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Harald Kosmo, ohne Datum
© Privatbesitz

Harald Kosmo * 1919

Suhrenkamp 98 (Hamburg-Nord, Ohlsdorf)


HARALD KOSMO
JG. 1919
IM WIDERSTAND
VERHAFTET 21.3.1941
SVOLVAER LOFOTEN
VERURTEILT 6.5.1941
KRIEGSGERICHT OSLO
ZUCHTHAUS FUHLSBÜTTEL
ENTLASSEN 21.10.1942
TOT 23.10.1942 HAMBURG

Weitere Stolpersteine in Suhrenkamp 98:
Jasper Holtmann, Teressa Scira, Hanka Scira

Harald Kosmo, geb. 25.7.1919 in in Ørsnes/Vågan (Lofoten), inhaftiert ab 21.3.1941 in Svolvær/Norwegen, im Zuchthaus Fuhlsbüttel bis 21.10.1942, gestorben am 23.10.1942 im Versorgungsheim Oberaltenallee

Suhrenkamp 98, Ohlsdorf

Auf dem Krankenbett im Lazarett der "Untersuchungshaftanstalt Hamburg-Stadt" am Holstenglacis schrieb Harald Kosmo am 18. Oktober 1942 den letzten Brief an seine Eltern in Svolvær auf den Lofoten: "Ihr Lieben […] Ihr müsst mir meine Handschrift verzeihen. Ich liege wieder im Bett. Mich hat die Tuberkulose erreicht. Sie wurde erst vor wenigen Tagen entdeckt […]. Ich hoffe, dass ich nach Hause kommen kann, um geheilt zu werden […]".

Drei Tage später wurde er in die Krankenabteilung des Hamburger Versorgungsheimes Oberaltenallee verlegt. Die lebenslange Zuchthaushaft, zu der ihn das deutsche Reichskriegsgericht am 6. Mai 1941 in Oslo verurteilt hatte, wurde aufgehoben. Weitere zwei Tage später – am 23. Oktober 1942 – war Harald Kosmo tot.

In seinen letzten Stunden hatte der norwegische Seemannspastor Conrad Vogt-Svendsen aus Hamburg ihm beigestanden. Er betreute die norwegischen Häftlinge in den deutschen Haftan-stalten. Am 24. Oktober 1942 schrieb er an Haralds Kosmos Mutter: "Es war offensichtlich, dass es nicht mehr lange dauern konnte, bis Harald gehen würde." […] "Schließlich stand ich auf und sagte, ‚auf Wiedersehen Harald, auf Wiedersehen von Mutter und Vater und von Norwegen´ dann legte ich meine Hand auf seinen Kopf und sprach ihm den Segen aus." Und weiter: "Etwas später am Tag erfuhr ich vom Krankenhaus, dass Harald einige Stunden später – nachdem ich bei ihm gewesen war – ruhig eingeschlafen war."

Der Leichnam von Harald Kosmo wurde am 30. Oktober 1942 im Krematorium Ohlsdorf eingeäschert. Die Aschenreste wurden am 2. Dezember 1942 nach Svolvær, seinem Heimatort, überführt. Einige Wochen später erhielt die Familie, bürokratisch detailliert erfasst und quittiert, die Bekleidung ihres Sohnes und die übrigen privaten Utensilien aus dem Zuchthaus Fuhlsbüttel. Die Fracht "1 Sack Privateffekten von 20 kg" mit der MS "CYGNUS" der "Deutsch-Norwegischen Hamburg-Linie" im Auftrage der Kirche war mit dem 23. Januar 1943 datiert.

So endete das Leben eines 23jährigen jungen Mannes, dessen Werdegang durch Zuversicht, Freude und Lebenslust bestimmt war. Sein Leben wendete sich tragisch, nachdem die deutsche Wehrmacht am 9. April 1940 unter der Tarnbezeichnung "Unternehmen Weserübung" Norwegen und Dänemark überfallen hatte. Damit nahm das Unheil für die dort lebenden Menschen seinen Lauf.

