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Bereits verlegte Stolpersteine



Max Israel * 1875

Trostbrücke 2–6 (Hamburg-Mitte, Hamburg-Altstadt)


MAX ISRAEL
JG. 1875
DEPORTIERT 1941
ERMORDET IN
MINSK

Weitere Stolpersteine in Trostbrücke 2–6:
Richard Abraham, Julius Adam, Julius Asch, Georg Blankenstein, Gustav Falkenstein, Ivan Fontheim, Henry Friedenheim, Albert Holländer, Gustav Heinrich Leo, Heinrich Mayer, Moritz Nordheim, Kurt Perels, Ernst Moritz Rappolt, Ferdinand Rosenstern, Walter Ludwig Samuel, Salomon Siegmund Schlomer, Ernst Werner, Heinrich Wohlwill, Alfred Wolff

Max Israel, geb. 11.1.1875 in Hamburg, deportiert am 18.11.1941 nach Minsk, dort ermordet
Helene Israel, geb. David, geb. 9.4.1886 in Hamburg, deportiert am 18.11.1941 nach Minsk, dort ermordet
Walter John Israel, geb. 20.5.1908 in Hamburg, 1933 geflohen nach Frankreich, 1940 verhaftet, vom Lager Gurs 1942 ins Lager Drancy und am 17.8.1942 nach Auschwitz deportiert, dort ermorde.
Regina Moses, geb. Israel, geb. 24.10.1877 in Hamburg, deportiert am 6.12.1941 nach Riga, ermorde.

Max Israel und Helene David heirateten im Winter, am 19. Januar 1906. Mehr als zwei Jahre später, im Mai 1908 brachte Helene einen Sohn zur Welt: Walter John. Er blieb das einzige Kind des Ehepaars.
Max Israel war seit 1900 als selbstständiger "Haus- und Assecuranzmakler" tätig und damit bei der Berufswahl generell seinem Vater gefolgt: Alexander Israel hatte seit 1872 als Fonds- und Wechselmakler gearbeitet. In jenem Jahr war die strenge Maklerordnung in Hamburg aufgegeben worden, wodurch dieser Beruf, theoretisch, jedem offen stand – Frauen grundsätzlich ausgenommen. Vorher hatte nur als Makler arbeiten dürfen, ob im Versicherungs- oder Immobilienbereich, wen die Maklerdeputation (vier Ratsherren, zwei Oberalte und sämtliche Mitglieder der Commerz-Deputation, der Vorläuferin der Handelskammer) persönlich wählte und beeidigte.

Sozialer Aufstieg

Als Max geboren wurde, hatten seine Eltern – seine Mutter hieß Emilie, geborene Levien – noch in der Langen Reihe in St. Georg gewohnt. Im Jahr nach seiner Geburt, 1876, waren sie in die Neustadt gezogen, in den Alten Steinweg. Hier kam auch Max’ Schwester Regine zur Welt. Sie war rund zweieinhalb Jahre jünger als er. Vom Alten Steinweg aus waren die Eltern dann erst ins Grindelviertel umgesiedelt und von dort aus nach Harvestehude. Damit gehörten sie zu dem großen Teil der Hamburger jüdischen Bevölkerung, die zwischen 1870 und 1930 aus der engen Alt- und Neustadt, wo bis 1871 noch drei Viertel aller Jüdinnen und Juden lebten, in die Gebiete vor dem Dammtor zogen – nach Harvestehude und in die alsternahen Teile Rotherbaums vor allem liberale und assimilierte Jüdinnen und Juden, die eher der Oberschicht angehörten, ins Grindelviertel eher orthodoxe Kleinbürgerinnen und -bürger. Generell war diese Binnenmigration in bessere Wohnviertel Ausdruck des wirtschaftlichen und sozialen Aufstiegs der Jüdinnen und Juden seit der Verabschiedung der neuen hamburgischen Verfassung 1860. Diese Verfassung gewährte ihnen liberale Freiheiten, darunter die volle Glaubensfreiheit sowie die Unabhängigkeit bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte vom Glaubensbekenntnis.
Bereits im Jahr 1900 starb Max’ und Regines Mutter Emilie Israel. Ihre Familie fand eine Grabstätte für sie auf dem jüdischen Friedhof an der Ilandkoppel. Die beiden – inzwischen erwachsenen – Kinder lebten weiter bei dem Vater im Grindelviertel, in der Heinrich-Barth-Straße 28. Alexander Israel heiratete nach dem Tod seiner Frau noch ein zweites Mal, die 1864 geborene Bella Weinheim. Beide bekamen zusammen keine Kinder.

