Namen, Orte und Biografien suchen
Bereits verlegte Stolpersteine
Suche
Georg Lissauer * 1912
Hallerstraße 64 (Eimsbüttel, Rotherbaum)
HIER WOHNTE
GEORG
LISSAUER
JG. 1912
VERHAFTET 1936
GEFÄNGNIS HAMBURG
1939 SACHSENHAUSEN
DEPORTIERT 1941
ERMORDET IN
MINSK
Weitere Stolpersteine in Hallerstraße 64:
Dr. Edgar Fels, Elfriede Lissauer, Uri Lissauer
Georg Gedalje Gerulja Lissauer, geb. am 20.12.1912 in Lübeck, deportiert am 8.11.1941 nach Minsk
Elfriede Lissauer, geb. Cohn, geb. am 13.1.1920 in Hamburg, deportiert am 18.11.1941 nach Minsk
Uri Lissauer, geb. am 16.8.1940 in Hamburg, deportiert am 18.11.1941 nach Minsk
Hallerstraße 64
Gedalje Gerulja Lissauer, mit bürgerlichem Vornamen Georg genannt, wuchs mit zwei älteren Geschwistern in Lübeck auf. Sein Vater, der am 20.2.1866 in Moisling geborene Produktenhändler Marcus Efraim Lissauer, gehörte einer in Moisling, Lübeck und Hamburg verzweigten Familie an. Rosa, geb. Gombinski, Georgs am 12.1.1876 geborene Mutter, stammte aus Stargard in Vorpommern.
Nach der Heirat wohnten die Eltern zunächst in Schwerin, wo am 9.2.1909 Georgs Bruder Ferdinand und am 29.10.1910 seine Schwester Jenny geboren wurden. Bald danach zog die Familie nach Lübeck um. Hier kam Georg Lissauer am 20.12.1912 zur Welt. Wie seine beiden Geschwister besuchte er die öffentlichen Volksschulen Lübecks und den Religionsunterricht in der Synagoge, möglichweise auch eine weiterführende Schule. Den Religionsunterricht erteilte von 1919 bis 1921 Lübecks Rabbiner Dr. Joseph Zwi Carlebach. Als Dr. Carlebach 1936 als Oberrabbiner nach Hamburg berufen wurde, wird ihm sein einstiger Schüler wieder begegnet sein, denn Georg Lissauer war 1934 dorthin umgezogen. Noch in Lübeck hatte er eine Ausbildung als Drogist absolviert. In Hamburg bewohnte er zunächst eine Unterkunft im Jugendwohnheim Beneckestraße 2 und durchlief eine Ausbildung als Gärtner-Volontär zur Vorbereitung auf die Siedlung in Palästina. Im darauffolgenden Jahr arbeitete er in Hamburg als Laborant. Ende 1935 klagte das Amtsgericht Lübeck den Zweiundzwanzigjährigen der Übertretung von Paragraph 367 des Strafgesetzbuches an, wobei es vermutlich um einen unerlaubten Umgang mit Arzneimitteln ging, und verurteilte ihn zu einer dreiwöchigen Gefängnishaft.
In Hamburg war Georg Lissauer weitgehend auf sich allein gestellt. Sein Vater Marcus Efraim Lissauer war am 22. Dezember 1930 verstorben, sein Bruder Ferdinand bereits 1929 im Alter von nur 20 Jahren. Als nahestehenden Verwandten in Hamburg, dem "in besonderen Fällen" Nachricht gegeben werden sollte, ließ Georg Lissauer in der Gefangenenkartei seinen 81-jährigen Onkel Joseph Lissauer eintragen. Nach der Entlassung aus dem Gefängnis fand er eine Beschäftigung bei den nur für die Vertretung jüdischer Mandanten zugelassenen "Rechtskonsulenten" Herbert Samson und Edgar Haas.
Am ersten Tag des Pogroms im November 1938 wurde Georg Lissauer zusammen mit hunderten Hamburger Leidensgenossen festgenommen, am Folgetag aus der Gestapohaft in das KZ Sachsenhausen gebracht und dort erst am 18. Januar 1939 entlassen. Im folgenden Monat wurde er mit Elfriede Cohn getraut, der am 3.1.1920 in Hamburg geborenen einzigen Tochter von Samuel Cohn, geboren am 28.5.1872 in Adelnau, und Sophie Cohn, geb. Koppel, geboren am 25.12.1891 in Hamburg. Elfriede Cohn war in sehr ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen. Das Schneiderhandwerk des Vaters und ein kleines Tabakgeschäft in der Poolstraße warfen so wenig Ertrag ab, dass die Familie seit 1927 auf Unterstützung des Wohlfahrtsamts angewiesen war. Am 16.8.1940 kam Georg und Elfriede Lissauers Sohn Uri in Hamburg zur Welt.
Am 8. November 1941 wurde Georg Lissauer aus Hamburg nach Minsk deportiert und zu einem unbekannten Zeitpunkt ermordet. Mit dem am 18. November 1941 folgenden Deportationstransport nach Minsk fuhren seine Ehefrau und der kleine Sohn in den Tod.
Zu den Mordopfern gehörte auch Georg Lissauers Mutter. Sie wurde am 6. Dezember 1941 nach Riga deportiert und dort umgebracht. Sophie Cohn, geb. Koppel, die verwitwete Mutter seiner Ehefrau Elfriede, gehörte dem Hamburger Deportationstransport vom 15. Juli 1942 nach Theresienstadt an. Von dort wurde sie am 12. Oktober 1944 zur Ermordung nach Auschwitz deportiert.
Georg Lissauers Schwester Jenny heiratete 1934 in Hamburg den am 27.11.1907 in Idstein geborenen kaufmännischen Angestellten Karl Blum. Die Ehe zerbrach nach kurzer Zeit. Mit ihrem am 7.1.1935 in Hamburg geborenen Sohn Manfred verließ Jenny Blum Hamburg im Februar 1935 und kehrte zur Mutter nach Lübeck zurück. Später heiratete sie in Berlin und trug den Ehenamen Kaminsky. Am 26. Oktober 1942 wurde sie mit ihrem Sohn Manfred nach Riga deportiert und ermordet.
Stand: September 2016
© Jürgen Sielemann
Quellen: 1; StaH 351-14 Arbeits- und Sozialfürsorge – Sonderakten, 1076, Samuel Cohn; StaH 242-1 II Gefängnisverwaltung II, Abl. 13, Gefangenenkartei, Georg Lissauer; StaH 213-8 Staatsanwaltschaft Oberlandesgericht – Verwaltung, Abl. 2, 451 a E 1 1 c, Meldungen der Schutzhaftkosten für Gefangene im Polizeigefängnis Fuhlsbüttel; Sielemann (Bearb.), Hamburger jüdische Opfer, S. 41 und 254; div. Auskünfte Heidemarie Kugler-Weiemann, Lübeck.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".