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Bereits verlegte Stolpersteine



Hannchen Lewin * 1879

ohne Hamburger Adresse


ermordet am 23.9.1940 in der Tötungsanstalt Brandenburg an der Havel

Weitere Stolpersteine in ohne Hamburger Adresse :
Dr. Hans Bloch, Felix Cohn, Moraka Farbstein, Erland Walter Friedmann, Richard Guth, Martha Havelland, Albert Hirsch, Auguste Hirschkowitz, Sophie Kasarnowsky, Ernestine Levy, Richard Levy, Bronislawa Luise Dorothea Mattersdorf, Karl Friedrich Michael, Lucie Rothschild, Dorothea Dorthy Silberberg, Wilhelm Süsser, Anna Luise (Louise Hedwig) Weimann, Salo Weinberg

Hannchen Lewin, geb. am 8.5.1879 in Rogasen (heute Rogozno, Polen), ermordet am 23.9.1940 in der Tötungsanstalt Brandenburg an der Havel

Ohne Stolperstein

Hannchen Lewin kam als Tochter des Mützenmachers Louis Lewin und seiner Ehefrau Bertha, geborene Zastrow, am 8. Mai 1879 in Rogasen, 30 km nördlich von Posen zur Welt. Die Eltern gehörten dem jüdischen Glauben an.

Über Hannchen Lewins Kindheit und Jugend sowie über die Gründe für ihren Aufenthalt in einer psychiatrischen Anstalt stehen keinerlei Informationen zur Verfügung. Wir wissen nicht, wie Hannchen Lewin nach Hamburg kam, ob allein oder mit ihren Eltern, und wo sie in Hamburg lebte. Sicher ist, dass sie im März/April 1923 wegen einer psychischen Erkrankung in der Staatskrankenanstalt Friedrichsberg aufgenommen wurde. Auf ihrer Patienten-Karteikarte findet sich der Eintrag "Stand ohne". Dies deutet darauf hin, dass sie keinen Beruf hatte.

Von Friedrichsberg wurde Hannchen Lewin am 10. Dezember 1923 in die Staatskrankenanstalt Hamburg-Langenhorn verlegt. Dort lebte sie in den folgenden fast zwölf Jahren, bis sie im Zuge der zahlreichen Patientenverlegungen als Folge des sogenannten Friedrichsberg-Langenhorner Plans am 9. Juli 1935 mit anderen Patientinnen und Patienten aus Langenhorn nach Eichenkamp, einer 1928/1929 gegründeten privaten Einrichtung für Alte, Kranke und Behinderte in Thesdorf/Pinneberg, überführt wurde. Am 15. Juli 1939 wurden diese jüdischen Patienten wieder nach Langenhorn zurückgebracht.

Im Frühjahr/Sommer 1940 plante die "Euthanasie"-Zentrale in Berlin, Tiergartenstraße 4, eine Sonderaktion gegen Juden in öffentlichen und privaten Heil- und Pflegeanstalten. Sie ließ die in den Anstalten lebenden jüdischen Menschen erfassen und in sogenannten Sammelanstalten zusammenziehen. Die Heil- und Pflegeanstalt Hamburg-Langenhorn wurde zur norddeutschen Sammelanstalt bestimmt. Alle Einrichtungen in Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg wurden angewiesen, die in ihren Anstalten lebenden Juden bis zum 18. September 1940 dorthin zu verlegen. Nachdem alle jüdischen Patienten aus den norddeutschen Anstalten in Langenhorn eingetroffen waren, wurden sie am 23. September 1940 auf dem Güterbahnhof Ochsenzoll in einen Zug verladen und nach Brandenburg an der Havel transportiert. Noch am selben Tag wurden sie in dem zur Gasmordanstalt umgebauten Teil des ehemaligen Zuchthauses mit Kohlenmonoxyd getötet. Nur eine Patientin, Ilse Herta Zachmann, entkam diesem Schicksal zunächst (siehe dort).

Es ist nicht bekannt, ob und ggf. wann Angehörige Kenntnis von ihrem Tod erhielten. In allen dokumentierten Mitteilungen wurde behauptet, dass der oder die Betroffene in Chelm (polnisch) oder Cholm (deutsch) verstorben sei. Die in Brandenburg Ermordeten waren jedoch nie in Chelm/Cholm, einer Stadt östlich von Lublin. Die dort früher existierende polnische Heilanstalt bestand nicht mehr, nachdem SS-Einheiten am 12. Januar 1940 fast alle Patienten ermordet hatten. Auch gab es in Chelm/Cholm kein deutsches Standesamt. Auf Hannchen Lewins Geburtsurkunde findet sich die Notiz "gestorben am 5.4.1941 in Cholm (St.A. Cholm II Nr. 312/41)". Die Erfindung des Standesamtes und die Verwendung späterer als der tatsächlichen Sterbedaten dienten dazu, die Mordaktion zu verschleiern und zugleich entsprechend länger Verpflegungskosten einfordern zu können.

Eine Adresse von Hannchen Lewin in Hamburg ist nicht bekannt, so dass kein individueller Ort bestimmt werden kann, an dem ihrer mit einem Stolperstein gedacht werden könnte.

Stand: November 2017
© Ingo Wille

Quellen: 1; 4; 5; StaH 133-1 III Staatsarchiv III, 3171-2/4 U.A. 4, Liste psychisch kranker jüdischer Patientinnen und Patienten der psychiatrischen Anstalt Langenhorn, die aufgrund nationalsozialistischer "Euthanasie"-Maßnahmen ermordet wurden, zusammengestellt von Peter von Rönn, Hamburg (Projektgruppe zur Erforschung des Schicksals psychisch Kranker in Langenhorn); 352-8/7 Staatskrankenanstalt Langenhorn Abl. 1/1995 Aufnahme-/Abgangsbuch Langenhorn 26.8.1939 bis 27.1.1941; UKE/IGEM, Archiv, Patienten-Karteikarte Hannchen Lewin der Staatskrankenanstalt Friedrichsberg; JSHD Forschungsgruppe "Juden in Schleswig-Holstein", Datenpool Erich Koch, Schleswig; Archiwum Panstwowe w Poznaniu, Standesamt Rogasen, Geburtsregister Nr. 72/1879 Hannchen Lewin; Stadtarchiv Pinneberg, Auskünfte über die Geschichte des heutigen Pflegeheims Pinneberg, Ortsteil Thesdorf, Rellinger Straße 37. Wunder, Auflösung Friedrichsberg, S. 128–131.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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