Beruflicher Erfolg

Als Max heiratete, wohnte seine künftige Ehefrau Helene noch bei den Eltern, in der Hansastraße 64 in Rotherbaum. Ihre Mutter Laura Lea, geborene Levien, war Hausfrau, ihr Vater, Isaac Berend David, Eigentümer der Bank Bundheim & David. Nach der Heirat fanden Max und Helene Israel eine gemeinsame Wohnung in der Hansastraße 57 (heute Brahmsallee 19) in Rotherbaum. Im gleichen Jahr bezog Max ein Büro in den Großen Bleichen 76. Dreizehn Jahre lang blieb er dort, dann verlegte er es um die Ecke in die Königstraße – das heutige Stück der Poststraße zwischen den Großen und den Hohen Bleichen. Schon seit 1899 hatte er auch einen Sitz in der Börse, am Pfeiler 23 A. Außerdem trat er in die honorige, bereits 1517 gegründete Hamburger Kaufmannsversammlung Eines Ehrbaren Kaufmanns ein, aus der heraus 1665 die Commerz-Deputation, die Vorläuferin der Handelskammer, begründet und gewählt wurde. Und er wurde zum 1. November 1911 Mitglied der Patriotischen Gesellschaft.

Max Schwester Regine arbeitete als Lehrerin. Sie hatte schon rund vier Jahre vor ihrem Bruder geheiratet, den Apothekenbesitzer Alfred Moses. Dieser stammte aus Ottmachau in Oberschlesien, heute Otmuchów in der polnischen Woiwodschaft Oppeln. Im Jahr der Hochzeit trat er als Teilhaber in die "Gustav E. Meyer Apotheke" in der Reeperbahn 159 ein, die sein Bruder Paul bis dahin allein geführt hatte. Nach dem Tod des Bruders, der 1916 mit nur 47 Jahren starb, übernahm Alfred Moses die "Holsten-Apotheke" in der Holstenstraße 53. Zur gleichen Zeit zogen seine Frau Regine und er zusammen mit Paul Moses Witwe Elise in die Isestraße 55. Zwölf Jahre später, 1928, starb auch Alfred im Alter von 56 Jahren. Als Lehrerin konnte seine Frau Regine die Apotheke an der Holstenstraße selbst nicht weiterführen. Sie verkaufte sie jedoch nicht, sondern verpachtete sie.

Enger werdende Räume

Max und Helene Israels Ehe war nicht glücklich und schließlich trennten sie sich. Ihr gemeinsamer Sohn Walter John hatte eine Ausbildung zum kaufmännischen Angestellten bei Hirsch & Co. absolviert und sich mit der aus Samter (heute Szamotuły in Polen) stammenden, sieben Jahre älteren Sophie Heimannsohn angefreundet. Sie arbeitete als Sekretärin und Stenotypistin. Beide verließen Hamburg 1929 und zogen nach Berlin, wo sie bei den Victoria-Mühlenwerken, einer großen Getreidemühlenanlage nahe der Oberbaumbrücke, eine Beschäftigung fanden. In der Geschäftsleitung der Firma saß ein Cousin von Walter aus der Familie seiner Mutter, Willy David.

