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Bereits verlegte Stolpersteine



Dr. Hans Bloch * 1895

ohne Hamburger Adresse


ermordet am 23.9.1940 in der Tötungsanstalt Brandenburg an der Havel

Weitere Stolpersteine in ohne Hamburger Adresse :
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Dr. Hans Bloch, geb. am 29.11.1895 in St. Johann an der Saar (heute Saarbrücken), ermordet am 23.9.1940 in der Tötungsanstalt Brandenburg an der Havel

Ohne Stolperstein

Hans Bloch entstammte einer jüdischen Kaufmannsfamilie aus der Kleinstadt Sulzburg im Markgräflerland in Baden. Seit dem Mittelalter existierte dort eine bedeutende jüdische Gemeinde. Im 19. Jahrhundert betrug der jüdische Bevölkerungsanteil bis zu 31 Prozent. Die heute noch vorhandene Synagoge wurde bereits 1821/22 erbaut.

Die Familie Bloch lässt sich in Sulzburg fast 300 Jahre zurückverfolgen. Hans Blochs Vater Leopold kam dort 1859 zur Welt. Er blieb bis 1878 in seinem Geburtsort und übersiedelte dann nach St. Johann, einem damals noch eigenständigen Ort, der 1909 mit den Städten Alt-Saarbrücken und Malstatt-Burbach zu der neuen Stadt Saarbrücken vereinigt wurde. Leopold Bloch verdiente seinen Lebensunterhalt als selbstständiger Lederhändler. Es ist nicht bekannt, wann und wo Leopold Bloch die "standlose" Jette Bickart aus Eichstaedten (heute Eichstetten) heiratete. Jedenfalls bekamen die Eheleute am 24. Dezember 1885 in der Bahnhofstraße 90 in St. Johann ihr erstes Kind, den Sohn Siegfried. Ihm folgte Max am 15. November 1886. Als Jette Bloch 1888 im Alter von nur 25 Jahren starb, waren ihre Söhne Siegfried und Max erst zwei und drei Jahre alt. Leopold Bloch, damals auch noch ein junger Mann von 29 Jahren, heiratete ein zweites Mal. Aus der Ehe mit seiner neuen Frau Amalie "Malchen", geborene Jasmin aus Freiburg, gingen fünf Kinder hervor: Johanna, geboren am 20. September 1891, bereits 1894 verstorben, Hans, geboren 29. November 1895, Anna, geboren am 1. November 1896, Fanny Grethe, geboren am 22. Juli 1905, und Lisel, geboren am 12. Juli 1906, alle geboren in St. Johann.

Im Jahre 1901 zog Familie Bloch in die Sulzbachstraße 3 in St. Johann. Als die jüngsten Geschwister zur Welt kamen, war Hans Bloch bereits Schüler der Elementarschule. Den Besuch des Gymnasiums konnte er nicht in St. Johann abschließen, denn seine Familie übersiedelte Anfang 1910 nach Wiesbaden und wohnte dort bis 1932, zunächst in der Kaiserstraße 28 und dann am Kaiser-Friedrich-Ring 44. An der Oberrealschule zu Wiesbaden legte Hans Bloch bei Kriegsausbruch im August 1914 die Notreifeprüfung ab. Anschließend meldete er sich als Kriegsfreiwilliger beim Füsilier-Regiment "von Gersdorff" (Hessisches) Nr. 80 in Wiesbaden, das an der West- und an der Ostfront eingesetzt wurde. Bis zu seiner Verwundung im August 1916, einer Kopfverletzung, blieb er mit Unterbrechungen bei der Truppe. Nach seiner Genesung wurde er im Februar 1917 als "kriegsunbrauchbar" aus dem Heeresdienst entlassen.

Mit dem Sommersemester 1917 begann Hans Bloch in Würzburg das Studium der Medizin und bestand dort im Wintersemester 1918/19 die ärztliche Vorprüfung. In der Folgezeit studierte er in München, Würzburg, Berlin und Frankfurt. Zum Zeitpunkt der Immatrikulation in Frankfurt im Januar 1919 lebte er wieder bei seinen Eltern in Wiesbaden. Im November 1920 bestand Hans Bloch in Frankfurt das medizinische Staatsexamen. Nach Abschluss des Studiums legte er seine Dissertation zum Thema "Ein Beitrag zur ‚expansiven Autopsychose durch autochthone Ideen’ (Wernicke)" vor und erlangte den medizinischen Doktorgrad.

Es ist nicht überliefert, ob Hans Bloch auch nach Abschluss des Studiums seinen Wohnsitz bei den Eltern behielt.

Nur zwei Jahre später, im Jahre 1924, wurde er in der Hamburger Staatskrankenanstalt Friedrichsberg aufgenommen. Dies ergibt sich aus seiner Friedrichsberger Patienten-Karteikarte.

