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Dr. Herbert Michaelis * 1898
Isestraße 23 (Eimsbüttel, Harvestehude)
Berlin-Plötzensee
tot 14.6.1939 Gefängnis Plötzensee, Berlin
Weitere Stolpersteine in Isestraße 23:
Hedwig Augenstern, Gracia Gretchen Bachrach, Ingeborg Mirjam Bachrach, Hermann Bachrach, Georg Fränkel, Henriette Fränkel, Alice Maschke, Erich Wilhelm Maschke, Gertrud Seidl
Herbert Michaelis, geb. 3.9.1898, am 14.6.1939 in Berlin-Plötzensee hingerichtet
Herbert Michaelis war der Verfolgung durch das nationalsozialistische Regime dreifach ausgeliefert: als Jude, Kommunist und Widerstandskämpfer. Über ihn haben Ursula Wamser und Wilfried Weinke ausführlich in der Veröffentlichung "Eine verschwundene Welt: Jüdisches Leben am Grindel" berichtet. Auch im Nachschlagewerk "Das Jüdische Hamburg" ist ihm ein Eintrag gewidmet.
Herbert Michaelis wurde am 3. September 1898 in Hamburg geboren. Sein Vater Alfred Michaelis war in einem kaufmännischen Beruf tätig. Herbert Michaelis besuchte die Talmud Tora Schule und die Oberrealschule in Eimsbüttel. 1916 legte er das Abitur ab. Danach wurde er bis zum Ende des Ersten Weltkriegs Soldat, erhielt das Eiserne Kreuz II und das Hanseatenkreuz.
Nach dem Krieg nahm er ein Jurastudium auf, das er 1928 mit dem Staatsexamen abschloss. Im selben Jahr ließ er sich in Hamburg als Rechtsanwalt nieder und heiratete die Schweizerin Marie-Luise Rom. Drei Söhne wurden geboren.
Schon 1924 war Herbert Michaelis in die KPD eingetreten, und seit 1928 hielt er in den Räumen des Zeitungsverlages der KPD öffentliche Rechtssprechstunden ab. Als politischer Gegner der Nationalsozialisten geriet Herbert Michaelis schnell ins Visier der neuen Machthaber. Zweimal, im März und im April 1933 wurde er denunziert, man konnte ihm aber keine aktive Teilnahme an Aktionen der Kommunisten nachweisen.
Im Mai verlor er wegen seiner jüdischen Abstammung die Zulassung als Rechtsanwalt. Als er nachwies, Frontkämpfer gewesen zu sein, wechselte die Landesjustizverwaltung die Begründung: Nun wurde er wegen kommunistischer Betätigung ausgeschlossen. Er war also arbeitslos und für sich und seine Familie auf Unterstützung angewiesen.
Im selben Monat wurde er verhaftet: Seit 1932 war gegen ihn wegen des Verdachts auf Urkundenfälschung und Betrug ermittelt worden. Im Oktober 1933 verurteilte ihn das Landgericht Hamburg zusammen mit seinem Vater wegen "fortgesetzten gemeinschaftlichen Betruges" zu zwei Jahren Haft, einer Geldstrafe und drei Jahren Ehrverlust. Herbert Michaelis verbüßte die Gefängnisstrafe in Lübeck.
Aus dem Gefängnis entlassen, schloss er sich einer kommunistischen Widerstandsgruppe an.
Im Januar 1936 besuchte er mit seiner Familie Verwandte seiner Frau in der Schweiz. Nach Hamburg zurückgekehrt, versuchte er vergeblich, eine illegale Schrift in der Schweiz drucken zu lassen und als Kalender getarnt in Deutschland zu verteilen.
