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Max Rosenbaum * 1882
Bartelsstraße 76 (Hamburg-Mitte, Sternschanze)
HIER WOHNTE
MAX ROSENBAUM
JG. 1882
VERHAFTET 1941
KZ FUHLSBÜTTEL
DEPORTIERT 1941
LODZ / LITZMANNSTADT
ERMORDET 28.3.1942
Weitere Stolpersteine in Bartelsstraße 76:
Martha Hauptmann, Hermann Hauptmann, Edith Rosenbaum, Mathel Rosenbaum
Max Rosenbaum, geb. 25.8.1882 in Bremen, am 25.10.1941 nach Lodz deportiert, 28.3.1942 dort ermordet
Bartelsstraße 76 (Eimsbüttel)
Max‘ Eltern, der Handelsmann und Geschäftsreisende Bernhard Rosenbaum (1849-1936) und Rosa Rosenbaum, geb. Aron (1851-1942), hatten im Dezember 1872 in Altona in der Hochdeutsch-Israelitischen Gemeinde geheiratet. Nach der Geburt ihrer Kinder Jenny (geb. 11.9.1874 in Altona), Bertha (geb. 11.11.1875 in Altona) und Samuel "Siegmund" (geb. 12.11.1876 in Altona) zog die Familie für einige Jahre nach Bremen. Hier wurden ihre Kinder Henriette "Henny" (geb. 16.6.1878), Eduard (geb. 2.8.1880) und Max (geb. 25.8.1882) geboren. 1885 kehrte die Familie in die preußische Stadt Altona zurück und lebte dort rund 20 Jahre. Für den Zeitraum bis 1892 sind keine Altonaer Meldeunterlagen erhalten geblieben. Später wohnte die Familie in der Großen Rosenstraße 43 II. Stock (1892-1894), Adolfstraße 110 (1894-1898), Juliusstraße 33 II. Stock (1898), Schulterblatt 36 II. Stock (1898-1903) und Friedenstraße 73 I. Stock (1903-1909). Häufig waren es Untermietverhältnisse, was auf ein geringes Einkommen verweist und beengte Wohnverhältnisse bedeutete.
Die meisten Geschwister zogen nach ihrer Heirat aus der elterlichen Wohnung in Altona aus: Jenny 1899, Samuel 1904, Eduard 1905 und Bertha 1908. Die Eltern und die Schwester Henriette wechselten 1909 von Altona nach Hamburg, wohin der Bruder Samuel schon 1904 nach seiner Heirat verzogen war. Während des Weltkrieges heiratete 1916 auch die Schwester Henriette.
Max Rosenbaum, über dessen Kindheit und Schulbildung wir nichts wissen, arbeitete als Erwachsener wie sein Vater und seine Brüder Samuel und Eduard als selbständiger Vertreter auf Provisionsbasis. Damit bezog er kein festes Gehalt und war auf die Qualität der Produkte, sein Verkaufsgeschick sowie die allgemeine Wirtschaftslage angewiesen. Handlungsreisende mussten zu dieser Zeit eine Legitimationskarte mit Passbild bei sich führen, auf der die Produkte standen, mit denen sie Handel trieben.
Max Rosenbaum, der keine Mittlere Reife hatte, musste zwei Jahre bei der Kaiserlichen Armee "aktive Dienstpflicht" leisten (für Realschüler und Abiturienten reduzierte sich diese Pflicht auf ein Jahr). Seinen Militärdienst leistete er von Oktober 1903 bis Oktober 1905 in Kiel beim Infanterie-Regiment 85 ab. Er wurde im Oktober 1905 als Landsturmmann nach Hamburg entlassen. Seine Einheit war fortan zusammen mit seinem einfachen militärischen Dienstgrad eine Art zusätzliche "Visitenkarte" seines gesellschaftlichen Status. Sein Bruder Eduard hatte 1901 seinen zweijährigen Militärdienst beim Infanterie-Regiment 163 in Neumünster angetreten.
Im Altonaer Melderegister war als Aufenthaltsort von 1906 bis 1907 eine einjährige Gefängnisstrafe in Glückstadt verzeichnet. Auch in den folgenden Jahrzehnten befasste sich die Justiz einige Male mit Max Rosenbaum.
