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Bereits verlegte Stolpersteine



Sibille Jacoby (geborene Voss) * 1865

Beim Schlump 13 (Eimsbüttel, Eimsbüttel)


HIER WOHNTE
SIBILLE JACOBY
GEB. VOSS
JG. 1865
DEPORTIERT 1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 31.7.1942

Weitere Stolpersteine in Beim Schlump 13:
Sura Abrahamsohn, Norbert Jacoby

Sibille Jacoby, geb. Voss, geboren am 12.2.1865, deportiert am 15.7.1942 nach Theresienstadt, ermordet am 31.7.1942 in Theresienstadt
Norbert Jacoby, geboren am 22.3.1864, tot am 1.6.1942 in Hamburg

Beim Schlump 13

Sibille (auch Sibilla/ Sybille), geb. Voss (auch Voos) und Norbert Jacoby verbrachten nur eine kurze Spanne ihres Lebens in Hamburg.

Sibille Voss war am 12.2.1865 als jüngstes von sechs Kindern der jüdischen Eheleute Hermann Voss (auch Voos) und Sophie Voss, geb. Mendel, in Kerpen geboren worden. Über ihre Kindheit ist uns nichts bekannt. Ihren Rufnamen Sibille kürzte sie in "Bella" ab.

In ihrem Heimatort Kerpen hatten sich schon ab Mitte des 17. Jahrhunderts jüdische Familien angesiedelt. Als Sibille Voss geboren wurde, betrug deren Zahl etwa 150 Personen.

Norbert Jacoby war im 43 Kilometer entfernten Boslar/ Kreis Jülich als fünftes von neun Kindern am 22.3.1864 geboren worden. Seine ebenfalls jüdischen Eltern hießen Raphael und Catharina Jacoby, geb. Selig. Auch über seine Kindheit und Jugend ist uns nichts bekannt.

Norbert Jacoby arbeitete bei der Jüdischen Gemeinde in Boslar als Synagogendiener. (Die Aufgaben eines Synagogendieners, auch als Schammes bezeichnet, entsprechen denen eines Küsters in der evangelischen Kirche).

Das Paar hatte am 9. Februar 1892 im nur wenige Kilometer von Köln entfernten Kerpen geheiratet. Gleich nach der Hochzeit siedelten sie sich im nahen Linnich/Kreis Jülich an. Auch dort arbeitete Norbert Jacoby als Synagogendiener.

Die Eheleute bekamen in Linnich die Kinder Caroline (geb.1.3.1893) und Hermann (geb. 25.8.1894), Tochter Friederike wurde dann am 13.10.1900 in Düsseldorf geboren.

Auch in Düsseldorf arbeitete Norbert Jacoby in der Bilkerstraße 25 als Synagogendiener, bis er in Rente ging. Er bezog dann von der Jüdischen Gemeinde in Düsseldorf etwa ab 1934 monatlich ein Ruhegehalt in Höhe von 165,05 RM.

Das Paar lebte in Düsseldorf, bis der nationalsozialistische Mob in der Pogromnacht am 9. November 1938 in ihre Wohnung eindrang und sie komplett zerstörte, so dass sie nicht mehr bewohnbar war.

Deshalb zogen Sibille und Norbert Jacoby am 13. Dezember 1938 zu ihrer Tochter Friederike Jacob (sie hatte zwischenzeitlich Benno Jacob geheiratet) nach Hamburg. Diese lebten in der Straße Beim Schlump 13. Dann suchten sich die Jacobys vorübergehend eine Bleibe in der Pension von Bertha Markus in der Hansastraße 55/ Harvestehude.

Auch eröffneten sie im Dezember 1938 bei der Sparkassenfiliale Rotherbaum ein Girokonto und beantragten die Transferierung ihres Geldes von Düsseldorf nach Hamburg. Auf ihrem Konto bei der Düsseldorfer Kreissparkasse befand sich ein Guthaben von 14.487 RM. Die Hamburger Sparkasse meldete dies der Oberfinanzdirektion in Düsseldorf, die jedoch am 11. Januar 1939 die Überweisung des Guthabens ablehnte.

