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Bereits verlegte Stolpersteine



Golda Fryc (geborene Wien) * 1899

Diagonalstraße 13 (Hamburg-Mitte, Hamm)


HIER WOHNTE
GOLDA FRYC
GEB. WIEN
JG. 1899
"POLENAKTION" 1938
BENTSCHEN / ZBASZYN
SCHICKSAL UNBEKANNT

Weitere Stolpersteine in Diagonalstraße 13:
Schaje Fryc, Max Fryc

Schaje Fryc/Fritz, geb. 16.8.1895 Tomaschow/Polen, Flucht 1937 nach Argentinien

Golda Fryc/Fritz, geb. Wien, geb. 8.4.1899 Tschenstochau/Polen, mit der "Polenaktion" 1938 nach Bentschen/Zbanszyn abgeschoben, Schicksal unbekannt

Max Fryc/Fritz,
geb. 12.8.1919 Altona, mit der "Polenaktion" 1938 nach Polen abgeschoben, 20.8.1944 KZ Auschwitz, 25.1.1945 KZ Mauthausen, Außenlager Melk, Ebensee, befreit 6.5.1945

Diagonalstraße 13

Szaja, Schaja oder Schaje Fryc, auch Fritz geschrieben, geb. 16.8.1895 in Tomaschow Masowiecki bei Lodz in Polen, siedelte während des Krieges 1915 ins Deutsche Reich über. Sein älterer Bruder Manuel, wie Schaje von Beruf Schneider, und ihre Mutter, Cyporja/ Zipora, geb. Szamczanowicz, zogen ebenfalls nach Deutschland. 1928 war die Mutter in Altona gemeldet, der Vater, Moszek oder Moses Maier Fritz/Fryc, war bereits gestorben.

Schaje Fryc heiratete Golda Wien, geb. am 8.4.1899 in Tschenstochau/Czenstochau in Schlesien. Ihre Schwester, die spätere Geigerin Gitla Dobra Beckers, geb. 3.4.1902 in Bendzin in Schlesien, lebte ebenfalls in Deutschland.

Golda und Schaje Fryc besaßen die polnische Staatsangehörigkeit und behielten sie bei. Sie schlossen sich der Deutsch-Israelitischen Gemeinde in Hamburg an, wo sie am 3. Februar 1919 registriert wurden. Schaje arbeitete nicht als Schneider, sondern machte sich mit einem Schuhreparaturbetrieb in der Borgfelder Straße 84 in Hamburg-Borgfelde selbstständig. Die Familie wohnte in der Diagonalstraße 13 in Hamburg-Hamm. Dort wurde am 12.8.1919 ihr Sohn Max Meier geboren.

Mit seinem Eintritt in die Jüdische Gemeinde wurde Schaje Fryc zur Gemeindesteuer veranlagt, geriet aber in der Inflationszeit mit seinen Zahlungen in Verzug. 1927 entrichtete er eine Summe von 210 RM. Kaum hatte er geschäftlich wieder Fuß gefasst, machte sich die Weltwirtschaftskrise bemerkbar. 1929 zahlte er 9 RM Gemeindesteuer, der veranlagte Betrag von 10 RM für 1930 wurde ihm erlassen. D.h. es ging ihm wirtschaftlich nicht gut.

Schon 1928, am 28. April, meldete sich Schaje Fryc nach Leipzig ab und zog zu seinem Bruder Manuel in das Goldhahngäßchen 2/4, der dort eine Schneiderei betrieb. Er hatte inzwischen eine Familie gegründet. Seine Ehefrau, Dora, geb. Lopate, geb. 21.1.1898 in Brody, hatte zwei Söhne zur Welt gebracht, Martin Max, geb. 11.2.1926, und Berthold Nathan, geb. 22.9.1927.

Manuel und Schaje Fryc arbeiteten nun zusammen, Schaje pendelte zwischen Leipzig und Hamburg. Am 30. April 1931 zog Golda Fryc mit ihrem Sohn Max nach Leipzig und wohnte bis November 1931 bei ihren Verwandten. Es gelang Chaje Fryc nicht, noch einmal eine eigene Wohnung zu mieten. Die Familie wechselte als Untermieter mehrfach die Adresse.