Seit 1910 wohnte Max Rosenbaum in der Lohmühlenstraße 76 III. Stock in Altona (heute Esmarchstraße) bei seinem verheirateten Bruder Eduard Rosenbaum (1880-1938), dessen Ehefrau und den vier Kindern. Eduards Ehefrau Sophie stammte aus Altona, war nicht jüdisch und gelernte Schneiderin. Eduard Rosenbaum arbeitete als selbständiger Händler mit Textilwaren und wohnte seit 1906 mit seiner Ehefrau in der Lohmühlenstraße.
Max Rosenbaum heiratete im Juli 1912 in Altona die nicht jüdische evangelisch-lutherische Buchbinderin Martha Kunze (geb. 1887 in Altona), mit ihr hatte er bereits drei Töchter, die 1909 bis 1911 geboren worden waren. Martha Kunze wohnte zum Zeitpunkt der Eheschließung in der Eimsbütteler Chaussee 89 Haus 1 Parterre zur Untermiete.
Die fünfköpfige Familie Rosenbaum wohnte seit Februar 1913 in der Düppelstraße 37 I. Stock (Eimsbüttel).
Rund zehn Jahre nach seinem Militärdienst musste Max Rosenbaum sich im Zuge der Kriegsmobilisierung vom August 1914 wieder bei seinem Regiment einfinden. Das Infanterie-Regiment 85 wurde während des Ersten Weltkriegs an der Westfront eingesetzt. Dort war er als Arbeitssoldat in der Arbeiterabteilung eingesetzt. In diese militärische Formation wurden Soldaten nach einer Militärhaft überstellt. Im April 1917 wurde bei seinem Lazarett-Aufenthalt in Maubeuge neben seinem Dienstgrad Landsturmmann auch "Untersuchungsgefangener" vermerkt. Als er im Mai 1918 in das Reservelazarett Lager Munster kam, lautete der Eintrag unter Dienstgrad bereits "Militärgefangener", seine Einheit war das "Kommando der Militär-Gefangenen". Als Ersatztruppenteil wurde das Landsturm Infanterie Ersatz-Bataillon IV/18, 4. Kompanie (Halle) vermerkt. Laut Eintrag in der rund 20 Jahre später erstellten Akte der Arbeits- und Sozialfürsorge musste er wegen "Fahnenflucht" zwei Jahre Festungshaft verbüßen, als Aufenthaltsort wurde "Ehrenbreitstein" vermerkt, wo auch Militärangehörige und Zivilisten Festungshaft und Festungsarrest absitzen mussten. Konkrete Jahresangaben oder Quellen hierzu finden sich in der Akte nicht. Allerdings wurde in der Akte auch ein Ehrenkreuz für Frontkämpfer von Max Rosenbaum vermerkt, das ab 1934 auf Antrag an Teilnehmer des Ersten Weltkrieges verliehen wurde.
Die wirtschaftlichen Probleme im Hause Rosenbaum betrafen mehrere Personen und Generationen. Max Rosenbaums Vater verfügte weder über eine Rente noch über Rücklagen oder eine Krankenversicherung, er war mit 64 Jahren zusammen mit seiner Ehefrau in ein Wohnstift gezogen und ab 1922 mit 73 Jahren auf Unterstützung des Wohlfahrtsamtes Hamburg angewiesen. Das Amt prüfte zuvor, inwieweit seine Kinder ihn unterstützen könnten, meinte aber zur wirtschaftlichen Lage seiner Söhne "alle drei (…) leben kümmerlich". Die 1923 zu Max Rosenbaum in der Akte notierte Berufstätigkeit lautete "Agent für Spirituosen, Vermittler für verschiedene Firmen". Aufgrund seiner geringen Einnahmen zahlte er von 1934 bis 1939 keine Kultussteuer an die Jüdische Gemeinde. 1936 arbeitete er ein halbes Jahr als "Provisionsvertreter" beim Versandhaus Ziech (Steindamm 142) und bot Musterkollektionen an.
