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Bernhard Schreiber * 1914

Wilstorfer Straße 45 (Harburg, Harburg)


HIER WOHNTE
BERNHARD SCHREIBER
JG. 1914
IM WIDERSTAND / KPD
VERHAFTET 25.7.1934
ZUCHTHAUS NEUMÜNSTER
1942 "STRAFBATAILLON 999"
SCHICKSAL UNBEKANNT

Weitere Stolpersteine in Wilstorfer Straße 45:
Erika Piepenbrink

Bernhard Schreiber, geb. 8.11.1914 in Harburg, Bewährungsbataillon 999, vermisst

Stadtteil Harburg Altstadt, Wilstorfer Straße 45

Bernhard Schreiber wurde in eine Zeit hineingeboren, in der in Harburg – und in ganz Deutschland – bittere Not herrschte. Von dem Jubel, mit dem breite Bevölkerungsreise im Deutschen Reich den Ausbruch des Ersten Weltkriegs begrüßt und gefeiert hatten, war schon bald nichts mehr zu spüren. Hunger und Elend prägten auch in Harburg ebenso wie in anderen Teilen des Deutschen Reiches den Alltag vieler Familien. So manche Mutter, die jetzt allein den Alltag der Familie zu bewältigen hatte, wusste nicht mehr, wie sie den Hunger ihrer Kinder stillen sollte. Die Unzufriedenheit weiter Bevölkerungskreise wuchs, je länger der Krieg dauerte, Sie endete auch nicht mit der Abdankung Kaiser Wilhelms II. und dem Schweigen der Waffen an allen Fronten.

Die Not der Nachkriegsjahre war kaum geringer und förderte die Bildung der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD), die ihren Wählerinnen und Wählern auf der Grundlage radikaler gesellschaftlicher Veränderungen wie in der Sowjetunion ein besseres Leben versprach. Sie konnte ihren Stimmanteil bei den Landtags- und Reichstagswahlen in den Nachkriegsjahren kontinuierlich steigern. Auch der junge Bernhard Schreiber gehörte zu den Anhängern der KPD und fand in ihren Reihen seine politische Heimat.

Nach der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler änderte sich die Situation auch für die KPD schlagartig. Sie war als erste von der kompromisslosen Politik betroffen, mit der die neuen Machthaber ihre politischen Gegner verfolgten und alle anderen Parteien und ihre Organisationen der Reihe nach zerschlugen. Bereits am 2. Februar 1933 wurden in Preußen und in vielen anderen Ländern des Deutschen Reiches Protestmärsche und Protestkundgebungen der KPD verboten. Auf der Grundlage einer Notverordnung des Reichspräsidenten `Zum Schutz von Volk und Reich´ verkündete der preußische Ministerpräsident Hermann Göring zwei Tage später weitere Eingriffe in die Versammlungs- und jetzt auch in die Pressefreiheit.

Schon vor 1933 hatte die KPD reichsweit Vorkehrungen für eine illegale Fortsetzung ihrer politischen Arbeit gegen die neue Reichsregierung getroffen. Auch in Harburg wurden die Wohngebiets- und Betriebszellen der Partei in Fünfergruppen aufgegliedert. Um andere Kameraden beim Zugriff der Polizei nicht zu gefährden, hatte jeder sich nur für das zu interessieren, was ihn anging und die Gruppe betraf. Nur der Gruppenleiter hatte Kontakt zu anderen Mitgliedern der KPD. Man traf sich in Privatwohnungen oder verabredete sich zu kleinen Wanderungen in den Landkreis.

Bei diesen Geheimtreffen wurden Informationen gesammelt, Einzelaktionen geplant oder Vorkehrungen für die Verbreitung wichtiger Nachrichten getroffen, die die offizielle Presse verschwieg. Im Bezirk Wasserkante und im Unterbezirk Harburg-Wilhelmsburg spielte die illegale `Norddeutsche Zeitung´ eine nicht geringe Rolle. Sie wurde in einer Privatwohnung in Neugraben hergestellt und auf unterschiedlichen Wegen unter der Hand in Umlauf gebracht. Dabei war höchste Vorsicht geboten, denn die Herstellung und die Verbreitung von illegalen Zeitungen standen unter Strafe.

Am 25. Juli 1934 wurde Bernhard Schreiber im Alter von 19 Jahren unter dem Vorwand verhaftet, ein Paket mit kommunistischen Zeitungen in Empfang genommen und weitergeleitet zu haben. Neun Monate später wurde er vom Kammergericht in Berlin zu einem Jahr und sechs Monaten Gefängnis verurteilt. Nach der Verbüßung seiner Strafe in Neumünster in Schleswig-Holstein kehrte er in seine Geburtsstadt zurück. Er arbeitete als Herrenfriseur. 1938 lernte er seine spätere Frau Bertha Schulz (*3.8.1903) kennen.

Wie alle deutschen Männer war auch Bernhard Schreiber ab seinem 18. Lebensjahr arbeitsdienst- und wehrpflichtig. Doch wegen seiner eineinhalbjährigen Gefängnishaft blieb ihm die `Ehre´, zum Schutz des deutschen Volkes Waffen tragen zu dürfen, zunächst versagt. Wegen seiner Gefängnisstrafe galt er lange als `wehrunwürdig´.

Diese Situation änderte sich nach den hohen Verlusten der deutschen Wehrmacht im Winter 1941/42 vor Moskau. Die Ausgeschlossenen erhielten jetzt die `Chance´, sich zu `bewähren´ und eine Sühneleistung für ihre `Schuld´ am deutschen Volk zu erbringen.

Am 15. November 1942 wurde Bernhard Schreiber zum `Bewährungsbataillon 999´ einberufen. Sammelstelle war die 76er-Infanterie-Kaserne in der Bundesstraße in Hamburg-Eimsbüttel. Von dort wurden die 999er dann in Zivilkleidung zum Hannoverschen Bahnhof im Hamburger Hafen geführt und in einen Zug verfrachtet, der sie zur Ausbildung auf den `Heuberg´ bei Sigmaringen in Baden-Württemberg brachte. Leben und Dienst an diesem Ausbildungsplatz unterschieden sich kaum von den Rahmenbedingungen, die die KZ-Haft kennzeichneten.

Anschließend kamen die Strafsoldaten an besonders gefährlichen Frontabschnitten zum Einsatz. Dieses Schicksal traf auch Bernhard Schreiber. Er wurde im Frühjahr 1944 in das griechisch-albanische Grenzgebiet verlegt, in dem Partisanen der Wehrmacht immer wieder hohe Verluste zufügten. Von einem Gefecht mit Partisanen im Mai 1944 kehrte er nicht wieder zu seiner Einheit zurück.

Seitdem galt er als vermisst. Am 24. April 1958 wurde er vom Amtsgericht Harburg für tot erklärt.


Stand: April 2019
© Klaus Möller

Quellen: StaH 351-11_52342; Komitee ehemaliger politischer Gefangener, Akte: Bernhard Schreiber; Totenliste Hamburger Widerstandskämpfer und Verfolgter, VAN (Hrsg.), Hamburg 1968; die anderen. Widerstand und Verfolgung in Harburg und Wilhelmsburg, VVN-BdA Harburg (Hrsg.) 6. Auflage, Harburg 2005; AB Hamburg 1941, Volker Ulrich, Kriegsalltag. Hamburg im Ersten Weltkrieg, Köln 1982, Ursula Suhling, 999er-Strafsoldaten – deportiert vom Hannoverschen Bahnhof. Hamburger Antifaschisten in Wehrmachtsuniform, Hamburg 2012; Dies., Wer waren die 999er?, Hamburg 2017.

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