Harald Kosmo war am 25.7.1919 als jüngstes von drei Kindern des Lehrers Ole Kosmo und seiner Ehefrau Elisabeth in Ørsnes/Vågan (Lofoten) geboren worden. Die Familie lebte in Svolvær in einem Haus an einer Bucht, umgeben von freier Natur und Berggipfeln. Dort hatte zuvor der Maler Einar Halfdan Berger gelebt, der seit den 1930er Jahren zu den bekannten Landschaftsmalern Nordnorwegens gehörte.

Harald Kosmo liebte die Natur außerordentlich. Er war im Sommer wie im Winter am liebsten draußen im Freien. Sonntags, so erfuhr seine Nichte Bjørg Kosmo von einem Nachbarn der Familie, habe er die Brüder Harald und Odmund mit Ski und Rucksack an seinem Haus vorbeiziehen sehen, wenn sie in die Berge aufgebrochen seien.

1925 kam Harald zur Schule. Auf die Grundschulzeit auf der "Svolvær Folkskole" folgte die Mittelschule. Er war ein sehr guter Schüler und wurde als hilfsbereiter, aufgeweckter, charmanter Junge beschrieben, stets gut gelaunt mit einem Lächeln im Gesicht. Zusammen mit seinem Bruder engagierte er sich bei den Pfadfindern und leitete dort eine Gruppe. 1936 wechselte er auf die höhere Schule, das "Nordfjordeid Landsgymnas" in Sogn og Fjordane in Westnorwegen, gut 1.500 km südlich von zu Hause.

Harald zeichnete sich schon als Jugendlicher als sehr guter Skifahrer aus, sowohl beim Langlauf, der Abfahrt oder beim Ski-Springen. Während der Schulzeit in Sogn og Fjordane entwickelte er sein sportliches Talent weiter, lernte Slalom und Skiakrobatik. In dem Jahrbuch für Vågan 2009 heißt es, dass Harald Kosmo einer der Vorreiter des Skislaloms auf den Lofoten gewesen und es ihm zu verdanken sei, dass Slalom in Svolvær viel früher Verbreitung fand als in anderen Landesteilen Nordnorwegens.

In Westnorwegen hatte Harald ein Mädchen, "Gunni", wie er sie nannte, kennengelernt. Fotos zeigen ein verliebtes junges Paar, oft im Kreis seiner Freunde. In den Jahren nach Abschluss des Gymnasiums 1938 arbeitete Harald Kosmo zunächst als Ersatz-Lehrer und diente für eine kurze Zeit beim Militär. Nach Beginn des Zweiten Weltkrieges bekam er eine Anstellung bei der Polizei in Svolvær; ab Herbst 1940 gehörte er dort zur Polizeireserve, wo man ihn als Freund und Kollegen schätzte.

Nach der Besetzung Norwegens durch die deutsche Wehrmacht im April 1940 blieben die Bewohner auf der Inselgruppe der Lofoten, einem Zentrum der norwegischen Fischfangindustrie, vorerst im Großen und Ganzen von Kriegsfolgen verschont. Die strategische Bedeutung der Inselgruppe für die deutsche Wehrmacht und die deutsche Rüstungsindustrie lag in der dortigen Produktion von Fischöl. Daraus wurde Glycerin gewonnen, das als Schmierstoff in Flugzeugmotoren verwendet wurde. Zudem diente der Fischfang der Versorgung des Deutschen Reiches. Besondere Vorkommnisse infolge der NS-Herrschaft unter Reichskommissar Josef Terboven sind für diese erste Zeit der Besetzung nicht dokumentiert.

Am 4. März 1941 erreichten englische Streitkräfte (ca. 500 Soldaten) unterstützt von 52 norwegischen Kommandosoldaten, zu Wasser mit vier Zerstörern und mehreren Landungsbooten die Lofoten. Die britischen Streitkräfte wollten mit derartigen militärischen Aktionen deutsches Militär in Norwegen für Besetzungsaufgaben binden. Der Angriff unter der Tarnbezeichnung "Operation Claymore" traf die deutschen Besatzungstruppen völlig unvorbereitet und wurde dadurch zu einem großen Erfolg für das von den Engländern geführte Kommandounternehmen. Die Landung gelang ohne Widerstand. Wichtige Orte der Lofoten – so auch Svolvær – waren für kurze Zeit von deutscher Besetzung befreit. Die Briten zerstörten die Fabrikationsanlagen und Lagertanks für Fischöl und Öl und sprengten und versenkten deutsche Frachtschiffe, darunter das 9.000 BRT große Fisch-Fabrikschiff "Hamburg". Zudem konnten die Engländer von dem deutschen Vorpostenboot "Krebs" Code-Unterlagen und eine Verschlüsselungswalze erbeuten. Sie diente im weiteren Verlauf des Krieges zur Entzifferung der von der deutschen Wehrmacht im Nachrichtendienst eingesetzten Verschlüsselungsmaschine Enigma.