Vermutlich deshalb zog das Ehepaar Jacoby im Januar 1939 wieder zu ihrer Tochter.
Zwar riet die Sparkasse Rotherbaum dem Ehepaar, sich mit der Oberfinanzdirektion in Düsseldorf direkt in Verbindung zu setzen und dort den Antrag nochmals zu stellen. Doch diese erließ daraufhin am 6. Februar 1939 erst einmal eine "Sicherungsanordnung". Sie gewährte den Jacobys einen monatlichen Betrag von 500 RM zur Deckung ihrer Lebenshaltungskosten und einmalig 1.000 RM. Erst dann erfolgte am 15. Februar 1939 die Transferierung des Guthabens von der Kreissparkasse Düsseldorf nach Hamburg.

Nun konnte sich das Ehepaar eine Wohnung suchen und fand eine passende in der Klosterallee 24 im vornehmen Stadtteil Harvestehude.

Am 26. September 1939 erhielten sie von der Oberfinanzdirektion einen Brief mit der Auflage einen Fragebogen auszufüllen, und diesen dann auf dem Postwege zurück zusenden, in dem sie über ihre finanziellen Ausgaben Aufschluss geben sollten. Bei Nichtbefolgung drohte eine hohe Strafe. Diesem Schreiben leistete das Ehepaar Jacoby unverzüglich Folge. Nach Prüfung der Lebenshaltungskosten gestand die Oberfinanzdirektion ihnen mit Schreiben vom 20. Oktober 1939 lediglich zu, künftig von ihrem Ersparten und den Ruhegeldbezügen monatlich noch 350 RM zu verbrauchen.

Außerdem sollte Norbert Jacob – wie alle Juden mit einem entsprechenden Vermögen – die "Sühneleistung", die Judenvermögensabgabe, nach dem Novemberpogrom begleichen. Er bat am 1. November 1939 darum, ihm die 5. Rate zur "Judenvermögensabgabe" zu erlassen. Er hatte zwischenzeitlich seine Kinder bei der Flucht nach Brasilien und in die USA finanziell unterstützt, was sein Guthaben erheblich geschmälert hatte. Wir wissen nicht, ob ihm die 5. Rate für die "Judenvermögensabgabe" erlassen wurde.

Am 24. März 1941 schloss das Ehepaar Jacoby gezwungenermaßen mit dem Altenhaus in der Sedanstraße 23 einen Heimeinkaufsvertrag ab. Das Altenhaus Sedanstraße 23, das die Jüdische Gemeinde seinerzeit durch eine Stiftung Hartwig von Essens errichtet und 1932 noch erweitert hatte, so dass es Platz für mehr als 50 Personen bot, diente in der NS-Zeit als "Judenhaus", wo ältere Menschen wie die Jacobys die Zeit bis zur Deportation nach Theresienstadt verbrachten.

Das Ehepaar Jacoby sollte laut Vertrag für Kost und Logis im Altenhaus von dem gesperrten Vermögen auf dem Konto der Sparkasse 5000 RM auf das Konto des Jüdischen Religionsverbandes, wie sich die Jüdische Gemeinde nun nennen musste, übertragen und diesem künftig auch das monatliche Ruhegehalt in Höhe von 165,05 RM zukommen lassen. Selbst diese unfreiwillige Transaktion mussten die Eheleute beantragen (am 3. März 1941) und sich genehmigen lassen, was am 24. März erfolgte.

Norbert Jacoby verstarb am 1. Juni 1942 im Jüdischen Krankenhaus Johnsallee an einer Infektion der Harnwege in Verbindung mit einer Urämie (Niereninsuffizienz). Er wurde wenige Tage später auf dem Jüdischen Friedhof Ilandkoppel beigesetzt.

Sibille Jacoby erhielt im Altenhaus ihren Deportationsbefehl für die erste Großdeportation nach Theresienstadt. Sie musste sich am 15. Juli 1942 an der Schule Altonaer Straße in der Schanzenstraße einfinden. In Hamburg waren Sommerferien. Deshalb nutzte die Gestapo das Schulgebäude an der Schanzenstraße, um ihre Pläne zur Deportation von jüdischen Menschen in die Tat umzusetzen. Es handelte sich um einen sogenannten Alterstransport, für den die über 65-Jährigen zuvor zurückgestellt worden waren. Sibille Jacoby gehörte mit ihren 77 Jahren dazu.
Für den Transport mit der Kennnummer VI/1-402 hatte die Deutsche Reichsbahn Waggons der dritten Klasse eingesetzt. Dicht gedrängt saßen außer Sibille Jacoby noch weitere 925 Menschen auf einfachen Holzbänken mit im Zug. Dieser erreichte am 16. Juli 1942 um die Mittagszeit Theresienstadt.

