Namen, Orte und Biografien suchen


Bereits verlegte Stolpersteine



Hedel Silberberg (geborene Cohn) * 1893

Weidenallee 23 (Eimsbüttel, Eimsbüttel)


HIER WOHNTE
HEDEL
SILBERBERG
GEB. COHN
JG. 1893
FLUCHT 1933 FRANKREICH
MIT HILFE ÜBERLEBT

Weitere Stolpersteine in Weidenallee 23:
Julius Frensdorff, Rebecca Frensdorff, Siegfried Frensdorff, Peter Rolf Silberberg, Karl-Heinz Silberberg

Hedwig "Hedel" Silberberg, geb. Cohn, geb. am 24.12.1893 in Samter/ Provinz Posen, Flucht nach Frankreich 1933, mit Hilfe überlebt, 1946 in Paris gestorben
Karl-Heinz Silberberg, geb. am 15.5.1915 in Oldenburg, Flucht nach Frankreich, interniert in Drancy, deportiert am 4.11.1942 nach Auschwitz, ermordet am 2.12.1942
Peter Rolf Silberberg, geb. am 8.2.1921 in Hamburg, Flucht 1933 Frankreich, interniert in Drancy, deportiert am 2.9.1942 nach Auschwitz und dort ermordet

Weidenallee 23

Zunächst sah es so aus, als würde das Schicksal von Hedel Silberberg, der Schwiegertochter von Henny Silberberg (s. dort), in Frankreich ungeklärt bleiben. Dann fand sich nach einer längeren Suche eine Spur zu ihrem ältesten Bruder Arthur. Aus einer Akte erfuhren wir mit seinen Worten: "eine Schwester ist im Alter von 54 Jahren 1946 in Paris im Anschluß an die Verfolgung aus Gram gestorben". Doch blicken wir auf das Leben von Hedel Silberberg und ihrer Familie zurück.

Hedel Hedwig Cohn war am 24.12.1893 in Samter/ Provinz Posen, im heutigen Polen, zur Welt gekommen. Ihre Brüder Arthur (1888-1971 Bad Harzburg) und Georg Gabriel (1889-1951 Sydney/ Australien) wurden ebenfalls dort geboren. Ein weiterer Bruder starb bereits mit 15 Jahren. Die Eltern der drei Geschwister waren Israel Ignatz Cohn, der 1925 starb, und Betty, geb. Treuenfels (1858 Weilburg/ Hessen-1940 Glusk/ Polen).

Zu einem uns unbekannten Zeitpunkt ehelichte Hedel Cohn den Oldenburger Kaufmann Richard Silberberg (1884-1930 Hamburg). Ihr erster Sohn Karl-Heinz kam am 15.5.1915 in Oldenburg zur Welt. Möglicherweise durch den Zuspruch von Richards älterem Bruder Theodor, der bereits seit den 1910er Jahren mit Frau und Kindern in Harvestehude lebte, verzog die kleine Familie nach Hamburg. Eine passende Wohnung fanden sie in der Weidenallee 23/ Eimsbüttel, die ab dem 8.2.1921 das neue Zuhause vom jüngsten Sohn Peter Rolf wurde.

Ein Blick in das Hamburger Adressbuch von 1921 zeigt, dass Richard Silberberg erstmals als Mitinhaber einer Import- und Exportfirma zusammen mit seinem Bruder Theodor erwähnt wurde. So blieb es bis zum Jahre 1930, in dem Jahr, als Richard Silberberg starb. Seine letzte Ruhe fand er auf dem Jüdischen Friedhof Ilandkoppel. Zunächst lebten seine Witwe Hedwig und die beiden Söhne weiterhin in der Weidenallee, später für kurze Zeit am Hallerplatz 1.

Wenige Monate nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Januar 1933 entschloss sich Hedwig, mit dem jüngsten Sohn Peter Rolf nach Frankreich zu fliehen. Ob politische Weitsicht den Ausschlag gab, ist nicht bekannt. Karl-Heinz blieb vorerst in Hamburg und wohnte bis März 1935 in der Familie seines Onkels Theodor in der Isestraße. Dann meldete er sich in Hamburg ab und verzog nach Frankfurt, so die Hinweise auf seiner Kultussteuerkarte. In Frankfurt blieb er jedoch nur kurze Zeit und flüchtete weiter nach Frankreich. Sein Onkel Theodor und Familie emigrierten um 1936/ 1937 nach São Paulo/ Brasilien.

Wir wissen nicht, ob Karl-Heinz seine Mutter und den jüngeren Bruder in Frankreich wieder traf, und es ist uns auch nicht bekannt, unter welchen Bedingungen diese dort lebten.

Im Frühjahr 1940 überfiel und besetzte die Deutsche Wehrmacht die Niederlande, Belgien und Luxemburg sowie einen Teil Frankreichs. Anfang Juni 1940 folgte der Waffenstillstand, wodurch Frankreich geteilt wurde, in die Besetzte und Freie Zone. Dort ließ sich die französische Regierung in Vichy nieder, bis zur Besetzung gegen Ende 1942.

Erste Spuren zu Hedel und Peter Rolf Silberberg in Frankreich fanden sich auf einer Residentenliste, jedoch ohne weitere Angaben. Das nächste "Lebenszeichen" zeigte sich mit der Verhaftung von Peter Rolf Silberberg Anfang August 1942. Zunächst wurde er in das Internierungslager Rivesaltes verbracht, dann in das Lager Nexon. Beide Lager befanden sich in der bis November 1942 unbesetzten (Freien) Zone. Von dort ging es weiter in das Durchgangslager Drancy, nordöstlich von Paris. Mit dem Transport am 2. September 1942 wurde Peter Rolf Silberberg nach Auschwitz deportiert und ermordet.