Aus welchem Grund Hans Bloch nach Hamburg und in die Staatskrankenanstalt Friedrichsberg kam und wie lange er sich dort aufhielt, wissen wir nicht. Über die folgenden Jahre liegen ebenfalls keine Hinweise oder Dokumente vor. Am 4. Juli 1935 wurde er in der Staatskrankenanstalt Hamburg-Langenhorn aufgenommen.

Im Rahmen einer von der "Euthanasie"-Zentrale in Berlin, Tiergartenstraße 4, geplanten Sonderaktion gegen Jüdinnen und Juden in öffentlichen und privaten Heil- und Pflegeanstalten ordnete das Reichsinnenministerium an, solche aus Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg zum 18. September 1940 in der Heil- und Pflegeanstalt Hamburg-Langenhorn zusammenzuziehen und am 23. September 1940 nach Brandenburg an der Havel in die sogenannte Landes-Pflegeanstalt zu transportieren. Unter ihnen befand sich Hans Bloch. In Brandenburg wurden die Menschen noch am selben Tag in dem zur Gasmordanstalt umgebauten Teil des ehemaligen Zuchthauses mit Kohlenmonoxyd vergiftet. Zur Verschleierung dieser Mordaktion wurde in Sterbemitteilungen behauptet, dass die Betroffenen in einer Anstalt in Chełm (polnisch) oder Cholm (deutsch) östlich von Lublin verstorben seien. Im Geburtsregistereintrag von Hans Bloch ist vermerkt: "Gestorben Nr. 360/41 Chelm II". Die in Brandenburg Ermordeten waren jedoch nie in Chelm (polnisch) oder Cholm (deutsch), einer Stadt östlich von Lublin. Die dort früher existierende polnische Heilanstalt bestand nicht mehr, nachdem SS-Einheiten am 12. Januar 1940 fast alle Patienten ermordet hatten. Auch gab es in Chelm kein deutsches Standesamt. Dessen Erfindung und die Verwendung späterer als der tatsächlichen Sterbedaten dienten dazu, die Mordaktion zu verschleiern und zugleich entsprechend länger Verpflegungskosten einfordern zu können.

In einer Vorlage für den Präsidenten des Amtsgerichts Hamburg vom Juni 1941 über "Jüdische Geisteskranke" berichtete Hans Blochs Bruder Siegfried, der als Pfleger für Hans Blochs Angelegenheiten eingesetzt war: "Am 1. April 1941 erhielten wir aus der Irrenanstalt Chelm in Polen die Nachricht, daß unser Bruder und Schwager Hans Israel Bloch, der am 23. September 1940 von Langenhorn nach dort verlegt worden ist, am 31. Januar 1941 verstorben sei. Anbei reiche ich die Schlußabrechnung ein. Seit 23. September 1940 war es uns mit dem besten Willen nicht mehr möglich, für unseren Bruder und Schwager zu sorgen, da es trotz aller Bemühungen nicht gelang, seinen Aufenthaltsort zu ermitteln."

Der größte Teil der Familie Bloch lebte zu dieser Zeit in Luxemburg und in Baden-Baden. Nach vielen Jahren in Wiesbaden waren Hans Blochs Eltern Leopold und Amalie (Malchen) am 1. November 1932 nach Luxemburg übergesiedelt. Dort war der Sohn Max, Hans Blochs älterer Bruder, bereits seit Februar 1925 ansässig. Max Bloch hatte die am 30. Juli 1895 in Mülhausen/Elsass geborene Sophie Netter im Juni 1929 geheiratet, die wie er dem jüdischen Glauben angehörte. Nur ein Jahr nach dem Umzug nach Luxemburg starb Leopold Bloch am 22. November 1933. Auch seine Witwe Amalie (Malchen) starb in Luxemburg, und zwar am 19. Dezember 1937.

Bereits zwischen 1935 und 1937 wurde Max Bloch die deutsche Staatsangehörigkeit aberkannt. In der Folge verzichtete auch seine Ehefrau auf die deutsche Staatsangehörigkeit. Dennoch kehrten Max und Sophie Bloch aus Luxemburg nach Deutschland zurück und versuchten sich dann durch eine Flucht nach Belgien vor der nationalsozialistischen Verfolgung in Sicherheit zu bringen. Doch am 28. Mai 1940 besetzte die deutsche Wehrmacht das neutrale Land.

1942 erhielten Max Bloch und seine Ehefrau Sophie den Befehl, sich im Sammellager für zu deportierende Juden in der Kaserne Dossin bei Mechelen einzufinden. Sie meldeten sich dort Anfang August 1942. Am 18. August 1942 fuhr ihr Deportationszug in Belgien ab und erreichte am 20. August Auschwitz-Birkenau. Umstände und Zeitpunkt ihres Todes liegen im Dunkeln.

