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Gottfried Simon * 1885

Langenhorner Chaussee 560 (Hamburg-Nord, Langenhorn)


ermordet am 23.9.1940 in der Tötungsanstalt Brandenburg an der Havel

Weitere Stolpersteine in Langenhorner Chaussee 560:
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Gottfried Simon, geb. am 12.12.1885 in Mannheim, ermordet am 23.9.1940 in der Tötungsanstalt Brandenburg an der Havel

Langenhorner Chaussee 560 Asklepios-Klinik (Hamburg-Nord, Langenhorn)

Gottfried Simon war einer von drei Söhnen des in Mannheim lebenden Kaufmanns David Simon, geboren am 27. Juni 1851 in Mainz, und seiner Ehefrau Wilhelmine Leondine Louise, geborene Salomon, geboren am 7. Oktober 1860 ebenfalls in Mainz. In späteren Dokumenten wurde als Vorname manchmal "Gottfried Fritz" notiert. Laut Geburtsurkunde hatte er jedoch nur den Vornamen "Gottfried".

Die Eltern hatten am 2. Februar 1882 in Mainz geheiratet und bekannten sich zur jüdischen Religion. David Simon ließ sich 1878 in Mannheim nieder, um dort ein Agenturgeschäft zu betreiben. Nach der Heirat zog Leondine Simon zu ihrem Ehemann nach Mannheim.

Am 5. Dezember 1882 bekam das Ehepaar Simon sein erstes Kind, Leo. Ihm folgten Gottfried am 12. Dezember 1885 und Franz am 19. Mai 1890. Alle Söhne wurden in Mannheim geboren.

David Simon scheint beruflich recht erfolgreich gewesen zu sein. Er arbeitete als "Agent" (Vertreter), Kaufmann und "Banquier". Zudem hatte er laut Meldekarte auch das Amt eines Konsuls übernommen, für welches Land ist nicht überliefert. Er starb 1923. Seine Witwe verließ Deutschland am 21. März 1936 und nahm ihren Wohnsitz in Wien.

Gottfried Simon lebte bis 1915 in Mannheim. Er gab Kaufmann als Beruf an. Danach lässt sich sein Aufenthalt nur lückenhaft verfolgen. Zwischen 1923 und 1925 soll er im Gefängnis in Frankenthal (Pfalz) eingesessen haben. Der Grund ist nicht bekannt. Im September 1925 meldete er sich nach Wien ab. 1934 hielt er sich in Berlin-Lichterfelde auf.

Gottfried Simon war vor dem 14. November 1939 Patient der Landesheilanstalt Neustadt und wurde an diesem Tag in die Landesanstalt Neustrelitz-Strelitz, Abteilung Heil- und Pflegeanstalt, verlegt. Über den Grund seines Anstaltsaufenthalts geben die noch vorhandenen Dokumente keine Auskunft.

Im Frühjahr/Sommer 1940 plante die "Euthanasie"-Zentrale in Berlin, Tiergartenstraße 4, eine Sonderaktion gegen Juden in öffentlichen und privaten Heil- und Pflegeanstalten. Sie ließ die in den Anstalten lebenden jüdischen Menschen erfassen und in sogenannten Sammelanstalten zusammenziehen. Die Heil- und Pflegeanstalt Hamburg-Langenhorn wurde zur norddeutschen Sammelanstalt bestimmt. Alle Einrichtungen in Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg wurden angewiesen, die in ihren Anstalten lebenden Juden bis zum 18. September 1940 dorthin zu verlegen.

Die Landesanstalt Neustrelitz-Strelitz, Abteilung Heil- und Pflegeanstalt, meldete mit Schreiben vom 12. September 1940 an den Oberstaatsanwalt in Altona, "daß der am 14. November 1939 aus Neustadt nach hier verlegte asoziale Irre, der Jude Gottfried, Fritz, Israel Simon, geb.12.12.1885 in Mannheim, am 17. d. Mts. durch einen hiesigen Transporteur nach Langenhorn gebracht werden wird".

So geschah es. Am 17. September 1940 überführte der Aufseher Buck Gottfried Simon in die Heil- und Pflegeanstalt Hamburg-Langenhorn. Die Landesanstalt Neustrelitz-Strelitz, Abteilung Heil- und Pflegeanstalt, meldete an demselben Tag Vollzug an den Oberstaatsanwalt Altona.

