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Porträt Paul Schwarz, von einer Pflegerin gehalten, Januar 1937
Paul Schwarz, Januar 1937
© Evangelische Stiftung Alsterdorf

Paul Schwarz * 1935

Efftingestraße 39 (Wandsbek, Wandsbek)


HIER WOHNTE
PAUL SCHWARZ
JG. 1935
EINGEWIESEN 1937
ALSTERDORFER ANSTALTEN
"VERLEGT" 1943
HEILANSTALT EICHBERG
ERMORDET 16.9.43

Paul Schwarz, geb. am 21.3.1935 in Wandsbek, aufgenommen am 9.1.1937 in den damaligen Alsterdorfer Anstalten, "verlegt" am 7.8.1943 in die "Landesheilanstalt Eichberg" bei Eltville, ermordet am 16.9.1943

Efftingestraße 39 (früher Eduardstraße)

Paul Schwarz war das dritte und jüngste Kind des Kraftwagenfahrers Alwin Berthold Schwarz, geboren am 17. Mai 1905, und Albertine Elisabetha, geborene Hessig, geboren am 3. November 1909. Die Familie wohnte in der damaligen Eduardstraße 25 (heute Efftingestraße) in Wandsbek, wo der Vater ein Fuhrunternehmen betrieb. Die damals selbstständige Stadt Wandsbek gehörte bis zum Groß-Hamburg-Gesetz von 1937 zum Landkreis Stormarn. Paul Schwarz war am 21. März 1935, wie zu der Zeit nicht selten, als Hausgeburt zur Welt gekommen und wurde am 26. Mai 1935 in der Christuskirche in Wandsbek getauft. Er hatte zwei ältere Geschwister, Margot, geboren am 27. September 1930, und Valentin, geboren am 10. Mai 1933.

Am 19. November 1936 wurde Paul Schwarz zur Beobachtung in das städtische Krankenhaus Wandsbek aufgenommen, da der mittlerweile 1 ¾-Jährige keine altersgemäße geistige und körperliche Entwicklung zeigte. Aus seiner Krankenakte geht hervor, dass er bereits seit seiner Geburt in ärztlicher Behandlung war. Paul wurde als ein überaus lebhaftes Kind beschrieben, das sich in "dauernder motorischer Unruhe" befand und "unartikulierte" Laute von sich gab. Er konnte nur mit Unterstützung sitzen und wies Symptome einer Rachitis auf (durch Vitamin D-Mangel u.a. hervorgerufene Wachstumsstörungen mit Verformungen der Knochen). Zudem war Paul in seinem zweiten Lebensjahr an Gelbsucht erkrankt. Während eines fast zweimonatigen Klinikaufenthaltes konnte sein beschriebener "Unruhezustand" durch Medikamentengaben, u.a. durch Luminal-Tabletten, wie es hieß, "günstig beeinflusst" werden. Paul konnte nun sitzen, wenn er sich seitlich festhielt.

Der behandelnde Arzt diagnostizierte: "Little’sche Krankheit" (Zerebrale Bewegungsstörung) und vermutete bei Paul eine Geburtsschädigung. Er überwies ihn, "da der Fall keiner Krankenhausbehandlung mehr bedarf" und "nach Rücksprache der Familie", am 9. Januar 1937 in die damaligen Alsterdorfer Anstalten (heute Evangelische Stiftung Alsterdorf).

Am 12. Januar 1937 wurde in seiner Krankenakte notiert: "Pat.[ient] ist sehr lebhaft, beobachtet seine Umgebung, beschäftigt man sich mit ihm, zappelt er vor Freude mit Händen und Füßen. Er hat guten Appetit, wird gefüttert und muss in der Körperpflege vollkommen besorgt werden. Er spricht noch nicht, hat er kein Spielzeug, spielt er mit den Fingern [...]."

Vier Tage später wurde Paul mit einer Grippe und in einem schlechten Allgemeinbefinden auf die Krankenstation verlegt. Im darauffolgenden März erkrankte er an einer Gastroenteritis (Entzündung der Schleimhäute von Magen und Dünndarm).

Am 3. Mai 1937 kehrte Paul in seine Abteilung zurück. Er wurde nun als freundlich, ruhig und mit einem guten Appetit beschrieben. Und weiter: "So wie er hört, dass mit Essgeschirr geklappert wird, richtet er sich im Bett auf und verfolgt jede Bewegung der Mädchen oder Schwestern bis er gefüttert wird."