Die Bewohner von Svolvær glaubten, der Krieg sei vorbei und halfen ihren Befreiern bei der Festnahme von deutschen Soldaten und norwegischen Kollaborateuren (sogenannte Quislinge). Doch die freudig begrüßten Befreier zogen sich nach etwa 6 Stunden wieder zurück. Sie nahmen über 200 gefangene deutsche Soldaten und über 60 "Quislinge" mit. 314 norwegische Kriegsfreiwillige schlossen sich den britischen Truppen an. Sie wollten auf Seiten der Alliierten gegen Hitler-Deutschland weiterkämpfen, um ihre Heimat zu befreien.

Nach dem Rückzug des englischen Kommandos trafen wieder deutsche Besatzungstruppen ein. Als Vergeltungsmaßnahme zerstörten sie Wohnhäuser und inhaftierten 64 Zivilisten als Geiseln im Polizeihäftlingslager Grini. Im Geheimen Lagebericht des Befehlshabers der deutschen Sicherheitspolizei und des SD vom 8. März 1941 wurde die Gesamtzahl der festgenommenen Norweger mit 150 angegeben. Die Lofoten wurden danach mit Bunkeranlagen befestigt und die Bevölkerung streng überwacht.

Harald Kosmo wurde am 5. März 1941, nur einen Tag nach der erneuten Besetzung durch die Deutschen, zu später Nachtstunde in seinem Elternhaus verhaftet. Seinem Tagebuch und den Briefen an seine Eltern verdanken wir die Kenntnis der folgenden Abläufe. (Die Dokumente befinden sich im Besitz der Familie Kosmo in Tromsö. Sie sind in Auszügen veröffentlicht worden.)

Über den 4. März berichtete Harald in seinem Tagebuch, dass Schiffbrüchige und verwundete Deutsche nach der Versenkung des Fischverarbeitungsschiffes "Hamburg" aus dem eiskalten Wasser gerettet und in das Haus seiner Eltern gebracht worden waren, wo sie Hilfe erhielten. Er selbst stand zu diesem Zeitpunkt noch im Dienst der Polizeistelle Svolvær. Die ersten Ver-höre nach seiner Verhaftung in Svolvær führte der Polizeioffizier Jonas Lie (1942-1945 Polizeiminister der von der deutschen Besatzungsmacht eingesetzten Marionettenregierung von Vidkun Quisling).

Am 8. März kam Harald Kosmo zunächst für kurze Zeit wieder frei und kehrte zur Polizei zurück. Am 21. März wurde er vom deutschen Sicherheitsdienst (SD) vorgeladen. Der Verantwortliche eröffnet ihm, dass er verhaftet sei und wahrscheinlich nach Oslo gebracht werden würde. Er durfte Kleidung und Hygieneartikel aus seinem Elternhaus abholen und verabschiedete sich in der Hoffnung auf eine baldige Rückkehr. Seine Mutter habe nicht glauben können, dass man ausgerechnet ihr, die am 4. März deutschen Schiffbrüchigen geholfen und ihnen trockene Kleidung gegeben hatte, nun "als Dank" den Sohn wegnähme.

Noch am gleichen Abend kam Harald Kosmo in das Arresthaus der nahe gelegenen Ortschaft Kabelvag und am 26. März mit einigen anderen Gefangenen an Bord der MS Richard With, einem Schiff der Postschifflinie Hurtigruten, die den Liniendienst an der norwegischen Westküste auch in den Kriegsjahren fortsetzte. Mit dem Schiff ging es bis Trondheim, dann mit der Eisenbahn weiter nach Oslo.

