, ist nicht bekannt. Es zog schließlich in das ehemalige Samuel Levy Stift in die Bundestraße 35. Das Gebäude wurde später als "Judenhaus" genutzt. Drei Jahre weiterer Demütigungen, Entrechtung und materieller Not folgten.

Am 15. Juli 1942 dann wurden Jettchen und Siegfried Moses, 62 und 71 Jahre alt, nach Theresienstadt deportiert, wo Siegfried Moses am 1. Dezember desselben Jahres starb.
Seine Frau überstand noch fast zwei Jahre im Getto, bis sie am 15. Mai 1944 nach Auschwitz transportiert und ermordet wurde.

Ernst Ludwig Moses wanderte 1946 in die USA ein, nach eigenen Angaben "gesundheitlich stark herabgekommen". Er blieb ledig und kinderlos. Im Jahr 1957 kehrte er nach Hamburg zurück, konnte hier aber nicht wieder Fuß fassen. Zehn Jahre später zog er nach Kanada, wo er 1991 verstarb.
Max Warmbt starb 1967 in Hamburg im Krankenhaus Beim Andreasbrunnen, vielleicht während einer Besuchsreise. Jeannette kehrte 1970 nach Hamburg zurück und starb 1978 in Rissen. Beide sind auf einem Friedhof in der Nähe von Stockholm begraben.

Stand Juli 2015
© Sabine Brunotte

Quellen: 1, 3, 5, 8; http://agora.sub.uni-hamburg.de Hamburger Adressbücher 1901–1904, Zugriff vom 11.8.2014; StaH 332-5 2886; StaH 332-5 1024; StaH 332-5 8047; StaH 332-5 705; StaH 332-5 5581; StaH 332-5 8716; Stah 332-5 705; StaH 332-5 2335; StaH 332-5 2455; StaH 332-5 13927; StaH 332-5 13176; StaH 332-5 10194; StaH 351-11 43350 AfW; StaH 351-11 1652 AfW; StaH 314-15 Fvg 7563; schriftliche Auskunft I. C., E-Mail vom 30.6.2014; Angaben zu Hanna Hertha Cleff, geb. Moses, von I. C. aus der Rede, die sie am 11.12.2014 bei der Stolpersteinverlegung für Hanna Hertha Cleff in Wuppertal gehalten hat; schriftliche Auskunft Riksarkivet Stockholm, E-Mail vom 31. Juli 2014; schriftliche Auskunft Armin Ziegler, Geschichts- und Museumsverein Alsfeld, vom 22.10.2014; schriftliche Auskunft Eric Brück, E-Mail vom 21.1.2015; Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz VIII. HA, C Nr. 471, 474 und 475; www.ancestry zu Ernst Ludwig Moses, Zugriff vom 11.7.2014.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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