Mit Max Rosenbaums Gesundheit stand es nicht zum Besten. Das Universitäts-Krankenhaus Eppendorf (Oktober 1935) und die "Fürsorgestelle II c für Lungenleidende, Bismarckstr. 79" (Februar 1938) diagnostizierten Lungen- und Atembeschwerden. Die Fürsorgestelle empfahl, "Herrn R. nur für Arbeit in geschlossenen Räumen oder für Arbeiten als Aufseher, Bote etc. zu verwenden." Im August 1937 meldete sich Max Rosenbaum bei der Wohlfahrtsstelle und beantragte Wohlfahrtsunterstützung (Wolu). Die staatliche Einrichtung stellte fest, dass Max Rosenbaum als "nicht arbeitsfähig anzusehen" sei und gewährte ab September 1937 eine wöchentliche Unterstützung von 11,20 RM.
Das NS-Regime erließ im September 1935 das "Reichsbürgergesetz" sowie das "Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre". Eheschließungen und außereheliche Beziehungen zwischen Juden und "Ariern" standen nun unter Strafe und galten als "Rassenschande". Aufgrund seines jüdischen Familienhintergrundes wurde die Familie von Max und Martha Rosenbaum vom NS-Staat nicht mehr als Teil der rassisch gedachten "Volksgemeinschaft", sondern als "Rassenmischehe" angesehen. Gleichzeitig wurde dem nichtjüdischen Ehepartner – meist der Frau – eine Scheidung und die Rückkehr in die "Volksgemeinschaft" nahegelegt.
Im Frühjahr 1937 waren Max und Martha Rosenbaum als Versicherungsagenten beim Deutschen Herold (Glockengießerwall 17) beschäftigt, wurden aber schon nach wenigen Monaten, offiziell wegen zu geringer Aufträge, entlassen. Max Rosenbaum war schon einmal um 1930 für einige Zeit bei der Nordwestdeutschen Versicherungsanstalt (Nova) für Handwerk, Handel und Gewerbe in Hamburg (Neue Rabenstraße 19-20) tätig gewesen.
Im zweiten Halbjahr 1937 kam es bei Rosenbaums zu einer schweren Ehekrise. Martha Rosenbaum zeigte ihren Ehemann am 31. Juli 1937 bei der Staatspolizei wegen eines Verhältnisses zu einer nichtjüdischen verheirateten Frau an. Hierfür hatte der NS-Staat 1935 den Straftatbestand der "Rassenschande" geschaffen, der mit schweren Strafen geahndet wurde. Im September 1937 reichte Martha Rosenbaum Scheidungsklage ein, darauf antwortete Max Rosenbaum mit einer Gegenklage. Er beschuldigte seinerseits die Ehefrau des Ehebruchs sowie der Bedrohung mit einem Messer gegen ihn und Verstoßes gegen die eheliche Treuepflicht durch die Anzeige bei der Staatspolizei. Das Landgericht Hamburg hielt die Zeuginnen der Klägerin für unglaubwürdig, die Aussagen der angeblichen Ehebrecherin hingegen für glaubwürdig und wies Klage und Gegenklage Ende November 1937 ab. Gegen dieses Urteil legten beide Parteien Berufung beim Hanseatischen Oberlandesgericht ein.
Max Rosenbaum zog im August 1937 aus der gemeinsamen Wohnung in Eimsbüttel aus und suchte sich ein möbliertes Zimmer zur Untermiete im Stadtteil Rotherbaum in der Dillstraße 6 Hochparterre für wöchentlich 4,25 RM bei dem selbständigen Verlagsvertreter Alfred Alexander (geb. 11.1.1893 in Hamburg). Der Vermieter konnte von der Provision seiner Annoncen-Akquisen allein nicht leben und war sowohl auf die Vermietung von zwei Zimmern seiner 4-Zimmer-Wohnung als auch Zahlungen der Fürsorge angewiesen.
