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Bereits verlegte Stolpersteine



Auguste Ohrts (geborene Wulff) * 1866

Julius-Leber-Straße 36 (Altona, Altona-Nord)


HIER WOHNTE
AUGUSTE OHRTS
GEB. WULFF
JG. 1866
EINGEWIESEN 1920
HEILANSTALT NEUSTADT
"VERLEGT" 20.5.1941
BERNBURG
ERMORDET 20.5.1941
"AKTION T 4"

Weitere Stolpersteine in Julius-Leber-Straße 36:
Otto Eggerstedt

Auguste Catharina Margaretha Ohrts, geb. Wulff, geboren am 16.2.1866, aufgenommen in der "Provinzial-Irrenanstalt" Neustadt in Holstein, verlegt am 20.5.1941 in die Tötungsanstalt Bernburg, am 20.5.1941 ermordet, "Aktion T4"

Julius-Leber-Straße 36, Altona (früher Lessingstraße 36)

Auguste Catharina Margaretha Wulff wurde am 16. Februar 1866 in Neumünster geboren. Über ihre Eltern, Kindheit und eine eventuelle Ausbildung können wir nichts berichten.

Am 30. Juni 1894 heiratete sie in Eckernförde Emil Rudolf Ohrts, geboren am 8. Mai 1865 in Tiebensee/Neuenkirchen. Seine Eltern hießen Hinrich Ohrts und Christiane Christina Ohrts, geb. Kruse.

Emil Ohrts arbeitete bei der Kiel-Eckernförder-Flensburger Eisenbahn-Gesellschaft als Stationsvorsteher. In Eckernförde wurde am 27. März 1895 auch die Tochter Elli Elisabeth Caroline Ohrts geboren.

Seit dem 28. April 1897 wohnte die Familie Ohrts am Alsenplatz 1 in Altona-Nord im ersten Stock zur Untermiete bei Lübben. Emil Ohrts wechselte im gleichen Jahr auch seinen Arbeitsplatz. Er arbeitete nun als Kontrolleur bei der Eisenbahn Betriebsgesellschaft.

1904 zog die Familie Ohrts zunächst in die Alsenstraße 42, seit dem 15. September 1909 lebte sie dann in der Lessingstraße 36 in Altona-Nord (heute Julius-Leber-Straße) zur Untermiete bei Flügge. Emil Ohrts war jetzt bei der Deutschen Reichsbahn Gesellschaft als Inspektor beschäftigt.

Auguste Ohrts war nicht erwerbstätig, sondern organisierte ihren Haushalt und versorgte ihre Tochter Elli, die nach Beendigung ihrer Schulzeit eine Ausbildung zur Klavierlehrerin absolvierte.

Emil Ohrts arbeitete zeitweise im Ausland beim Ausbau der Hedschasbahn in Saudi-Arabien. Einen Teil seines Gehalts erhielt er in Rohdiamanten. (Der Bau der Hedschasbahn begann im Oktober 1900; der Name bezeichnet die 1322 km lange Hauptstrecke, die von Damaskus in Syrien nach Medina im heutigen Saudi-Arabien führte, gleichzeitig aber auch das gesamte Bahnnetz in der Region und die Betreibergesellschaft. Heute werden nur noch Teilstrecken der Hedschasbahn in Syrien und Jordanien betrieben.)

Am 25. Mai 1910 wurde Auguste Ohrts wegen einer Katatonie in der "Provinzial-Irrenanstalt Neustadt" in Holstein behandelt. Laut ihrer Krankenakte habe sie ihren Haushalt vernachlässigt, sei apathisch und teilweise nicht mehr ansprechbar gewesen. (Katatonie ist eine Störung der Motorik und des Antriebs. Die Störung geht einher mit depressiven Verstimmungen, Angst, Schlafstörungen und sozialem Rückzug.)

Wir wissen nicht, wie lange Auguste Ohrts in der Klinik blieb und ob und wann sie zwischenzeitlich entlassen wurde. Jedenfalls wurde sie 1920 erneut in der Anstalt in Neustadt, inzwischen umbenannt in Provinzial-Heil- und Pflegeanstalt, aufgenommen.

Erst am 28. Oktober 1935, fünfzehn Jahre nach ihrer letzten Einlieferung in Neustadt, finden sich in ihrer Krankenakte wieder Eintragungen. Danach sei ihre Behandlung bisher erfolglos geblieben, wobei Hinweise, wie oder womit Auguste Ohrts behandelt worden war, fehlen.

Die mit sehr spärlichen Informationen abgefasste Krankenakte von Auguste Ohrts schloss am 20. Mai 1941 mit dem Eintrag, dass sie von der Landesheilanstalt Neustadt über die Heilanstalt Königslutter weiter in die Tötungsanstalt Bernburg "verlegt" worden war. Hier wurden im Rahmen der "Euthanansie"-Aktion T 4 zwischen dem 21. November 1940 und August 1941 mehr als 9.000 Männer, Frauen und Kinder noch am Tage ihrer Ankunft ermordet und ihre Leichen verbrannt. Die Transporte kamen aus 40 psychiatrischen und Pflegeanstalten der Provinzen Brandenburg, Sachsen und Schleswig-Holstein, den Ländern Anhalt, Braunschweig und Mecklenburg sowie aus Berlin und Hamburg.
Mit Auguste Ohrts Transport aus Hamburg wurden 139 weitere Personen von Königslutter nach Bernburg "verlegt" und dort am Ankunftstag ermordet.

Am 17. Juni 1941 wurde die Urne mit Auguste Ohrts‘ vermeintlichen sterblichen Überresten an den Altonaer Hauptfriedhof, Stadionstraße 5 geschickt. