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Bereits verlegte Stolpersteine



Kurt Teil bei einer Stolperstein-Einweihung in der Isestraße
Kurt Teil bei einer Stolperstein-Einweihung in der Isestraße
© Peter Hess

Kurt Henry Teitelbaum * 1923

Haynstraße 9 (Hamburg-Nord, Eppendorf)


HIER WOHNTE
KURT HENRY
TEITELBAUM
JG. 1923
FLUCHT 1939
KINDERTRANSPORT
SCHOTTLAND

Weitere Stolpersteine in Haynstraße 9:
Käthe Goldschmidt, Elisa Groth

Kurt Teil, vormals Teitelbaum, geb. 31.8.1923, Flucht nach England und USA, überlebt

Haynstraße 9 (Hamburg-Nord, Eppendorf)

Kurt Teil, früher Teitelbaum, geb. am 31. August 1923, und seine Schwester Lotte, geb. 31. März 1922, lebten mit ihren Eltern Hermann Teitelbaum, geb. am 13. August 1890, und Ilse Teitelbaum, geb. 24. März 1893, in Hamburg-Eppendorf. Der Vater arbeitete in gehobener Stellung bei der Warburg-Bank. Die Familie lebte wohlsituiert in einer geräumigen Wohnung. Sie gehörte der Jüdischen Gemeinde Hamburgs an, pflegte jedoch keinen religiösen Lebensstil.

1933 zog die Familie in den Abendrothsweg 17, ebenfalls in Eppendorf.

Sohn Kurt, auf einer staatlichen Schule eingeschult, musste 1936 auf die Talmud-Tora-Realschule wechseln, vermutlich wegen des Gesetzes gegen die Überfüllung der Schulen und Hochschulen vom 25. April 1933, das besagte, dass der Anteil von "Nichtariern" an einzelnen Schulen nicht mehr als 1,5% betragen dürfe. Bei Kurt bewirkte die neue Schule, die für andere jüdische Jungen eine Befreiung von antisemitischen Mitschülern und Lehrern bedeutete, nicht unbedingt eine Verbesserung. Kurt Teil später: "Plötzlich wurde ich, eigentlich ein Atheist, von orthodoxen Lehrern unterrichtet. Ich eckte an, weil ich an Fakten interessiert war und nicht am Glauben." (Spiegelartikel, s.u.).

1938 erlebte er, wie die während des Novemberpogroms verhafteten Lehrer krank und gezeichnet von der KZ-Haft zurückkehrten. Er blieb auf der Schule, bis die Eltern für ihn und seine Schwester 1939 einen Platz in einem Kindertransport nach England bekommen konnten.

Wie andere Juden und Jüdinnen auch, mussten die Teitelbaums in Hamburg Ende Februar 1939 nach einer Verordnung alle Gegenstände aus Gold, Platin oder Silber sowie Edelsteine und Perlen binnen zwei Wochen an die Ankaufstellen abliefern. Als Bankbeamter stand Hermann Teitelbaum zudem unter dem Generalverdacht des Devisenvergehens: Die Zollfahndungsstelle eröffnete ein Verfahren wegen des Verdachts auf Devisenschmuggel gegen ihn, das jedoch ohne Ergebnis blieb. Er konnte 1939 nach England flüchten.

Zurück in Hamburg blieb die Mutter, die nach einem Eintrag in der Kultussteuerkartei der Jüdischen Gemeinde im Jahr 1940, nach der Erinnerung ihres Sohnes im Dezember 1941, ein Visum in die USA erhalten hatte. Dorthin folgte auch der Vater mit den Kindern, so dass die Familie wieder vereint war.

Die Teitelbaums ließen sich In Pittsburgh nieder, wo sie den Familiennamen änderte, auch aus Furcht vor amerikanischen Nationalsozialisten. Der Sohn erinnert, dass zunächst die Kinder die Familie ernährten, weil die Eltern schlecht englisch sprachen. Er selbst verdiente Geld mit Schuhe putzen und Autos waschen. Abends besuchte er die Highschool. Als junger Erwachsener ließ er sich einbürgern und meldete sich 1942 zur US Air Force. Im Januar 1945 flog er Einsätze bei Luftangriffen auf deutsche Städte. Bei der Kapitulation Deutschlands befand er sich in Berlin.

Kurt Teils Familie war gerettet, aber zwei Tanten von ihm wurden ebenso im Holocaust ermordet wie viele Freunde und Bekannte der Eltern.

Im November 1945 begann er als Zivilfahnder im Hauptquartier der amerikanischen "War Crimes Branch" in Wiesbaden zu arbeiten mit dem Ziel, Gestapo- oder SS-Männer aufzuspüren, die US-Flieger in Kriegsgefangenschaft ermordet hatten. Erfolgreich jagte er zwei Jahre Kriegsverbrecher in Deutschland.

Heute lebt Kurt Teil wieder in Deutschland. In Hamburg besichtigte er 2019 die Wohnung in der Haynstraße, in der er einen Teil seiner Kindheit erlebt hatte. 2020 ließ er dort einen Stolperstein für sich setzen.

Stand: April 2021
© Beate Meyer

Quellen: Diese Kurzbiographie wurde auf der Grundlage zweier Artikel verfasst: Katja Iken, "Ich tanzte auf Hitlers Asche", in: Spiegel v. 29.7.2019, https://www.spiegel.de/geschichte/ich-tanzte-auf-hitlers-asche-a-496d1397-0002-0001-0000-000165026479 (kostenpflichtig) (Zugriff 6.4.2020); Matthias Iken, Der lebende Stolperstein, in: Hamburger Abendblatt https://www.abendblatt.de/hamburg/article230930122/Kurt-Teil-Der-lebende-Hamburger-Stolperstein.html (Kostenpflichtig) (Zugriff 8.4.2020); zudem StaHH 552-1. 992 b, Kultussteuerkartei; Bundesarchiv Liste der jüdischen Einwohner des Deutschen Reichs 1933-1945; Bundesarchiv, R 1509, Ergänzungskarten zur Volkszählung v. 17.5.1939; Hamburger Adress- und Telefonbücher 1923-1939.

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