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Bereits verlegte Stolpersteine



Lucie Rothschild * 1907

ohne Hamburger Adresse


ermordet am 23.9.1940 in der Tötungsanstalt Brandenburg an der Havel

Weitere Stolpersteine in ohne Hamburger Adresse :
Dr. Hans Bloch, Felix Cohn, Moraka Farbstein, Erland Walter Friedmann, Richard Guth, Martha Havelland, Albert Hirsch, Auguste Hirschkowitz, Sophie Kasarnowsky, Ernestine Levy, Richard Levy, Hannchen Lewin, Bronislawa Luise Dorothea Mattersdorf, Karl Friedrich Michael, Dorothea Dorthy Silberberg, Wilhelm Süsser, Anna Luise (Louise Hedwig) Weimann, Salo Weinberg

Lucie Rothschild, geb. am 18.9.1907 in Berlin, ermordet am 23.9.1940 in der Tötungsanstalt Brandenburg an der Havel

Ohne Stolperstein

Lucie Rothschild kam am 18. September 1907 als Tochter des Kaufmanns Israel Rothschild und seiner Ehefrau Elise Rothschild, geborene Meininger, zur Welt. Das Ehepaar wohnte zu der Zeit in Berlin-Schöneberg, Heilbronnerstraße 5. Es bekannte sich zur jüdischen Religion. Diese wenigen Informationen gehen aus Lucie Rothschilds Geburtsurkunde hervor. Weitere Einzelheiten über ihre Kindheit oder Jugend kennen wir nicht. Lucie erlernte den Beruf der Verkäuferin und wohnte in den 1920er und 1930er Jahren in vielen Städten, oft als Untermieterin ihrer Mutter. Im März 1930 hatte sie die Absicht, sich zu verheiraten. Dazu kam es aber nicht.

In der zweiten Hälfte der 1930er Jahre muss Lucie Rothschild nach Hamburg gekommen sein. Sie wurde im August 1937 vom Amtsgericht Hamburg wegen Diebstahls zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, die am 27. Februar 1938 enden sollte. Danach sollte sich eine Unterbringung in einer "Entziehungsanstalt" anschließen. Wir wissen nicht, welche konkrete Straftat der Verurteilung zugrunde lag. Aus der damaligen Haftkarteikarte ergibt sich, dass Lucie Rothschild zwei Geschwister hatte. Lucies Vater war bereits verstorben, ihre Mutter lebte inzwischen in Tel Aviv.

Am 26. Februar 1938 wurde Lucie Rothschild aus der Haft direkt in die Staatskrankenanstalt Hamburg-Langenhorn überführt. Sie blieb dort bis 1940. Welche Art der "Entziehung" mit dieser Einweisung bezweckt wurde, ist nicht bekannt.

Im Frühjahr/Sommer 1940 plante die "Euthanasie"-Zentrale in Berlin, Tiergartenstraße 4, eine Sonderaktion gegen Juden in öffentlichen und privaten Heil- und Pflegeanstalten. Sie ließ die in den Anstalten lebenden jüdischen Menschen erfassen und in sogenannten Sammelanstalten zusammenziehen. Die Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn wurde zur norddeutschen Sammelanstalt bestimmt. Alle Einrichtungen in Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg wurden angewiesen, die in ihren Anstalten lebenden Juden bis zum 18. September 1940 dorthin zu verlegen. Nachdem alle jüdischen Patienten aus den norddeutschen Anstalten in Langenhorn eingetroffen waren, wurden sie am 23. September 1940 gemeinsam mit den dort bereits länger lebenden jüdischen Patienten nach Brandenburg an der Havel transportiert. Noch am selben Tag brachte man sie in den zur Gasmordanstalt umgebauten Teil des ehemaligen Zuchthauses und ermordete sie mit Kohlenmonoxyd. Nur Ilse Herta Zachmann entkam diesem Schicksal zunächst (siehe dort).

Es ist nicht bekannt, ob und ggf. wann Angehörige Kenntnis von Lucie Rothschilds Tod erhielten. In allen dokumentierten Mitteilungen wurde behauptet, dass der oder die Betroffene in Chelm (polnisch) oder Cholm (deutsch) verstorben sei. Auf dem Geburtsregistereintrag von Betty Berges wurde notiert, dass sie am 30. Januar 1941 gestorben sei und das Standesamt Chelm II ihren Tod unter der Nummer 363/1941 registriert hat. Die in Brandenburg Ermordeten waren jedoch nie in Chelm oder Cholm, einer Stadt östlich von Lublin. Die dort früher existierende polnische Heilanstalt bestand nicht mehr, nachdem SS-Einheiten fast alle Patienten am 12. Januar 1940 ermordet hatten. Auch gab es in Chelm kein deutsches Standesamt. Dessen Erfindung und die Verwendung späterer als der tatsächlichen Sterbedaten dienten dazu, die Mordaktion zu verschleiern und zugleich entsprechend länger Verpflegungskosten einfordern zu können.

Eine Adresse von Lucie Rothschild in Hamburg ist nicht bekannt, so dass kein individueller Ort bestimmt werden kann, an dem ihrer mit einem Stolperstein gedacht werden könnte.

Stand: November 2017
© Ingo Wille

Quellen: 1; 4; 5; 9; StaH 133-1 III_3171-2/4 U.A. 4, Listen psychisch kranker jüdischer Patientinnen und Patienten des Krankenhauses Langenhorn, die aufgrund nationalsozialistischer "Euthanasie"-Maßnahmen ermordet wurden, zusammengestellt von Peter von Rönn, Hamburg (Projektgruppe zur Erforschung des Schicksals psychisch Kranker in Langenhorn); Standesamt Berlin-Schöneberg, Geburtsregister Nr. 2452/1907 Lucie Rothschild; Stadtarchiv Hildesheim, Bestand 102 Nr. 7427 Meldeblatt.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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