Am Sonnabend, dem 10. September 1932, fand in der Leipziger Gemeindesynagoge Max Fryc’ Bar- Mizwa statt. Er besuchte die 32. Volksschule in der Yorkstraße, die später kurzzeitig als Sammelstelle für Deportationen diente, und wurde nach seiner Schulentlassung Tischler.

Chaje, Golda und Max verlängerten in regelmäßigen Abständen ihre polnischen Pässe. Chaje Fryc sah für sich und seine Familie keine Zukunft mehr in Deutschland und emigrierte im November 1937 nach Argentinien in der Absicht, seine Ehefrau Golda und den Sohn Max nachzuholen. Doch die sog. Polen-Aktion vereitelte dies: Sie wurden zusammen mit ihren Verwandten Manuel, Dora, Martin Max und Berthold Nathan Fryc am 28. Oktober 1938 nach Bentschen/Zbanszyn deportiert. Dort verlieren sich deren Spuren wie auch die von Golda Fryc. Chaje Fryc galt ebenfalls als in Polen verschollen, wie das Gedenkbuch des Bundesarchivs ausweist, was sich jedoch dank der Meldekartei aus Leipzig als Irrtum erwies.

Offenbar begab sich Max Fryc nach Tschenstochau, der Geburtsstadt seiner Mutter, vermutlich zusammen mit ihr. Stationen seiner Inhaftierungen waren das KZ Blizyn, ein Außenlager des KZ Lublin-Majdanek, ab 20. August 1944 das KZ Auschwitz und das KZ Mauthausen, wohin er am 25. Januar 1945 überführt und mit der Häftlingsnummer 116725 registriert wurde. Max Fryc/Fritz wurde in das Hamburger Gedenkbuch für die jüdischen Opfer des Nationalsozialismus aufgenommen. Inzwischen ist bekannt, dass er dem Außenkommando Melk, das den Tarnnamen ‚Quarz’ trug, zugewiesen worden war. Hier trieben Häftlinge Stollen in den Berg, damit in unterirdischen Anlagen Kugellager produziert werden konnte. Voraussetzungen dafür waren oberirdisch angelegte Siedlungen und Hochwasserbehälter.

Zwischen dem 11. und 15. April 1945 räumte die SS das Lager Melk vor der herannahenden sowjetischen Armee. Pläne, die Häftlinge in den Stollen durch Sprengung zu ermorden, wurden nicht umgesetzt, vielmehr wurden sie in mehreren Gruppen per Schiff, Bahn und zu Fuß in das Stammlager Mauthausen und von dort in das Außenlager Ebensee transportiert. Dort wurde Max Frcys am 6. Mai 1945 von amerikanischen Truppen befreit. Er ließ sich später in Montreuil/Seine in Frankreich nieder.

Max Frycs Tante Gitla Dobra Beckers und ihr Ehemann Artur-Jacob, der 1921 zum Judentum übergetreten war, überlebten das NS-Regime in einer "privilegierten Mischehe".

Ihr Sohn Hermann, geb. 18.9.1923, verlor nach den Aussagen seiner Mutter 1942 im KZ Groß Rosen sein Leben. Sein Tod wurde bisher offiziell nicht bestätigt.

Stand: Januar 2020
© Hildegard Thevs

Quellen: 1; 4; 5; 8; Hamburger Adressbücher; StaHH 522-1 Jüdische Gemeinden, 390 Wählerverzeichnis; 351-11, Amt für Wiedergutmachung 25288; Israelitische Religionsgemeinde zu Leipzig, Schreiben vom 4.9.2019: Meldekarteikarten, Gemeindeblatt 1932 Nr. 21, Korrespondenz Max Fryc, Gedenkbuchauszug; KZ Gedenkstätte Mauthausen, AMM/Y36b Häftlingszugangsbuch der politischen Abteilung, AMM/2/2/7/1/HPK Häftlings-Personal-Karte;
https://www.stadtgeschichtliches-museum-leipzig.de/fileadmin/inhalte/pdf/Deportationen_Leipzig.pdf, Abruf 4.9.2019; https://collections.ushmm.org/search/catalog/vha2981, Abruf 2.1.2019.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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