Fast zeitgleich erfolgte die Verhaftung von Karl Heinz Silberberg in Coursac, ebenfalls in der Freien Zone gelegen, und sein Weitertransport nach Drancy. Von dort wurde er am 4. November 1942 in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert, wo er am 2. Dezember 1942 ermordet wurde.

Wo und wie Hedel Silberberg überlebt hat und wie sie nach der Befreiung nach Paris gekommen ist, wo sie 1946 starb, wissen wir nicht.

Welche Spuren fanden sich zu den Angehörigen von Hedel Silberberg?
Die Mutter von Hedel und deren Brüdern, Betty Treuenfels, stammte aus Weilburg, im heutigen Hessen. Zu einem uns unbekannten Zeitpunkt heiratete sie Israel Ignatz Cohn. Nach der Geburt der Kinder lebte die Familie in Stettin/ Pommern (heute Szczecin/ Polen). Der Vater starb 1925. Betty Cohn wurde Anfang Februar 1940 von ihrer letzten Adresse in das Lager Glusk bei Lublin/ Polen deportiert, wo sie am 24. Februar 1940 starb.

Der älteste Bruder Arthur Cohn lebte als erfolgreicher Kaufmann in Berlin. Ihm gehörte bis 1938 die Hosenmanufaktur Max Rawitz Nachfolger in Berlin-Mitte, welche namhafte Kaufhäuser, unter anderem in Dresden und Berlin, belieferte. 1923 hatte er Valeska Gillis (1896-1955 Berlin) geheiratet, die aus Beuthen/ Schlesien (heute Bytom/ Polen) stammte. Deren Tochter Ilse kam 1924 in Berlin zur Welt. Vermutlich führten die Cohns bis zur Machtübernahme durch die Nationalsozialisten im Januar 1933 ein relativ normales Leben in Berlin. Dann wurden neue Gesetze und Anordnungen erlassen, mit dem Ziel, die Juden aus dem öffentlichen Leben zu drängen. So verlor Arthur Cohn 1938 seinen Betrieb, der "arisiert" bzw. kurzerhand gelöscht wurde. Im Zusammenhang mit den reichsweiten Pogromen im November 1938 wurde er in das KZ Sachsenhausen verbracht, aus dem er Anfang Dezember 1938 entlassen wurde. Die "schnelle" Entlassung war verbunden mit der Aufforderung der baldigen Ausreise. Anfang August 1939 flüchtete das Ehepaar Cohn nach Shanghai. Die Tochter Ilse gelangte vorher vermutlich mit einem Kindertransport nach England. Auf jeden Fall lebte sie als verheiratete Frau in den 1950er Jahren in England. Die Cohns blieben bis Anfang 1949 in Shanghai. Beide erkrankten mehrmals schwer, bedingt durch die schlechten Lebensbedingungen in Shanghai, zum anderen vertrugen viele Nordeuropäer das dortige Klima nicht. Von 1949 bis 1954 lebten die Cohns in Israel. Doch auch dort kamen sie mit den klimatischen Verhältnissen nicht zurecht. So kehrten sie 1954 nach Berlin zurück, wo Valeska Cohn 1955 an einer Krebserkrankung starb. Ihre letzte Ruhe fand sie auf dem Jüdischen Friedhof Weissensee. Arthur Cohn, ebenfalls gesundheitlich schwer angeschlagen, verzog 1960 nach Bad Harzburg. Dort starb er Anfang Juli 1971.

Der Zahnarzt Georg Gabriel Cohn heiratete im Dezember 1919 Frieda Kuttner (1884 Posen-1959 Sydney/ Australien). Das Ehepaar lebte in Berlin, wo 1921 Tochter Lore zur Welt kam. In Berlin-Kreuzberg eröffnete Georg Cohn 1922 seine Praxis (Oranienstr.), die er bis 1938 führte. Dann schloss ihn die Kassenärztliche Vereinigung aus und er durfte nur noch Juden behandeln. Um weiteren Schikanen zu entgehen, flüchteten die Cohns ebenfalls nach Shanghai. Wir wissen nicht, ob die beiden Brüder und ihre Ehefrauen gemeinsam nach Shanghai flüchteten. Georg und Frieda Cohn und Tochter Lore lebten nach 1945 in Sydney/ Australien. Dort starb das Ehepaar in den 1950er Jahren.

Stand: April 2020
© Sonja Zoder

Quellen: 1; 5; 8; Hamburger Standesamt 3a beglaubigte Abschrift der Geburtsurkunde Nr. 279 für Peter Rolf Silberberg vom 5.12.2017; Landesverwaltung Berlin, Abt. III Entschädigungsbehörde, Register-Nr. 50682; Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten Berlin, Abt. I Entschädigungsbehörde, Register-Nr. 57436 jeweils am 28.11.2019; URL: https://www.tracingthepast.org/minority-census; http://digital.lb-oldenburg.de/ihd.content/search/162339?query=silberberg, http://erinnerungsbuch-oldenburg.de, http://geni.com jeweils am 17.1.2019; http://www.memorialdelashoah.org/ am 10.12.2017; https://de.wikipedia.org/wiki/Bytom am 15.3.2020; https://www.stolpersteine-berlin.de/biografie.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

druckansicht  / Seitenanfang