Mitte Dezember 1937 erstattete der Stiefvater seiner Ehefrau bei der Hamburger Kriminalpolizei Anzeige gegen ihn. Darin beschuldigte er Max Rosenbaum unrechtmäßig Wohlfahrtsunterstützung bezogen, eine Uhr gestohlen und anderes. Für den 3. Januar 1938 erhielt der Beschuldigte eine Vorladung bei der Kriminalpolizei. Das Amtsgericht verurteilte ihn am 19. Januar 1938 wegen Unterschlagung einer Damenarmbanduhr seines Arbeitgebers Wäschefirma/ Versandhaus Ziech zu drei Wochen Gefängnis. Die Anschuldigung bezüglich der unrechtmäßig erhaltenen Sozialhilfe wurde von der Wohlfahrtsstelle als bewusst falsche Behauptung entlarvt.
Im Februar 1938 wurde die Ehe auf Betreiben von Max Rosenbaums nichtjüdischer Ehefrau geschieden. Die drei Richter des Oberlandesgerichts sahen Max Rosenbaums mehrmaligen geschäftlichen Kontakt zu einer nichtjüdischen Frau bereits als "grobe Eheverfehlung" an. Aus einigen Treffen wegen des Ratenkaufs einer Nähmaschine, der Vermittlung einer Versicherung sowie der Unterstützung bei der Stornierung eines Wäschekaufs wurde von den Oberlandesgerichtsräten Dr. Melchior von der Decken, Dr. Johannes Thomsen und Dr. Walter Seeburg ein enger freundschaftlicher Kontakt konstruiert. "(…) er hat den persönlichen Verkehr mit ihr geradezu gesucht, obgleich er als Jude allen Grund zur Zurückhaltung hatte." Einen deutlichen Seitenhieb an die Ehefrau konnten sich die Richter als Wahrer der nationalsozialistischen Rassenideologie nicht verkneifen: "(…) Hiernach muss es allerdings verwunderlich erscheinen, wenn die arische Klägerin, die nach fünfundzwanzigjähriger Ehe mit einem Juden keinen Anspruch auf Rassegefühl machen kann, an den Beziehungen ihres Mannes zu einer Arierin so schwer Anstoß nimmt, daß sie ihn wegen Rassenschande anzeigt. (…) Mag daher die Klägerin gegen die eheliche Treuepflicht verstoßen haben, so hat sie doch andererseits, wenn vielleicht auch unbewußt, im öffentlichen Interesse gehandelt." Martha Rosenbaum nahm im Mai 1938 ihren Mädchennamen wieder an.
Auch in der Fürsorgeakte von Max Rosenbaum findet sich ein abfälliger Kommentar eines anscheinend nationalsozialistisch gesinnten Beamten der Wohlfahrtsstelle vom Januar 1938: "Rosenbaum hat diese Frau 1912 geheiratet, als sie schon 3 uneheliche Kinder von ihm hatte. Es besteht hier doch der Eindruck, daß die Ehefrau alles gutgeheißen hat, solange sie mit dem Mann zusammenlebte. Im Juli vorigen Jahres hat sie mit ihm noch silberne Hochzeit gefeiert. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß notwendig gewordene Maßnahmen unserer Regierung Frau R. jetzt gerade gut genug sind, um sie gegen den Ehemann in seiner Rassenzugehörigkeit als Jude auszuspielen. Es ist ein unsauberes Pärchen. Nach einer Aktennotiz hat R. 2 Jahre 10 Tage Festung wegen Fahnenflucht verbüßt oder ist dazu verurteilt worden. Näheres ergibt Akteneinsicht." Diese pauschale Ablehnung beider Eheleute entsprach nicht ganz der Position des NS-Staates. Die NSDAP war an einer Auflösung von Verbindungen jüdischer und nichtjüdischer Ehepartner interessiert. Ihr Ziel war in dieser Herrschaftsphase die vollständige Trennung der deutschen Gesellschaft in "Arier" und Juden.
Durch die Scheidung war Max Rosenbaum der ab Dezember 1938 vom NS-Regime zugebilligte Status einer "privilegierten Mischehe" für solche Ehepaare mit nichtjüdisch erzogenen Kindern verwehrt geblieben. Die gesellschaftliche und rechtliche Ausgrenzung im NS-Staat nahm für Max Rosenbaum nun weiter zu. Nach dem Novemberpogrom 1938 verhaftete die Gestapo reichsweit Juden. Auch der Vermieter seines Zimmers, Alfred Alexander, wurde am 9. November 1938 in das Konzentrationslager Sachsenhausen verschleppt; im März 1941 emigrierte er mit seiner Ehefrau über Russland und Japan in die USA. Im Gegensatz zu seinem Hauptmieter wurde Max Rosenbaum nicht inhaftiert.