Sibille Jacoby überlebte die Deportation nur um wenige Tage, sie verstarb am 31. Juli 1942. Stolpersteine für das Ehepaar Sibille und Norbert Jacoby wurden vor ihrem ersten Wohnort in Hamburg, der Wohnung der Tochter, Beim Schlump 13 verlegt.

Zum Schicksal der Kinder von Sibille und Norbert Jacoby:
Hermann Jacoby (geb. 25.8.1894) verstarb am 11. Januar 1897 in Düsseldorf.

Carolina Jacoby (geb. 1.3.1893) heiratete am 6. August 1920 in Düsseldorf Seligmann Ehrlich. Das Ehepaar wanderte am 25. Juni 1939 nach Brasilien aus. Carolina Ehrlich verstarb 1974 in Buenos Aires.

Friederike Jacoby (geb. 13.10.1900) heiratete in Düsseldorf am 13. Dezember 1929 Leo Jacob (geb. 13.5.1889), mit dem sie in die USA emigrierte; ihr Ehemann verstarb 1943 in New York; in zweiter Ehe heiratete sie Benno Joseph (geb. 1896), der am 27. März 1969 in New York verstarb, Friederike Joseph verstarb – ebenfalls dort - am 23. Dezember 2000.

Zum Schicksal der Geschwister von Norbert Jacoby:
Alexander Jacoby (geb. 27.3.1860) verstarb am 18. Oktober 1905 in Köln.

Jacob Jacoby (geb. 21.11.1861) heiratete Henriette Herschel. Er verstarb am 6.März 1862.

Emanuel Jacoby (geb. 8.4.1863) verstarb am 13. Mai 1863.

Aaron Jacoby (geb. 22.1.1859), heiratete am 16. August 1892 Rosalie geb. Salm. Er verstarb am 30. März 1942 in Düren.

Theresia Jacoby (geb. 22.3.1864) wohnte in Düsseldorf. Sie verstarb am 12. Januar 1943 in Theresienstadt. Ein Stolperstein ist in Düsseldorf bisher nicht geplant.

Carolina Jacoby (geb. 24.1.1866) heiratete am 3. August 1889 (Name des Ehemannes unbekannt). Sie verstarb am 13. März 1914 in Johannistal bei Suchtein.

Lisetta Jacoby (geb. 16.1.1871) heiratete Louis Lazarus Lustig (geb. 25.6.1878). Sie verstarb am 3. März 1949 in Südafrika.

Helena Jacoby (geb. 7.11.1872), wann sie verstarb, wissen wir nicht.

Josef Jacoby (geb. 24.8.1874) und Emma Salm (geb. 3.10.1871), verheiratet seit 5. Oktober 1899, bekamen vier Kinder: Ernst Jacoby (geb. 24.5.1900), Berta Jacoby (geb. 31.12.1901), Rudolph Jacoby (geb. 7.11.1904) und Hilde Jacoby (geb. 21.5.1906). Das Ehepaar wurde am 16. Juni 1942 von Köln nach Theresienstadt deportiert. Joseph Jacoby verstarb dort am 3. März 1943, Emma Jakoby wurde am 15. Mai 1944 nach Auschwitz weiterdeportiert. Stolpersteine sind bisher nicht geplant.