Dort wurden die Gefangenen zunächst in das Gestapo-Hauptquartier in den Gebäudekomplex Victoria Terrasse gebracht, nach den ersten Verhören dann in die Osloer Festung Akershus überstellt, die den Deutschen zwischen 1940 und 1945 als Gefängnis für politische Häftlinge diente. (Über 40 Personen wurden hier während der deutschen Besatzungszeit erschossen.) Weitere Verhöre in der Victoria Terrasse, die wegen der Folter von allen Gefangenen gefürchtet wurde, schlossen sich für Harald Kosmo an. Danach folgten mehrere Wochen in Einzelhaft.

In Harald Kosmos Tagebuch und den Briefen an seine Eltern spiegeln sich seine wechselnden Gefühle, die zwischen Zuversicht, Hoffnung, Angst und Verzweiflung schwankten. Harald schrieb über Tage der Einsamkeit und Monotonie, über seine Sehnsucht nach Hause und ein erhofftes Wiedersehen mit der Familie. Er verbrachte Zeit im Gebet und mit der Lektüre des Neuen Testaments. Im Vertrauen auf seine Unschuld und auf Gerechtigkeit der Deutschen erwartete er einen guten Ausgang. Harald sehnte sich danach, die Sonne wieder in freier Natur zu genießen, schrieb, dass er abends in der Zelle sang und freute sich auf das Ende des Krieges, ein Wiedersehen mit "Gunni" und ein späteres gemeinsames Leben. Es war ihnen nicht vergönnt.

Am 19. April 1941 erfuhr Harald Kosmo, dass der Prozess gegen ihn und fünf weitere Norweger am 29. April 1941 in Oslo vor dem 3. Senat des deutschen Reichskriegsgerichtes eröffnet werden sollte. Der Vertreter der Anklage war Marineoberkriegsrat Johannes Reimer. Über ihn notierte Harald in seinem Tagebuch, er habe während einer vorausgegangenen Befragung einen durchaus sympathischen Eindruck gemacht, und Harald hoffte daher auf eine faire Behandlung. Diese Hoffnung erwies sich als trügerisch: Reimer forderte eine lebenslange Haftstrafe. (Reimer überlebte den Krieg, blieb in der bundesdeutschen Nachkriegszeit unbehelligt und amtierte – so das 1968 in der DDR veröffentlichte "Braunbuch - Kriegs- und Naziverbrecher in der Bundesrepublik Deutschland und in Westberlin" - nach dem Krieg als Landgerichtsrat beim Landgericht in Lübeck.)

Am 25. April informierte der Vertreter der Anklage alle sechs in Svolvær festgenommenen Norweger darüber, dass ihnen "wegen Landesverrats" (Urteil wegen Feindbegünstigung) strenge Strafen drohten, aber alle Gelegenheit zur Verteidigung bekommen würden.

Vier Tage später begann der Prozess im Osloer Gerichtshaus, es folgten Verhandlungstage am 30. April, am 1. und am 3. Mai. Während des Prozesses stand der Rechtsanwalt mit Haralds Vater in Kontakt. Der Vater lieferte den Namen eines deutschen Matrosen des Fischfabrikschiffes "Hamburg", dem die Familie als Schiffsbrüchigen geholfen hatte. Der Name wurde auch im Prozess verlesen, in der Hoffnung auf eine mildere Strafe für Harald.

Am 6. Mai 1941 wurde Harald zu einer lebenslangen Zuchthausstrafe verurteilt. Dazu hielt er in seinem Tagebuch fest: "Ja, jetzt ist es vorbei. Ich habe lebenslange Haft bekommen. Ich denke, es ist alles ein Witz. Man wollte ein abschreckendes Beispiel geben und so sitzen wir da. Aber wenn der Krieg vorbei ist, wer auch immer gewinnt, wir werden wieder freie Männer sein. So sehe ich es. Ich hoffe nur, dass du Mutter, das ruhig nimmst." Und weiter im Eintrag: "Krystad 5 Jahre, Valeur, Hyll und Kramer 3 Jahre und Nilsen 2 Jahre. Leben und Besitz wurden uns belassen. Aber was soll ich mit meinem Leben und mit meinem Besitz anfangen, wenn ich mein ganzes Leben im Gefängnis verbringen muss?"