Auch 1938/1939 arbeitete Max Rosenbaum in seinem Beruf. Er wurde im September 1938 bei der 1919 gegründeten Firma Max Markus (Königstraße 48, Klopstockhaus) als Provisionsvertreter eingestellt und erhielt 10% Provision vom Verkaufspreis der Raucherartikel, ein festes Gehalt bezog er nicht. Der Inhaber Max Markus (geb. 19.10.1888 in Lüneburg) emigrierte im Januar 1940 in die USA. Im ersten Halbjahr 1939 arbeitete Max Rosenbaum als "Reisender" (Vertreter) für Firma Bruno F. D. Simon (Königstraße 21/23), Großhandel mit Raucherartikeln und Lederwaren sowie Handelsvertretungen, und erzielte pro Woche durchschnittlich 25 RM brutto/ 20 RM netto.
Im März 1939 heiratete Max Rosenbaum erneut. Seine Ehefrau war die jüdische Berliner Kürschnertochter Edith Lachotzki, die 1918 den Hamburger Bäcker Siegmund Hauptmann (1893-1969) geheiratet hatte und 1926 von ihm geschieden worden war. Trauzeugen waren 1939 zwei Geschwister von Max Rosenbaum: Samuel Rosenbaum und Henriette Pick, geb. Rosenbaum. Im Februar 1940 kam das gemeinsame Kind zur Welt. Die zweite Ehe von Max Rosenbaum wurde im März 1941 auf sein Betreiben und auch mit ihm als schuldigem Teil wieder geschieden. Ein halbes Jahr nach der Geburt des Kindes, im August 1940, war er bereits aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen und wohnte für monatlich 23,50 RM in der Rutschbahn 15 Parterre bei dem erwerbslosen Friseur David Levin (geb. 5.8.1869 in Kiel) und dessen zweiter Ehefrau Martha Levin, geb. von der Porten (geb. 13.3.1891 in Hamburg). Max Rosenbaum stellte zeitgleich mit seinem Auszug aus der gemeinsamen Wohnung einen Antrag auf "Armutsattest". Edith Rosenbaum blieb mit ihrem wenige Monate alten Baby in der Wohnung Bartelsstraße 76 Haus C Parterre. Sie wurde von ihren beiden Kindern aus erster Ehe, die bei ihr wohnten, Feinmechaniker Hermann Hauptmann mit 22 RM wöchentlich und Putzmacherlehrling (bei Hermann Hammerschlag, Neuer Wall 52) Martha Hauptmann mit 10 RM wöchentlich, finanziell unterstützt. Max Rosenbaum musste für sein Kind monatlich 9,75 RM an Unterhalt zahlen.
Die Wohlfahrtsstellen des NS-Staates verschärften ihr Vorgehen gegen jüdische Empfänger von Unterstützungsleistungen. Ein geheimer Erlass vom Dezember 1938 verfügte den zwangsweisen Arbeitseinsatz ("Unterstützungs-Arbeit") erwerbsloser Juden durch die Arbeitsämter. Seit April 1939 musste der Jüdische Religionsverband, wie sich die jüdische Gemeinde inzwischen nennen musste, die an Juden gezahlten staatlichen Wohlfahrtsleitungen der Hamburger Sozialverwaltung erstatten. Ab November 1939 dann musste sie hilfsbedürftige Jüdinnen und Juden eigenständig versorgen, sie waren fortan von der öffentlichen Fürsorge ausgeschlossen.