Im Lübecker Gefängnis hatte er Bruno Rieboldt und Dagobert Biermann kennen gelernt, die in Hamburg auf der Werft Blohm & Voß arbeiteten. Sie berichteten ihm über Rüstungsaufträge und Waffenlieferungen an die Faschisten im Spanischen Bürgerkrieg, sowie über die Stimmungslage auf den Hamburger Werften. Herbert Michaelis versuchte, diese Informationen ins Ausland weiterzugeben. Seine illegale Arbeit wurde jedoch durch einen Gestapo-Spitzel aufgedeckt. Im März 1937 wurde er gleichzeitig mit seinen kommunistischen Freunden verhaftet und im Hamburger Untersuchungsgefängnis in strenge Einzelhaft genommen. Nachdem ein spektakulärer Fluchtversuch gescheitert war, wurden seine Haftbedingungen noch einmal verschärft.
Marie-Luise Michaelis floh im April 1937 Hals über Kopf mit den Söhnen in die Schweiz. Sie verließ die Wohnung in der Isestraße, so wie sie war, ohne irgendwelche Einrichtungsgegenstände mitzunehmen. Wahrscheinlich hatte sie noch Briefkontakt zu ihrem Mann im Hamburger Gefängnis.
Im Oktober 1938, eineinhalb Jahre nach der Verhaftung, erhob der Volksgerichtshof Anklage wegen Vorbereitung zum Hochverrat. Am 2. März 1939 wurde Herbert Michaelis vom in Hamburg tagenden 2. Senat des Volksgerichtshofes zum Tode verurteilt.
Ein Gnadengesuch wurde abgelehnt. Oberrabbiner Joseph Carlebach konnte ihn im März noch im Gefängnis besuchen. Ein Brief an seine Familie, in dem Herbert Michaelis die Hoffnung auf einen guten Ausgang zum Ausdruck brachte, wurde beschlagnahmt und erreichte die Empfänger nicht.
Am 14. Juni 1939 wurde Herbert Michaelis in Berlin- Plötzensee hingerichtet. Dagobert Biermann wurde 1943 in Auschwitz ermordet.
Auch Herbert Michaelis’ Mutter, Zerline Michaelis, wurde ein Opfer der Schoah. Sie war 1935 mit ihrem Ehemann nach Berlin gezogen, als ihr Schwiegersohn starb. Ihre Tochter emigrierte nach England und ließ Miriam, die Enkeltochter, in der Obhut der Großeltern. Nachdem alle Papiere beisammen waren, mit denen Miriam zu Verwandten in die Schweiz reisen sollte, verhinderten die deutschen Behörden ihre Ausreise. Anfang Februar 1943 starb der Großvater.
Zerline Michaelis wurde zusammen mit der inzwischen neunjährigen Miriam am 26. Februar 1943 nach Auschwitz deportiert.
Von den mehr als 200 Menschen aus nur einer einzigen Straße in Hamburg, die dem nationalsozialistischem Terror zum Opfer fielen, war Herbert Michaelis der erste und einzige, der sich aktiv zur Wehr setzte, weil er sich von Anfang an keine Illusionen über die Ziele der Nationalsozialisten gemacht hatte.
© Christa Fladhammer
Quellen: AB Hamburg 1938; AfW 041099; Wilfried Weinke, Die Verfolgung jüdischer Rechtsanwälte Hamburgs am Beispiel von Dr. Max Eichholz und Herbert Michaelis, in: Angelika Ebbinghaus, Karsten Linne (Hg.), Kein abgeschlossenes Kapitel: Hamburg im "Dritten Reich". Hamburg 1997, S. 248-265; Ursula Wamser, Wilfried Weinke, Der Fall des Hamburger Rechtsanwalts Herbert Michaelis, in: dies. (Hg.), Eine verschwundene Welt. Jüdisches Leben am Grindel, Springe 2006, S.291-296; Heiko Morisse, Herbert Michaelis, in: Das Jüdische Hamburg, Hamburg 2006, S. 190 f; ITS/ARCH/Korrespondenzablage T/D – 87 273; telefonische Auskunft von Dalo Michaelis, 16.12.2008: Auskunft per E-mail von Heiko Morisse am 5.8.2010 und am 11.8.2010.