Hans Blochs Schwester Anna heiratete in die Familie Fried ein und lebte in Baden-Baden. Sie wurde mit der Familie Fried, bestehend aus Sigmund Fried, geboren am 4. September 1872, Eugen Fried, geboren am 25. Juli 1880, Frieda Fried, geborene Marx, geboren am 20. Dezember 1881, Emil Fried, geboren am 10. März 1883, Hans Fried, geboren am 14. Oktober 1905, wurde während der Wagner-Bürckel-Aktion am 22. Oktober 1940 nach Frankreich verschleppt. Auf Befehl der Gauleiter der NSDAP, Robert Wagner und Josef Bürckel, wurden etwa 6500 Jüdinnen und Juden in zwei Transportzügen nach Gurs nördlich der Pyrenäen verbracht. Über das Sammellager Drancy bei Paris kam die Familie Fried in den Jahren 1942 und 1943 nach Auschwitz und wurde dort ermordet.

Die Schicksale der Geschwister Siegfried und Fanny Grethe Bloch kennen wir nicht. Lisel Bloch überlebte den Holocaust. Sie starb im Juni 1989 in Luxemburg.

Für Hans Bloch konnte keine persönliche Adresse in Hamburg ermittelt werden, so dass bisher kein individueller Ort bestimmt werden kann, an dem seiner mit einem Stolperstein gedacht werden könnte.

Stand: November 2017
© Ingo Wille

Quellen: 4; 5; StaH 133-1 III Staatsarchiv III, 3171-2/4 U.A. 4, Liste psychisch kranker jüdischer Patientinnen und Patienten der psychiatrischen Anstalt Langenhorn, die aufgrund nationalsozialistischer "Euthanasie"-Maßnahmen ermordet wurden, zusammengestellt von Peter von Rönn, Hamburg (Projektgruppe zur Erforschung des Schicksals psychisch Kranker in Langenhorn); 352-8/7 Staatskrankenanstalt Langenhorn Abl. 1/1995 Aufnahme-/Abgangsbuch Langenhorn 26.1.1939-27.1.1940; UKE/IGEM, Archiv, Patienten-Karteikarte Hans Bloch der Staatskrankenanstalt Friedrichsberg; Landesarchiv Freiburg, B 725_1 Nr 11523 2015_10_26 Leopold Bloch, B 725_1 Nr 11813 2015_10_26 Max Bloch; Dr. Senckenbergisches Institut für Geschichte und Ethik der Medizin, Frankfurt, Archiv, Universitätsakte Hans Bloch, Promotionsakte Hans Bloch; Dr. Senckenbergisches Institut für Geschichte und Ethik der Medizin, Frankfurt, Bibliothek, Dissertation Hans Bloch, Archives nationales de Luxembourg, Mitteilung vom 23. 10. 2015 über Inhalt der Akten der Fremdenpolizei Nr. 160697 wegen Max Bloch, Nr. 229941 wegen Leopold und Malchen Bloch, des "Commisariat au repatriement" wegen Max und Sophie Bloch geb. Netter; Stadtarchiv Luxemburg, Mitteilung vom 7. 12. 2015, Sterbedaten Leopold, Malchen und Lisel Bloch; Gedenkstätte Kazerne Dossin, Mechelen, Mitteilung Dorien Styven vom 29. 10. 2015 über das Schicksal von Max und Sophie Bloch; Stadtarchiv Saarbrücken Sterberegisterauszüge Nr. 52/1888 Jette Bloch, Nr. 57/1894 Anna Bloch, Geburtsregisterauszüge Nr. 507/1885 Siegfried Bloch, Nr. 393/1886 Max Bloch, Nr. 362/1891 Johanna Bloch, Nr. 492/1895 Hans Bloch, Nr. 489/1896, Anna Bloch, Meldekartei Leopold Bloch; Standesamt Saarbrücken, Geburtsregisterauszüge Nr. 448/1905 Fanny Grethe Bloch, Nr. 400/1906 Lisel Bloch; Statistik und Deportation der jüdischen Bevölkerung aus dem Deutschen Reich, Baden – Pfalz – Saarland nach Gurs, http://www.statistik-des-holocaust.de/list_ger_swd_401022.html (Zugriff 20.11.2015); http://juden-in-sulzburg.de/person/bloch-leopold; https://de.wikipedia.org/wiki/Sulzburg#cite_note-5 (Zugriff 22.10.2015); https://de.wikipedia.org/wiki/F%C3%BCsilier-Regiment_%E2%80%9Evon_Gersdorff%E2%80%9C_%28Kurhessisches%29_Nr._80 (Zugriff 23.11.2015); Geschichtswerkstatt Sulzburg, Sybille Höschele, Auskunft über Stammbaum der Familie Bloch in Sulzburg.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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