Nach zehn Tagen als Gartenarbeiter bei F. G. Sundermann & Sohn (Menckesallee 13), die am 24. Dezember 1940 endete, war Max Rosenbaum ohne Arbeit. Ab 10. Januar 1941 musste er im Zuge des "Judeneinsatzes" des Arbeitsamts Hamburg bei der Schuhgroßhandelsfirma Rasch & Jung (Große Bleichen 31), ehemals Walter Wulfsohn (Hohe Bleichen 40/42), als Lagerarbeiter in einer "jüdischen Kolonne" Zwangsarbeit leisten. Diese Tätigkeit mussten hier u.a. auch Ludwig Louis Bermann (1886-1944), Walter Hess (1898-1952), Harry Krebs (1895-1944), Herbert Mitz (1889-1942) und Kurt Speyer (1880-1943) verrichten (siehe deren Biografien unter www.stolpersteine-hamburg.de). Die Firmeninhaber Bruno Rasch (geb. 1898) und Ernst Jung (geb. 1907) verzeichneten insbesondere 1940 bis 1942 sehr hohe Gewinne. Dennoch liegen im Staatsarchiv Hamburg Bescheinigungen von überlebenden Zwangsarbeitern sowie der Reichsvereinigung der deutschen Juden Sitz Hamburg vor, die bestätigen, dass Rasch "die ihm von den Behörden zugewiesenen zahlreichen jüdischen Arbeitskräfte stets korrekt und mit grösstem Wohlwollen behandelt hat."
Max Rosenbaum als ungeschützter "Volljude" musste ab dem 19. September 1941 einen gelben "Judenstern" an seiner Kleidung tragen und wurde am 25. Oktober 1941 ins Getto Lodz deportiert. In dem stark überbelegten Getto waren die Lebensbedingungen katastrophal; die sanitären Anlagen in diesem ärmsten Teil der Stadt hatten einen niedrigen Standard und waren nicht an die Kanalisation angeschlossen, Lebensmittellieferungen und Medikamente wurden nur in unzureichender Menge ins Lager gelassen. Daraus resultierten Hunger und Krankheiten, die die Menschen im Getto weiter schwächten. Der 59jährige Max Rosenbaum wurde in einer überfüllten Sammelunterkunft in der Blattbindergasse (Lotnicza) 7a Wohnung 3/5 im Westen des Gettos einquartiert. Das Quartier befand sich in einer abgeschlossenen Exklave, die nur über eine Holzbrücke mit einem ebenfalls abgeschlossenen Getto-Teil zu erreichen war.
Max Rosenbaum wird aufgrund seines Alters und seiner Gesundheitsprobleme keinen der begehrten Arbeitsplätze bekommen haben, damit erhielt er auch keine erhöhte Essensration. Schon bald brachen im Getto Epidemien aus: Ruhr im November/Dezember 1941 und Fleckfieber im März/April 1942. In dieser Zeit fanden auch die erste und zweite Massendeportation in das Vernichtungslager Kulmhof/ Chelmno statt. Max Rosenbaum starb am 28. März 1942 im Getto Lodz.
Es gibt keine Hinweise darauf, dass er in einem der Krankenhäuser des Gettos verstorben ist. Auf welchem Teil des Jüdischen Friedhofs innerhalb der Gettoumzäunung er begraben wurde ist nicht bekannt. Auch für die Bestattungen fehlte es an Vielem, noch aber gab es individuelle Beisetzungen und keine Massengräber.
Seine zweite Ehefrau Edith Rosenbaum, geb. Lachotzki, geschiedene Hauptmann (geb. 20.2.1899 in Berlin) wurde am 6. Dezember 1941 zusammen mit der gemeinsamen Tochter Mathel (geb. 14.2.1940 in Hamburg) ins Getto Riga-Jungfernhof deportiert. In diesem Deportationszug befand sich auch Heinz Alexander (geb. 21.2.1914 in Hamburg), der Stiefsohn des Vermieters Alfred Alexander (Biografie www.stolpersteine-hamburg.de). Das Lager wurde in einigen alten Gutsgebäuden, Scheunen und Viehställen eingerichtet. In den ungeheizten Gebäuden erfroren nachts viele Gefangene, Kranke wurden ermordet, fast alle übrigen Insassen wurden im März 1942 erschossen. Wann und wie genau Edith Rosenbaum und Mathel starben, ist nicht bekannt.