Die Gerichtsverhandlung war von Senatspräsident Karl Schmauser geleitet worden. Schmauser, gehörte dem Reichskriegsgericht seit dessen Gründung am 1. Oktober 1936 an und war am 1. Januar 1939 zum Senatspräsidenten des 3. Senats aufgestiegen. (Am 1. Mai 1944 zum Generalstabsrichter befördert, agierte er bis zur Flucht des Reichskriegsgerichtes im April 1945 aus Torgau als unbarmherziger Militärrichter, fällte etliche Todesurteile (u.a. gegen Mitglieder der "Roten Kapelle" in Berlin), überlebte selbst den Krieg unbeschadet. Er wurde zwar am 11. Mai 1945 von der US-Armee in Bayern gefangen genommen, mehrfach verhört, aber nie angeklagt. Das Entnazifizierungsverfahren wurde am 1. Februar 1947 eingestellt, denn er sei "vom Gesetz nicht betroffen". Schmauser verstarb am 24. Januar 1960 bei München, seine Witwe erhielt eine großzügige Hinterbliebenen-Versorgung. Erst 1988 leitete die Zentralstelle der Landesjustizverwaltungen in Ludwigsburg ein Ermittlungsverfahren gegen ihn ein, das eingestellt wurde, weil er längst verstorben war.)

Harald Kosmo und die anderen verurteilten Gefangenen aus Svolvær mussten noch sechs Wochen im Gefängnis der Festung Akershus in Oslo ausharren, bis sie nach Deutschland überstellt wurden. In dieser Zeit erhielt Harald Kosmo Besuch vom Rechtsanwalt Mellbye, der ihn im Verfahren vor dem Reichskriegsgericht vertreten hatte und nun einen Antrag auf Begnadigung vorbereitete. Auch sein Vater konnte ihn kurz sehen, brachte ein paar Süßigkeiten, Käse und ein Stück Wurst mit. Harald notierte, dies sei ein gesegneter Tag gewesen. Von den Mitbringseln zehrte er noch am 17. Mai, dem norwegischen Nationalfeiertag, wie er in einem Brief nach Haus schrieb. Diesen, einen folgenden Brief sowie das Tagebuch erhielten seine Eltern erst nach dem Tod von Harald im Oktober 1942.

Doch einige Schreiben aus Akershus erreichten die Eltern offenbar auch unter Umgehung von Zensur und Kontrolle, vermutlich weitergeleitet von einem Helfer unter den deutschen Wachhabenden im Gefängnis. So konnte Harald eine eigentlich verbotene Geldsendung von den Eltern empfangen, von der er Bücher, Papier und Schreibmaterial kaufen konnte.

Zu den wenigen Unterbrechungen des tristen Daseins in der Einzelzelle gehörte auch ein Besuch eines Geistlichen. Und er konnte an Gottesdiensten teilnehmen, zuletzt am 3. Juni 1941.

Am 31. Mai erhielten Harald Kosmo und die anderen Norweger, die vor dem Reichskriegsgericht gestanden hatten, die Bestätigung ihres Urteils durch den Präsidenten des Reichskriegsgerichtes, Admiral Max Bastian.

Bastian, der als Präsident für die Bestätigung der Urteile des Reichskriegsgerichts – darunter zahlreiche Todesurteile – zuständig war, pflegte die Richter seines Gerichtshofs dazu anzuhalten, durch "rasche und strenge, aber auch gerechte Anwendung der Kriegsgesetze" die Schlagkraft der Wehrmacht zu gewährleisten. (1947 wurde er wegen diverser Kriegsverbrechen angeklagt und inhaftiert, jedoch nach nur einjähriger Haft wieder entlassen. Im März 1958 starb er und wurde in Wilhelmshaven mit militärischen Ehren der gerade wieder aufgestellten Bundes-marine beigesetzt. Erst mit Beginn der 1990er Jahre setzte sich die Ansicht durch, dass die Richter des Reichskriegsgerichtes, ebenso wie andere der NS-Militärjustiz, Unrecht gesprochen hatten und sich eigentlich nach 1945 "wegen Rechtsbeugung in Tateinheit mit Kapitalverbrechen" hätten verantworten müssen. Diese Unterlassung nannte der Bundesgerichtshof in einem Urteil von 1995 "ein folgenschweres Versagen der bundesdeutschen Strafjustiz".)