Dann kam der 30. Januar 1933 und die Machtübergabe an die Nationalsozialisten. Fast direkt danach verloren Sophie und Walter aus" rassischen Gründen" ihren Arbeitsplatz. Walter kehrte daraufhin für kurze Zeit nach Hamburg zurück – er wohnte jedoch nicht bei seinem Vater, sondern bei seiner Tante Regine in der Isestraße 55. Bereits wenige Wochen später emigrierte er aus Hamburg nach Frankreich, zunächst nach Marseille, wo er Sophie wieder traf. Beide heirateten dort am 15. Dezember 1936.
Im gleichen Jahr hatte Max’ Schwester Regine Moses ihre Apotheke bereits einem nichtjüdischen Pächter übergeben. Als die Hamburger Nationalsozialisten 1938 noch einmal die Verdrängung der Jüdinnen und Juden aus dem Wirtschaftsleben forcierten, musste sie sie ganz verkaufen. Der bisherige Pächter und Parteigenosse Max Machaczek sollte sie für 148.000 Reichsmark erwerben. Kaufverträge zwischen jüdischen und nicht jüdischen Partnern mussten vom NSDAP-Gauwirtschaftsberater genehmigt werden, wobei dieser eigenständig abgeschlossene Verträge oft ablehnte – vor allem um bestimmte Parteigenossen zu bevorzugen und sich deren bedingungsloser Gefolgschaft zu versichern. Auch der Vertrag zwischen Regine Moses und Max Machaczek wurde nicht genehmigt. Machaczek musste die Apotheke, vermittelt durch den Drogerienmakler Otto Beckering, dem Apotheker Hans Lafrenz übergeben. Dies hatte zur Folge, dass Regine Moses für ihre Apotheke keinen einzigen Pfennig bekam – ein weiteres Beispiel für das perfide Vorgehen zur wirtschaftlichen Existenzvernichtung der Jüdinnen und Juden durch die Nationalsozialisten. Außerdem musste sie rund 25.000 Reichsmark "Judenvermögensabgabe" zahlen.
Sie hatte zu der Zeit bereits die Wohnung in der Isestraße verlassen und wohnte in der Oderfelderstraße 25. Von dort zog sie in die Haynstraße 7.

Verfolgung und Vernichtung

Max Israel war bereits 1934 wieder in die Neustadt zurückgekehrt. Er hatte dort eine kleine und günstigere Wohnung in der Poolstraße 36 gefunden. Im Jahr darauf wurde er aus der Patriotischen Gesellschaft ausgeschlossen – gemäß dem Vorstandsbeschluss vom 24. September 1935 war er dort ohne "Ariernachweis" nicht mehr erwünscht. Der Zusatz "Mitgl. E.K." (Mitglied eines Ehrbaren Kaufmanns) findet sich dagegen bis 1940 in seinem Eintrag im Hamburger Adressbuch. Dabei schloss auch dieser traditions- und einflussreiche Hamburger Verein seine jüdischen Mitglieder aus – im Jahr 1938, weil er sich im Zuge einer Verordnung des Reichswirtschaftsministeriums über den Ausschluss der Juden von der Börse angeblich dazu gezwungen sah.

1940 musste Max Israel aus der Poolstraße in das "Judenhaus" in der Dillstraße 15 umsiedeln. Das Gebäude gehörte seit 1903 der Zacharias und Ranette und Simon und Mathilde Hesse Stiftung, die 1939 in die Reichsvereinigung der Juden in Deutschland eingegliedert worden war.
Max’ von ihm getrennt lebende Frau Helene hatte bereits länger zur Untermiete gewohnt und in kurzen Abständen ihre Unterkunft gewechselt. 1939 bewohnte sie ein Zimmer bei der jüdischen Schneiderin Frieda Eller in der Haynstraße 12, in direkter Nachbarschaft zu ihrer Schwägerin Regine Moses. Von dort aus musste sie in das "Judenhaus" in der Bogenstraße 25 ziehen.