Ihr Sohn aus erster Ehe, Hermann Hauptmann (geb. 16.11.1919 in Hamburg), wurde am 8. November 1941 ins Getto Minsk deportiert. Von dort wurde er in die Konzentrationslager Majdanek (1943-1944), Leitmeritz (1944) und Dachau (1944-1945) verlegt. Er überlebte diese Lager und wurde von den Alliierten im Konzentrationslager Flossenbürg befreit; noch in den folgenden Jahrzehnten war er schwer traumatisiert. Er arbeitete 1946/47 bei den Hamburger Kammerspielen als Beleuchtungsmeister und emigrierte 1949 in die USA.
Edith Rosenbaums Tochter aus erster Ehe, Martha Hauptmann (1922-1942), wurde am 11. Juli 1942 in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert und ermordet. Sie wurde für tot erklärt auf den 8. Mai 1945.
An Max Rosenbaum, seine zweite Ehefrau, ihre gemeinsame Tochter sowie deren Sohn und Tochter aus erster Ehe erinnern Stolpersteine in der Bartelsstraße 76 (Eimsbüttel), wo sie ab Mai 1939 im Erdgeschoss gewohnt hatten (Biografie Martha Hauptmann www.stolpersteine-hamburg.de).
Für seinen Bruder Samuel Rosenbaum und dessen Ehefrau Nanette Rosenbaum, geb. Wolf wurden Stolpersteine in der Alsterdorfer Straße 125 (Winterhude) verlegt (Biografie www.stolpersteine-hamburg.de).
Stand: März 2025
© Björn Eggert
Quellen: Staatsarchiv Hamburg (StaH) 213-11 (Staatsanwaltschaft Landgericht, Strafsachen), 54977 (Max Rosenbaum); StaH 213-13 (Landgericht Hamburg, Wiedergutmachung), 32647 (Hermann Hauptmann); StaH 221-11 (Entnazifizierung), C (i) 1005 (Bruno Rasch); StaH 221-11 (Entnazifizierung), C 1433 (Ernst Jung); StaH 314-15 (Oberfinanzpräsident), FVg 8434 (Alfred Alexander u. Hedwig Alexander geb. Bamberger); StaH 332-5 (Standesämter), 6007 u. 764/1912 (Heiratsregister 1912, Max Rosenbaum u. Martha Kunze); StaH 332-5 (Standesämter), 113810 u. 111/1939 (Familienbuch für Max Rosenbaum u. Edith Hauptmann, Heirat Nr. 111/1939); StaH 332-8 (Meldewesen), Alte Einwohnermeldekartei Altona, Rollfilm K 7369 (1892-1919) Bernhard Rosenbaum, Eduard Rosenbaum, Max Rosenbaum; StaH 332-8 (Meldewesen), Alte Einwohnermeldekarte Hamburg 1892-1925, Rollfilm K 6828 (Eduard Rosenbaum); StaH 351-11 (Amt für Wiedergutmachung), 9404 (Martha Rosenbaum geb. Kunze); StaH 351-11 (Amt für Wiedergutmachung), 6087 (Margot Rosenbaum); StaH 351-11 (Amt für Wiedergutmachung), 22458 (Edith Rosenbaum gesch. Hauptmann); StaH 351-11 (Amt für Wiedergutmachung), 43303 (Hermann Hauptmann); StaH 351-11 (Amt für Wiedergutmachung), 14991 (Alfred Alexander); StaH 351-11 (Amt für Wiedergutmachung), 1382 (David Aaron Levien, mit eingelegter Fürsorgeakte); StaH 351-14 (Arbeits- u. Sozialfürsorge), 1730 (Max Rosenbaum); StaH 351-14 (Arbeits- u. Sozialfürsorge), 881 (Alfred Alexander); StaH 522-1 (Jüdische Gemeinden), 992b (Kultussteuerkartei der Deutsch-Israelitischen Gemeinde Hamburg), Max Rosenbaum, Hermann Hauptmann, Martha Hauptmann, David Aron Levin, Max Markus; Bundesarchiv Berlin, R 1509 (Reichssippenamt), Volks-, Berufs-, u. Betriebszählung am 17. Mai 1939 (Max u. Edith Rosenbaum, Hermann Hauptmann, Martha Hauptmann, Bartelsstr. 