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Bereits verlegte Stolpersteine



Richard Guth * 1884

ohne Hamburger Adresse


ermordet am 23.9.1940 in der Tötungsanstalt Brandenburg an der Havel

Weitere Stolpersteine in ohne Hamburger Adresse :
Dr. Hans Bloch, Felix Cohn, Moraka Farbstein, Erland Walter Friedmann, Martha Havelland, Albert Hirsch, Auguste Hirschkowitz, Sophie Kasarnowsky, Ernestine Levy, Richard Levy, Hannchen Lewin, Bronislawa Luise Dorothea Mattersdorf, Karl Friedrich Michael, Lucie Rothschild, Dorothea Dorthy Silberberg, Wilhelm Süsser, Anna Luise (Louise Hedwig) Weimann, Salo Weinberg

Richard Guth, geb. am 9.9.1884 in Wien, ermordet am 23.9.1940 in der Tötungsanstalt Brandenburg an der Havel

Ohne Stolperstein

Richard Guth wurde am 9. September 1884 in Wien als Sohn jüdischer Eltern geboren. Bereits seit dem 5. Juli 1899, also seit seinem fünfzehnten Lebensjahr, lebte er in Hamburg in den damaligen Alsterdorfer Anstalten. Im Aufnahmebuch der Alsterdorfer Anstalten sind seine Eltern als "Agent" (Handelsvertreter) Bernhard Guth und Clotilde, geborene Bachrich, Wien II, Förstergasse 7, notiert. Der Geburtseintrag der Wiener Israelitischen Kultusgemeinde bezeichnet seinen Vater als Bernsteinfabrikanten. Wir wissen nicht, aus welchem Grunde Richard Guth nach Hamburg kam. Seine Eltern scheinen nicht in dieser Stadt gelebt zu haben, jedenfalls enthält das Hamburger Adressbuch keinen entsprechenden Hinweis. Ihnen muss es wirtschaftlich gut gegangen sein, denn Richard Guth wurde in Alsterdorf als Privatpatient geführt.

Nach 1933 entwickelten sich die Alsterdorfer Anstalten zu einem nationalsozialistischen Musterbetrieb, in dem eugenische Vorstellungen und damit einhergehend auch Zwangssterilisationen als "Verhütung unwerten Lebens" unterstützt wurden. Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Verfolgung der Juden im Deutschen Reich auch zu entsprechenden Maßnahmen in den Alsterdorfer Anstalten führte. Ein Urteil des Reichsfinanzhofs vom 18. März 1937 diente als Vorwand, die Entlassung aller Juden aus dieser Einrichtung zu betreiben. Ihr Leiter, Pastor Friedrich Karl Lensch, leitete aus dem Urteil die Gefahr des Verlustes der steuerrechtlichen Gemeinnützigkeit ab, wenn künftig Jüdinnen und Juden in der Anstalt bleiben würden. Ein Schreiben vom 3. September 1937 an die Hamburger Fürsorgebehörde enthielt 18 Namen von "jüdischen Zöglinge[n], welche hier auf Kosten der Fürsorgebehörde untergebracht sind", darunter auch den von Richard Guth. Anscheinend hatte er inzwischen seinen Status als Privatpatient verloren. Er wurde als einer der letzten jüdischen Patienten am 24. Januar 1939 aus Alsterdorf entlassen und in die Heil- und Pflegeanstalt Hamburg-Langenhorn überführt.

Von Langenhorn kam Richard Guth am 28. August 1939 auf das Gut Düssin in Westmecklenburg. Die Stadt Hamburg hatte das Gut Ende 1938 gekauft, um dort eine Anstalt für Menschen mit geistiger Behinderung oder geistiger Erkrankung als Entlastung für die Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn zu errichten. In Düssin wurden zunächst 220 Menschen aus Langenhorn untergebracht, die dort Landarbeit verrichten mussten. Unter ihnen befanden sich neben Richard Guth sechs weitere Männer und Frauen jüdischer Herkunft. Richard Guths Einsatz in Düssin endete am 30. August 1940 mit seiner Wiederaufnahme in Langenhorn.

Ob dieser Ortswechsel bereits in Verbindung stand mit einer von der Planungs- und Verwaltungszentrale für die NS-Krankenmorde in der Berliner Tiergartenstraße 4 (T4) und dem Reichsinnenministerium im April 1940 begonnenen reichsweiten Aktion, lässt sich nicht klären. Im Rahmen dieser Aktion wurden zunächst alle jüdischen Patienten in Heil- und Pflegeanstalten im Deutschen Reich und in der sogenannten Ostmark (Österreich) erfasst, dann in sogenannten Sammelanstalten zusammengeführt und anschließend in mehreren Tötungsanstalten mit Kohlenmonoxyd ermordet. Die Heil- und Pflegeanstalt Hamburg-Langenhorn wurde zur norddeutschen Sammelanstalt bestimmt. Alle Einrichtungen in Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg wurden angewiesen, die in ihren Anstalten lebenden Juden bis zum 18. September 1940 dorthin zu verlegen.

Am 23. September 1940 wurde Richard Guth mit weiteren 135 Patienten aus norddeutschen Anstalten nach Brandenburg an der Havel transportiert. Der Transport erreichte die märkische Stadt noch an demselben Tag. In dem zur Gasmordanstalt umgebauten Teil des ehemaligen Zuchthauses trieb man die Patienten umgehend in Gaskammern und tötete sie mit Kohlenmonoxyd. Nur Ilse Herta Zachmann entkam zunächst diesem Schicksal (siehe dort).

Wir wissen nicht, ob und ggf. wann Angehörige Kenntnis von Richard Guths Tod erhielten. In allen dokumentierten Mitteilungen wurde behauptet, dass der oder die Betroffene in Chelm (polnisch) oder Cholm (deutsch) verstorben sei. Die in Brandenburg Ermordeten waren jedoch nie in Chelm/Cholm, einer Stadt östlich von Lublin. Die dort früher existierende polnische Heilanstalt bestand nicht mehr, nachdem SS-Einheiten am 12. Januar 1940 fast alle Patienten ermordet hatten. Auch gab es in Chelm kein deutsches Standesamt. Dessen Erfindung und die Verwendung falscher, späterer Sterbedaten dienten dazu, die Mordaktion zu verschleiern und zugleich entsprechend länger Verpflegungskosten einfordern zu können.

Für Richard Guth konnte keine persönliche Adresse in Hamburg ermittelt werden, so dass kein individueller Ort bestimmt werden kann, an dem seiner mit einem Stolperstein gedacht werden könnte.

Stand: November 2017
© Ingo Wille

Quellen: 1; 4; 5; 8; 9; StaH 133-1 III Staatsarchiv III, 3171-2/4 U.A. 4, Liste psychisch kranker jüdischer Patientinnen und Patienten der psychiatrischen Anstalt Langenhorn, die aufgrund nationalsozialistischer "Euthanasie"-Maßnahmen ermordet wurden, zusammengestellt von Peter von Rönn, Hamburg (Projektgruppe zur Erforschung des Schicksals psychisch Kranker in Langenhorn); 352-8/7 Staatskrankenanstalt Langenhorn Abl. 1/1995 Aufnahme-/Abgangsbuch Langenhorn 26. 8. 1939 bis 27. 1. 1941; 371-19_2001 (Düssin) (2); Evang. Stiftung Alsterdorf, Archiv, Aufnahmebuch; Israelitische Kultusgemeinde (IKG) Wien, Matrikenamt, A / VIE / IKG / I / BUCH / MA / Geburtsbuch / 36.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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