Der gemeinsame Sohn Walter John Israel war um 1939 von Marseille nach Paris gegangen, hier fand er eine Beschäftigung als Reisender bei Joseph Brumlik in der rue Saint Marc, 8. Nach der Besetzung des Nord- und Westteils Frankreichs durch die deutsche Wehrmacht am 14. Juni 1940 wurde er in Paris von der Gestapo verhaftet. Sie brachte ihn zusammen mit anderen Jüdinnen und Juden, die aus Deutschland nach Paris geflohen waren, zunächst in das Internierungslager in Gurs, nordöstlich der Pyrenäen. Anfangs musste ein Teil der Gefangenen in den Baracken auf dem nackten Erdboden schlafen, später durften sie sich einen Sack mit Stroh als Unterlage füllen. Dabei hatte jeder nicht einmal 80 Zentimeter Platz für sich. Es herrschten Hunger, katastrophale hygienische Bedingungen und Krankheit, täglich starben im Durchschnitt sieben Menschen. Von Gurs aus erlitt Walter John Israel eine Schreckensfahrt durch weitere Lager, unter anderem wurde er in das südwestfranzösische Les Milles gebracht, über das Lion Feuchtwanger, der dort 1940 interniert war, später schrieb: "(...) am schwersten erträglich im Lager war mir, daß man niemals mit sich allein sein konnte, daß immer, Tag und Nacht, bei jeder Verrichtung, beim Essen und Schlafen und bei der Entleerung, hundert Menschen um einen waren, schwatzende, lachende, schreiende, seufzende, weinende, schwitzende, sich säubernde Menschen. Ja, jede Verrichtung geschah in der größten Öffentlichkeit, und selbstverständlich spürte keiner die geringste Scham vor dem anderen."
Das Vichy-Regime hatte den Nationalsozialisten zugesichert, 10.000, überwiegend deutsche und österreichische Juden auszuliefern. Das geschah im August und im September 1942. Von Les Milles aus wurden 2.000 Jüdinnen und Juden in fünf Zügen zunächst in das Sammellager Drancy bei Paris gebracht. Darunter war auch Walter John Israel. Von Drancy aus brachte man ihn am 17. August 1942 mit dem Transport Nr. 20 nach Auschwitz.

Bereits am 18. November 1941 waren Helene und Max Israel von Hamburg aus nach Minsk und Max’ Schwester Regine am 6. Dezember 1941 von Hamburg aus nach Riga-Jungfernhof deportiert worden. Niemand von ihnen überlebte.

Stand Juli 2015
© Frauke Steinhäuser

Quellen: 1; 4; 5; 8; StaH 332-5 Standesämter 1913 u. 5011/1877, 748 u. 413/1916, 8093 u. 174/1928, 2126 u. 1839/1886, 8644 u. 10/1906, 8610 u. 484/1901; StaH 351-11 Amt für Wiedergutmachung 33580, 3278, 25337, 55116; Ausschluß von Juden aus dem Reg. E. E. K. u. Eintragungen von Mischlingen in das Reg. E. E. K., Akte Nr. 505/39; Silke Ammerschubert, Frankreich, in: Enzyklopädie des Nationalsozialismus, S. 467 f.; Feuchtwanger, Teufel in Frankreich, S. 40; Siefken, Jüdische und paritätische Stiftungen, S. 132 Subskriptionsbuch S. 222 (Archiv der der Patriotischen Gesellschaft von 1765); Hamburger Adressbücher; Pharmaceutische Zeitung, Nr. 70 v. 31.8.1901; Roß, Ausschluss der jüdischen Mitglieder; Verein Hamburger Hausmakler, www.vhh-hamburg.de/index.php/historie-derhausmakler (letzter Zugriff 2.1.2014); Ortwin Pelc, Neustadt, www.dasjuedischehamburg.de/inhalt/ neustadt (letzter Zugriff 3.1.2014); Sielke Salomon, Grindelviertel, www.dasjuedischehamburg.de/inhalt/grindelviertel (letzter Zugriff 3.1.2014); Walter Israel, Mémorial de la Shoah, http://bdi.memorialdelashoah.org/internet/jsp/core/MmsRedirector.jsp?id=23680&type=VICT IM (letzter Zugriff 20.1.2014); E-Mail von Jérome Darmon, Mémorial du Camp de Rivesaltes, 10.6.2014; E-Mail von Anne Goulet, Conseil général des Pyrenées-Atlantique, DGA de la Jeunesse, de la Culture et du Sport (Archives du Camp de Gurs), 16.6.2014.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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