76 EG; Alfred Alexander u. Hedwig Alexander geb. Bamberger, Dillstr. 6 EG; David Aron Levin, Rutschbahn 15 EG; Max Markus, Kielortallee 16 I.); Bundesarchiv Berlin, Bestand B 578 (Krankenbuchlager), Signaturen B578/24313, B578/27205, B578/32040, B578/40749; Bundesarchiv Koblenz, Gedenkbuch. Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945 (Max Rosenbaum, Edith Rosenbaum geb. Ladotzki, Samuel Rosenbaum, Martha Hauptmann, David Levin, Heinz Alexander); Landesarchiv Berlin, Geburtsregister 429/1899 (Edith Lachotzki); Landesarchiv Berlin, Heiratsregister 474/1918 (Siegmund Hauptmann u. Edith Lachotzki, mit Scheidungsvermerk); United States Holocaust Memorial Museum, RG-15.083 M.0203.00000522, Zuweisung der Deportierten zu Quartieren im Getto Lodz/Litzmannstadt (94. Rosenbaum, Max, 25.8.1882, Blattbinderstraße. 7a -3/5); Materialsammlung Beate Meyer (Scheidungsurteile Rosenbaum 1937 u. 1938); Frank Bajohr, "Arisierung" in Hamburg, Hamburg 1998, S. 374 (Tabelle "arisierter" oder liquidierter jüdischer Unternehmen: Walter Wulfsohn, Gummischuhwaren-Großhandel, Hohe Bleichen 40/42); Birgit Gewehr, Stolpersteine in Hamburg-Altona. Biografische Spurensuche, Hamburg 2015, S. 323-326 (Martha Hauptmann); Jüdisches Museum Frankfurt/Main (Hrsg.), "Unser einziger Weg ist Arbeit". Das Getto in Lódz 1940-1944, Wien 1990, S. 108-111 (Friedhof), 284/285 (Straßenplan); Andrea Löw, In der ‚Öde von Lodz‘. Deutsche Jüdinnen und Juden im Ghetto Litzmannstadt, in: Beate Meyer (Hrsg.), Deutsche Jüdinnen und Juden in Ghettos und Lagern (1941-1945), Hamburg/Berlin 2017, S. 24-42; Uwe Lohalm, Fürsorge und Verfolgung. Öffentliche Wohlfahrtsverwaltung und nationalsozialistische Judenpolitik in Hamburg 1933 bis 1942, Hamburg 1998, S. 54-56; Ina Lorenz/ Jörg Berkemann, Die Hamburger Juden im NS-Staat 1933 bis 1938/39, Göttingen 2016, Band II, S. 1123-1125 (Verhaftungen beim Novemberpogrom); Beate Meyer, "Jüdische Mischlinge". Rassenpolitik und Verfolgungserfahrung 1933-1945, München/Hamburg 1999, S. 30, 68-70, 73, 185; Meyers Lexikon, Band 9, Leipzig 1928, Spalte 1348 (Provisionsreisender); Handelskammer Hamburg, Handelsregisterinformationen (Max Markus, A 20546; Bruno Simon, A 48570; Walter Wulfsohn/Rasch & Jung, A 38878); Adressbuch Hamburg (M. Rosenbaum, Reisender) 1914, 1920, 1930; Adressbuch Hamburg (Rutschbahn 15) 1940; Adressbuch Hamburg (Max Markus, Königstraße 48/52), 1938, 1939; Adressbuch Hamburg (Rasch & Jung, Große Bleichen 31, Inhaber: Bruno Rasch u. Ernst Jung) 1940; Adressbuch Altona (Friedenstr. 73) 1909; Adressbuch Altona (Lohmühlenstr. 76) 1911, 1912, 1916, 1938, 1939 (E. Rosenbaum, Reisender); www.ancestry.de (Staatsarchiv Bremen, Ersatzkommission Musterung, Eduard Rosenbaum 1900, Max Rosenbaum 1902); www.stolpersteine-hamburg.de (Samuel Rosenbaum, Martha Hauptmann, Heinz Alexander).