Nachdem alle jüdischen Patienten aus den norddeutschen Anstalten in Langenhorn eingetroffen waren, wurden sie gemeinsam mit den dort bereits länger lebenden jüdischen Patienten am 23. September 1940 in einem Transport von insgesamt 136 Menschen nach Brandenburg an der Havel gebracht. Noch am selben Tag wurden sie in dem zur Gasmordanstalt umgebauten Teil des ehemaligen Zuchthauses mit Kohlenmonoxyd getötet. Nur eine Patientin, Ilse Herta Zachmann, entkam diesem Schicksal zunächst (siehe dort).

Es ist nicht bekannt, ob und ggf. wann Angehörige Kenntnis von Gottfried Simons Tod erhielten. In allen dokumentierten Mitteilungen wurde behauptet, dass der oder die Betroffene in Chelm (polnisch) oder Cholm (deutsch) verstorben sei. Auf dem Geburtsregistereintrag von Gottfried Simon wurde notiert: "Gestorben 9. Jan. 1941 in Chelm Nr. I 8/37/41. B. 15/41." Die in Brandenburg Ermordeten waren jedoch nie in Chelm oder Cholm, einer Stadt östlich von Lublin. Die dort früher existierende polnische Heilanstalt bestand nicht mehr, nachdem SS-Einheiten am 12. Januar 1940 fast alle Patienten ermordet hatten. Auch gab es in Chelm kein deutsches Standesamt. Dessen Erfindung und die Verwendung späterer als der tatsächlichen Sterbedaten dienten dazu, die Mordaktion zu verschleiern und zugleich entsprechend länger Verpflegungskosten einfordern zu können.

So geschah es. Am 17. September 1940 überführte ein Aufseher Gottfried Simon in die Heil- und Pflegeanstalt Hamburg-Langenhorn. Die Landesanstalt Neustrelitz-Strelitz meldete am selben Tag Vollzug an den Oberstaatsanwalt Altona.

Die jüdischen Frauen und Männer aus den norddeutschen Anstalten wurden gemeinsam mit den bereits länger in Langenhorn lebenden Jüdinnen und Juden am 23. September 1940 in die sogenannte Landes-Pflegeanstalt nach Brandenburg an der Havel gebracht. Noch am selben Tag wurden sie in dem zur Gasmordanstalt umgebauten Teil des ehemaligen Zuchthauses mit Kohlenmonoxyd getötet.

In allen dokumentierten Mitteilungen wurde zur Verschleierung der Mordaktion behauptet, dass die Betroffenen in Chełm (polnisch) oder Cholm (deutsch) verstorben seien. Auf dem Geburtsregistereintrag von Gottfried Simon wurde notiert: "Gestorben 9. Jan. 1941 in Chelm Nr. I 8/37/41. B. 15/41."

Die Schicksale von Gottfried Simons Brüdern Leo und Franz kennen wir nicht.

Von Gottfried Simon ist keine persönliche Wohnadresse in Hamburg bekannt. An ihn erinnert ein Stolperstein auf dem Gelände der heutigen Asklepios-Klinik Nord – Ochsenzoll (früher Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn).

Stand: März 2020
© Ingo Wille

Quellen: 5; StaH 133-1 III Staatsarchiv III, 3171-2/4 U.A. 4, Liste psychisch kranker jüdischer Patientinnen und Patienten der psychiatrischen Anstalt Langenhorn, die aufgrund nationalsozialistischer "Euthanasie"-Maßnahmen ermordet wurden, zusammengestellt von Peter von Rönn, Hamburg (Projektgruppe zur Erforschung des Schicksals psychisch Kranker in Langenhorn); 352-8/7 Staatskrankenanstalt Langenhorn Abl. 1/1995 Aufnahme-/Abgangsbuch Langenhorn 26.8.1939 bis 27.1.1941; Stadtarchiv Mannheim, Geburtsregister Nr. 1991/1885 Gottfried Simon, Ledigenmeldekarte AB 1143 0966 0 Gottfried Simon; Landeshauptarchiv Schwerin, 5.12-3/27, Nr. 756 Fürsorgeamt Güstrow.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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