Am Sonntag, dem 1. Juni, schrieb Harald Kosmo in seinem Tagebuch über die "Hinrichtung zweier Piloten" in Akershus. Er habe sie beobachtet, "als sie am Fenster vorbei gingen" und geahnt, was ihnen bevorstände. In seinem letzten Brief aus Akershus vom 17. Juni 1941 schrieb er über Glauben und Optimismus, schickte Grüße an seine Lieben, den Bruder und alle Freunde seiner "Skislalom-Gang". Er hoffe, begnadigt zu werden oder eine geringere Strafe mit leichteren Haftbedingungen zu erhalten. An diesem Tag beendete er sein Tagebuch.

Die Gefangenen wurden nun nach Hamburg geschickt. Am 23. Juni 1941 gelangten Harald Kosmo und seine fünf Leidensgefährten im Zuchthaus Fuhlsbüttel an. Harald Kosmo kam erneut in Einzelhaft. In den Briefen nach Hause, die die Gefangenen alle sechs Wochen schreiben und erhalten durften, beruhigte er zwar die Eltern, er sei gut angekommen und würde sicher bald wieder zu Hause sein, berichtete aber auch von Hunger, Einsamkeit und Kälte. Als Strafgefangener dürfe er keine Verpflegungspakete erhalten. Er erwähnte zudem Gottesdienste, zu denen der norwegische Seemannspastor in das Zuchthaus komme.

Am 9. August 1941 lehnte der Chef des Oberkommandos der Wehrmacht (OKW), Wilhelm Keitel, die für alle sechs Norweger beantragte Begnadigung ab. Die Mitteilung darüber erreichte das Zuchthaus Fuhlsbüttel am 19. August, dessen Verwaltungsinspektor bestätigte die Bekanntgabe an die betroffenen Gefangenen am 30. August 1941.
Auch ein zweiter Versuch von norwegischer Seite, eine Begnadigung der im Zuchthaus einsitzenden Männer zu erreichen, blieb erfolglos. Sie wurde vom Chef des OKW am 7. Mai 1942 abgelehnt und die Entscheidung dem "Vorstand der Strafanstalt Fuhlsbüttel" am 15. Mai 1942 vom Reichskriegsgericht übermittelt.

Am Vormittag des 15. Juli 1942 wurde Harald Kosmo in das Zentrallazarett der Hamburger Strafanstalten am Holstenglacis überführt. Die letzten Tage seines Lebens verbrachte er im großen Krankensaal des Lazaretts, Bett an Bett mit einem erkrankten Landsmann. Er schrieb seinen Eltern, dass sie sich den ganzen Tag miteinander unterhalten könnten und er glaube, "dass jetzt die Zeit für ihn viel einfacher werden würde als gesund und in der Einsamkeit der Einzelhaft."

Diese Hoffnung blieb ihm nur noch wenige Tage. Am 21. Oktober wurde er aus der Haft entlassen, am 23. Oktober 1942 starb er im Versorgungsheim Oberaltenallee in Barmbek. Ob die kurzfristige Haftentlassung und die Verlegung zur Oberaltenallee zum Zwecke der medizinischen Versorgung oder vielmehr zur Kaschierung eines "Todesfalles in der Obhut" des Zuchthauses dienen sollten, wissen wir nicht. Auf der erhalten gebliebenen Haftkarteikarte von Harald Kosmo ist das Sterbedatum mit Hinweis auf die Erkrankung (Tbc) vermerkt.

Im Januar 1943 fand ein Fürbittgottesdienst für Harald Kosmo in Svolvær statt. Für die Beisetzung der Urne wartete die Familie das Ende des Krieges und die Kapitulation der Deutschen ab. Die Trauerfeier fand am 20. Juli 1945 unter großer Anteilnahme der Einwohner von Svolvær und vieler Freunde Harald Kosmos auf dem örtlichen Friedhof statt.

