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Egon Jacobsohn * 1907

Colonnaden 47 (Hamburg-Mitte, Neustadt)


HIER WOHNTE
EGON JACOBSOHN
JG. 1907
DEPORTIERT 1941
ERMORDET IN
MINSK

Weitere Stolpersteine in Colonnaden 47:
Günther Ehrich, Alfred Jacobsohn

Alfred Jacobsohn, geb. am 20.5.1869 in Bublitz, deportiert von Berlin am 14.9.1942 nach Theresienstadt, gestorben am 3.3.1943
Egon Jacobsohn, geb. am 25.11.1907 in Breslau, inhaftiert 1937, deportiert am 18.11.1941 nach Minsk

Colonnaden 47

Alfred Jacobsohn verbrachte die meiste Zeit seines Lebens im schlesischen Breslau (heute Wrocław/Polen). Bevor er sich am 1. April 1899 als selbstständiger Zahntechniker dort niederließ, hatte er einige Jahre eine Praxis in Hamburg am Großneumarkt 58 betrieben. Geboren wurde Alfred Jacobsohn in Bublitz (heute Bobolice/Polen) als Sohn des jüdischen Kaufmanns Sally Jacobsohn und dessen Ehefrau Ernestine, geb. Heinsius. Sein Bruder Hugo, der 69-jährig starb, war wie ihr Vater Kaufmann und hatte den Vornamen ihres Großvaters, des Glasermeisters Hugo Jacobsohn erhalten. In Breslau heiratete Alfred Jacobsohn am 30. März 1903 die aus einem evangelischen Elternhaus stammende Martha Melke. Sie war am 4. Januar 1879 in Breslau geboren, Näherin von Beruf und betrieb eine "Plissee-Brennerei" (für Faltenstoffe). Ihr gemeinsamer Sohn Martin war bereits am 19. Dezember 1901 zur Welt gekommen. Georg folgte am 25. August 1903, Sohn Egon am 25. November 1907 und Horst am 24. Oktober 1918. Obwohl ihre Mutter bei der Eheschließung zum jüdischen Glauben konvertiert war, besuchten die Brüder in ihrer Heimatstadt die katholische Knabenschule. Martha Jacobsohn starb am 8. November 1920, als der jüngste Sohn gerade zwei Jahre alt war.

Alfred Jacobsohn ging eine weitere Ehe ein, die allerdings später geschieden wurde. Seine zweite Frau hieß Alma Mandowski, war Jüdin und wurde am 7. Mai 1880 in Klein Zabrze/Hindenburg O.S. in Oberschlesien geboren. Alma Jacobsohn starb am 20. Oktober 1938 in einer jüdischen "Krankenpflegeanstalt" in Breslau.

Alfred Jacobsohn musste Anfang 1931 seine Praxis an der Schuhbrücke 17 aufgeben. Eine neue Bestimmung ließ nur noch staatlich geprüfte Zahntechniker zu. Da er für sich in Breslau keine Zukunft mehr sah, übersiedelte er mit seinem jüngsten Sohn Horst zu seinem verheirateten Sohn Martin Melke nach Bremerhaven in die Rampenstraße 40. Martin hatte nach dem Tod seiner Mutter deren Geburtsnamen Melke angenommen und fuhr als Steward zwischen Bremen und New York zur See.

In der Hoffnung, als 60-Jähriger schneller wieder eine Beschäftigung zu finden, zog Alfred Jacobsohn nach kurzer Zeit mit Horst nach Hamburg. Hier wohnte sein Sohn Georg, der seinen Lebensunterhalt als Pianist verdiente. Alfred und Horst Jacobsohn bezogen ein Zimmer bei Georgs Braut Anna Gustmann in den Colonnaden 47. Aber auch in Hamburg fand Alfred Jacobsohn keine Beschäftigung mehr. Im Juni 1931 beantragte er Fürsorgeunterstützung. Horst beendete in Hamburg seine Schulzeit und begann im Januar 1933 eine Lehre als Radiotechniker im "Radiohaus Nordmark", Alter Steinweg 46. Jedoch wurde er schon im August wegen seiner jüdischen Abstammung entlassen. Er besuchte im Anschluss für ein Jahr eine Fachschule für Radiotechniker und arbeitete bis Februar 1937 im "Radiohaus Carl Kessler", Große Allee 33 in Hamburg-St.Georg. Weil aber Juden in Deutschland keine technischen Berufe mehr ausüben durften, konnte Horst seine Prüfung nicht ablegen und ging deshalb in Begleitung seiner Freundin Vera Kotzleva (geb. 1916 in Moskau) in die Niederlande. Bei einer Kontrolle durch die niederländische Polizei wurde er festgenommen und am 1. März 1937 als jüdischer Emigrant nach Deutschland abgeschoben und an die Gestapo übergeben. Obwohl Horst versicherte, dass er lediglich seine Prüfung ablegen und nicht illegal auswandern wollte, blieb er in Emmerich in Haft. Am 10. April 1937 erfolgte seine Überführung in das KZ Dachau, wo er die Häftlings-Nr. 12037 erhielt. Wegen Überfüllung des Lagers wurde er im September 1938 ins KZ Buchenwald verlegt. Mit der Häftlings-Nr. 1315 kam er dort in den Block 10.