Zum Schicksal der Geschwister von Sibille Jacoby:
Salomon Voos (geb. 5.6.1853) und Johanna, geb. Sommer (geb. 20.6.1848) hatten vier Kinder. Salomon Voos/ Voss verstarb am 7. Oktober 1919 in Kerpen, Johanna Voos, geb. Sommer verstarb am 2. November 1928 in Kerpen.
Sohn Hermann (geb. 19.1.1884) heiratete 1924 Helene, geb. Simon (geb. 17.8.1882). Sie wurden mit ihren drei Kindern Sally Voos (geb. 8.9.1923), Arthur Voos (geb. 18.4.1925) und Johanna Voos (geb. 11.6.1931) am 20. Juli 1942 in Minsk ermordet.
Tochter Margarethe Marianne Maryanna Voos (geb. 13.7.1885), verheiratet mit Salomon Heumann (geb. 10.1.1885) bekam die Tochter Selma Heumann (geb. 26.9.1917). Salomon Heumann fiel im Ersten Weltkrieg am 1. April 1917 in Frankreich. Selma wurde in Chelmno ermordet, ihre Mutter Marianne Heumann am 18. November 1941 in Lodz. Stolpersteine sind in ihrem Heimatort Düren bisher nicht geplant.
Tochter Sara Voss (geb. 1886) verstarb 1935 in Berrendorf.
Tochter Henriette Voos (geb. 6.9.1888) verstarb am 22. Mai 1941 im Kölner Krankenhaus.

Sara Voss (geb. 16.11.1854) heiratete in Linnich 1883 Heimann Lehmann, der am 13. Januar 1919 verstarb. Sara Lehmann verstarb am 13. April 1941 in Linnich. Sie hatte eine Tochter Lina (geb. 5.8.1923), die an einem unbekannten Ort im besetzten Polen ermordet wurde. Ein Stolperstein ist bisher nicht geplant.

Philipp Voss (geb. 16.12.1856) heiratete in erster Ehe 1887 Else, geb. Wallich (geb. 24.4.1853), die 1889 in Kerpen verstarb. In zweiter Ehe heiratete er 1891 Julie Jeannette, geb. Cohen (geb. 28.7.1863). Die Eheleute lebten in Kerpen und hatten drei Kinder. Philipp Voss wurde am 3. Dezember 1942 in Theresienstadt ermordet.
Tochter Amalie Voss (geb. 5.2.1888), heiratete Joseph Capell (geb. 23.10.1880), der am 31. August 1936 verstarb. Amalie Capell wurde in Auschwitz ermordet.
Tochter Paula Voss (geb. 7.10.1892) heiratete Hermann Kaufmann (geb. 21.4.1884). Sie wurden am 20. Juli 1942 in Minsk ermordet.
Sohn Heinrich Voss (geb. 20.7.1896), wurde 1944 im Holocaust im KZ Mittelbau-Dora ermordet.
Tochter Julie Jeannette Voss wurde 1942 an einen unbekannten Ort deportiert.
Stolpersteine sind in Kerpen bisher nicht geplant.

Amalie (Maria) Voss (geb. 13.3.1859) heiratete in Kerpen Sussmann Wolff (geb.5.9.1864), der am 23. Juni 1913 in Kerpen verstarb. Amalie Wolff verstarb am 6. Dezember 1922 in Kerpen. Sie wurde auf dem jüdischen Friedhof in Kerpen beigesetzt. Das Ehepaar hatte einen Sohn Max Wolff (geb. 17.9.1896), verheiratet mit Hedwig Wolff (geb. 20.9.1893). Max Wolff wurde in Minsk ermordet. Ein Stolperstein ist bisher nicht geplant.

Henriette Jeanette Voss (geb. 7.1.1863), verheiratet seit 1895 mit Moses Voss (geb. 31.5.1863), der am 18. Dezember 1938 in Kerpen verstarb. Henriette Jeanette Voss wurde am 8. März 1945 in Theresienstadt ermordet. Ein Stolperstein ist bisher nicht geplant.

Stand: März 2021
© Bärbel Klein

Quellen: StaH 1; 2; 4; 5; 7; 8; 351-11_971; 741-4_K4459, 741-4_K 6299; 332-5_255/1942; ITS Archives Bad Arolsen Digital Archive Korrespondenzakte 6.3.3.2 / 7105 Archivnummer [98257696] Einsicht am 7.3.2017; Gerd Friedt, Carpena Judaica, zum Schicksal der Kerpener Juden, erschienen 1.11.2008; Irmgard Stein, Jüdische Baudenkmäler in Hamburg, Hamburg 1984, S. 108; Alfred Gottwald und Diana Schulle, Die Judendeportationen aus dem Deutschen Reich, Wiesbaden 2005, S. 298; Gerd Friedt, Carpena Judaica, Selbstverlag des Vereins 2008, S. 387-391; www.geni.com; www.wikipedea.de; www.ancestry.de (Einsicht am 19.12.2020).
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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