Vor der Kirche in Svolvær steht heute eine Granitsäule mit einer Metallplatte, auf der die Namen der Männer eingraviert sind, die zwischen 1940 bis 1945 ihr Leben verloren, unter ihnen auch der Harald Kosmos, dessen Leben in Hamburg endete. "Sie gaben ihr Leben für Norwegen. Frieden mit ihrer Erinnerung" heißt es dort für die Toten, "die diesen Krieg niemals wollten".

Stand: April 2020
© Hans-Joachim Klier

Quellen: StaH 242-1 II_Ablieferung 17, Hyll, Valeur, Kramer, Kosmo, Krystad, Nilsen; StaH 332-5_72 Sterberegister Hamburg 6 Nr. 812, Feldurteil des Reichskriegsgerichts, 3. Senat Oslo vom 6. Mai 1941-StPl. (RKA) III 164/41 – StPl. (HDL) III 40/41; KZ-Gedenkstätte Neuengamme, Verzeichnis der Verstorbenen Monat Oktober-November 1942, Blatt 394/395, Ziffer 5721, Krematorium Friedhof Ohlsdorf; KZ-Gedenkstätte Neuengamme "Die unsichtbaren Helfer – Die Hamburgerin Hiltgunt Zassenhaus und die norwegische Seemannsmission im Einsatz für die Norweger im Zuchthaus Fuhlsbüttel 1941-1954", Wanderausstellung 2006; Bundesarchiv Außenstelle Ludwigsburg, AR-Z 4/88 (B162/40905); Staatsarchiv München, Spk A_K 1267, Dr. Schmauser, Karl; BayHStA_595OP_48680; Stadtarchiv Nürnberg, Geburtsregister, Signatur: C 27/IV Nr. 259; Gemeinde Haar, Archiv, Sterbeeintrag Nr. 30, 25. Januar 1960; Militärhistorisches Archiv Prag, Bestand Reichskriegsgericht (1936-1945), A-Z Bd (K254), Vollstreckungsliste; National Archives, Maryland, USA, Interrogation Report SAIC/PIR/147; Meldungen aus Norwegen 1940-1945, "Die geheimen Lageberichte des Befehlshabers der Sicherheitspolizei und des SD in Norwegen" Larsen, Sandberg u. Dahm, München 2008, S 202; Magnus Koch, Norwegische Verurteilte der Wehrmachtsjustiz, in: "Rücksichten auf den Einzelnen haben zurückzutreten" Hamburg und die Wehrmachtsjustiz im Zweiten Weltkrieg, KZ-Gedenkstätte Neuengamme, Landeszentrale für politische Bildung in Hamburg, Hamburg 2019; Günter Gribbohm, "Das Reichskriegsgericht – Die Institution und ihre rechtliche Bewertung", Berlin 2004; Norbert Haase, Das RKG und der Widerstand gegen die nationalsozialistische Herrschaft, Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Berlin 1993 S. 57; Wolfram Wette, "Mit reinem Gewissen", Berlin 2011, S.92; BGH 5Str 747/94, Urteil vom 16.11.1995; Bjørg Kosmo, "Harald Kosmo og Lofotraidet”, Årbok for Vågan 2011; Svolvær, Lofoten; Persönliche Gespräche des Verfassers mit Bjørg Kosmo, 9020 Tromsdalen, Theodor Hagerups veg 42, 2019-2020; https://de.wikipedia.org/wiki/Conrad_Vogt-Svendsen [11.4.2020]; https://no.wikipedia. org/wiki/Einar_Berger [11.4.4.2020]; https://de.wikipedia.org/wiki/Josef_Terboven [11.4.2020]; https://en.wikipedia.org/wiki/Operation_Claymore [11.4.2020]; https://de.wikipedia.org/wiki/Operation_Claymore [11.4.2020]; https://de.wikipedia.org/wiki/Polizeih%C3%A4ftlingslager_Grini [11.04.2020]; https://de.wikipedia.org/wiki/ Jonas_Lie_(Politiker) [11.04.2020]; https://de.wikipedia.org/wiki/Vidkun_Quisling [11.04.2020];
https://de.wikipedia.org/wiki/Festung_Akershus#Zweiter_Weltkrieg [11.04.2020];
https://de.wikipedia.org/wiki/Max_Bastian [11.04.2020].

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