Währenddessen wohnte Alfred Jacobsohn zur Untermiete in der Rentzelstraße 14 bei Löwenthal und bemühte sich bei der Devisenstelle des Oberfinanzpräsidenten um die nötige Vorbereitung für die Emigration seines Sohnes:
"Ich bitte höflichst, wenn möglich sofort, um eine Unbedenklichkeitsbescheinigung. Mein Sohn ist seit Ende Februar 1937 im Konzentrationslager Dachau, und seit September 1938 in Weimar Buchenwald No1315. Block 10. Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf würde ihn nur entlassen, wenn ich diese Bescheinigung sofort einsende, und zur Erlangung des Passes."

Horst wurde am 15. April 1939 entlassen und emigrierte am 17. Juni zusammen mit seiner Freundin Vera auf dem Dampfer "Saarland" über Triest nach Shanghai, da dort kein Visum verlangt wurde. Die Reisekosten hatte die Jüdische Gemeinde übernommen. Auch der ältere Bruder Martin hatte Deutschland mittlerweile verlassen, er emigrierte in die USA.

Der zweitjüngste Sohn Egon Jacobsohn, der im schlesischen Görlitz Kellner gelernt hatte, war seiner Familie am 15. August 1931 nach Hamburg gefolgt. Er arbeitete zuletzt als Kellner im Tanzlokal "Neu China" in der Großen Freiheit 11 und nebenbei als Bühnenarbeiter für den Jüdischen Kulturbund. Am 4. August 1937 wurde Egon in seiner Unterkunft in der Kleinen Seilerstraße 4 unter dem Vorwurf der "Rassenschande" verhaftet. Er war denunziert worden, so steht in den Ermittlungsakten: "Es wurde vertraulich in Erfahrung gebracht, dass der Egon Jacobsohn, damals wohnhaft Colonnaden, der Jude sein soll, ein Liebesverhältnis mit einer deutschblütigen Frau gehabt hat." In der Anklageschrift heißt es: "Der Angeklagte Jacobsohn ist Mischling I Grades, gilt aber nach Absatz 2a des Reichsbürgergesetzes vom 14. November 1935 als Jude, da die Mutter, die zwar aus christlicher Familie stammt, bei ihrer Heirat den mosaischen Glauben angenommen hat." Ihm wurde vorgeworfen: "ohne tiefere seelische Bindung, nur seinen Trieben folgend, im vollen Bewußtsein der Strafbarkeit seiner Handlung in öffentlichen Tanzlokalen die Bekanntschaft deutschblütiger Mädchen gesucht zu haben, und diese mit der Aufforderung, keinem etwas zu sagen, in echt jüdischer Manier, in Angst versetzt zu haben, um zu erreichen, dass ihre rassenschänderische Tätigkeit nicht entdeckt wird".

Am 19. November 1937 wurde Egon Jacobsohn zu einem Jahr und drei Monaten Gefängnis verurteilt. Nach seiner Strafverbüßung am 4. November 1938 blieb er in Untersuchungshaft, da ihm diesmal ein Verhältnis aus dem Jahre 1936 mit einer Garderobenfrau des "Kaffee Laage" und 1937 mit einem St. Pauli-"Tanzmädchen" unterstellt wurde. Ging das Gericht im ersten Prozess noch von einem Gelegenheitsfall aus, "in dem die Zeugin es dem Angeklagten außerordentlich leicht gemacht hat", wurde Egon Jacobsohn nun als "gewohnheitsmäßiger Rassenschänder" zu einer dreijährigen Zuchthausstrafe verurteilt und am 18. August 1939 ins Zuchthaus Bremen-Oslebshausen überführt. Zuvor hatte man ihn im Polizeigefängnis Fuhlsbüttel noch auf seine Wehrtauglichkeit hin gemustert. Egon Jacobsohn befand sich nach dem Ende seiner zweiten Haftstrafe nur für kurze Zeit in Freiheit.

Bereits am 18. November 1941 wurde er ins Getto Minsk deportiert. Seine letzte, nicht mehr freigewählte Hamburger Adresse war die heute nicht mehr existierende Schlachterstraße 40/42, im "Judenhaus", ehemals Marcus-Nordheim-Stift.

Alfred Jacobsohns letzte Adresse war in der Rappstraße 11, bevor er am 11. Juni 1940 zu seinem Sohn Georg nach Berlin in die Nollendorferstraße 35 zog. Von Berlin wurde Alfred Jacobsohn am 14. September 1942 nach Theresienstadt deportiert. Dort starb er im Alter von 74 Jahren am 3. März 1943.

Horst und Vera wurden nach ihrer Flucht in Shanghai als "feindliche Ausländer" von der japanischen Besatzungsmacht bis zum 15. August 1945 gettoisiert. Erst im April 1948 konnten beide in die USA ausreisen, wo Horst sich später Jake Jacobson nannte.


Stand: Juli 2018
© Susanne Rosendahl

Quellen: 1; 9; StaH 351-11 AfW 42090 (Jacobson, Jake); StaH 314-15 OFP, FVg 4928; StaH 213-11 Staatsanwaltschaft Landgericht –Strafsachen 00023/38; StaH 351-14 Abl. 1999/2 Arbeits- und Sozialfürsorge, Jacobsohn, Alfred; StaH 242-1 II Gefängnisverwaltung II, Abl.16, ältere Kartei der männlichen Untersuchungshaftgefangenen; StaH 218-1 Oberlandesgericht-Verwaltung, Abl. 8, 143E, L4b; Nationalarchiv in Prag/Theresienstädter Initiative, Jüdische Matriken, Todesfallanzeigen Theresienstadt (Alfred Jacobsohn).
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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