Im Oktober erkrankte Paul an Windpocken und wurde wegen der Ansteckungsgefahr isoliert. Im Februar 1938 bekam er eine Lungenentzündung. Paul blieb körperlich sehr anfällig, noch mehrmals wurde er mit einer Gastroenteritis, einer Grippe oder einer Bronchitis auf die Krankenstation verlegt.

Am 11. Juli 1939 erlitt Paul eine linksseitige Fraktur des Unterarmknochens, die ohne Komplikationen verlief.

In seiner Entwicklung wurden Fortschritte festgehalten. Am 15. August 1942, Paul war jetzt sieben Jahre alt, hieß es in einem Bericht an die Fürsorgebehörde, Paul könne nicht gehen, taste sich aber an Gegenständen entlang. Er verstehe, was ihm gesagt werde und könne sich durch Zeichen verständlich machen. Wegen seiner unruhigen, ausfahrenden Bewegungen müsse er gefüttert werden. Er sei von freundlichem Wesen, aber sehr leicht aufgeregt. Weiterer Anstaltsaufenthalt sei erforderlich.

Während der schweren Luftangriffe auf Hamburg im Sommer 1943 erlitten auch die damaligen Alsterdorfer Anstalten in der Nacht vom 29./30. Juli 1943 und dann noch einmal vom 3./4. August 1943 Schäden. Der Anstaltsleiter, Pastor Friedrich Lensch, bat die Gesundheitsbehörde um Zustimmung zur Verlegung von 750 Patientinnen und Patienten, angeblich um Platz für Verwundete und Bombengeschädigte zu schaffen. Mit drei Transporten zwischen dem 7. und dem 16. August wurden insgesamt 468 Mädchen und Frauen, Jungen und Männer in die "Landesheilanstalt Eichberg" und den Kalmenhof Idstein im Rheingau, in die "Heil- und Pflegeanstalt Mainkofen" bei Passau und in die "Landesheilanstalt Am Steinhof" in Wien verlegt.

Paul Schwarz gehörte zu den 76 Kindern und Männern, die am 7. August 1943 in die "Landesheilanstalt Eichberg" gebracht wurden. Die letzte Eintragung in der Krankenakte datiert vom 6. August 1943. Sie lautete: "Verlegt, da die Alsterdorfer Anstalten zerstört sind."

Die damalige "Landesheilanstalt Eichberg" hatte in der "Aktion T4" als Zwischenanstalt für die Tötungsanstalt Hadamar gedient. Nach dem offiziellen Stopp des "Euthanasie-Programms" im August 1941 wurde weiter gemordet, und zwar durch systematische Unterernährung und überdosierte Medikamente in Verbindung mit pflegerischer Vernachlässigung – auch in Eichberg selbst. Zwanzig der Kinder aus Alsterdorf wurden sofort in die seit 1941 bestehende "Kinderfachabteilung" gebracht. Der allgemeine Begriff "Kinderfachabteilung" wurde im nationalsozialistischen Deutschen Reich als beschönigende Bezeichnung für besondere Einrichtungen der Psychiatrie in Krankenhäusern sowie in Heil- und Pflegeanstalten verwendet, die der "Kinder-Euthanasie" dienten, also der Forschung an und Tötung von Kindern und Jugendlichen, die körperlich oder geistig schwer behindert waren.

Paul Schwarz starb am 16. September 1943, etwas mehr als einen Monat nach seinem Abtransport aus den damaligen Alsterdorfer Anstalten. Auf seiner Sterbeurkunde wurde als Todesursache "Siechtum mit Herzschwäche, Verblödung" angegeben. Paul Schwarz wurde nur acht Jahre alt.

Stand: Januar 2020
© Susanne Rosendahl

Quellen: Evangelische Stiftung Alsterdorf, Archiv, Sonderakte V 19, Schwarz Paul; Michael Wunder, Ingrid Genkel, Harald Jenner, Auf dieser schiefen Ebene gibt es kein Halten mehr. Die Alsterdorfer Anstalten im Nationalsozialismus, 2. Aufl. Hamburg 1988, S. 189 ff.; www.gedenkort-t4.eu (Zugriff 20.8.2019); ancestry.de. Sterbeurkunde von Paul Schwarz vom 16.9.1943 (Zugriff 20.8.2019).
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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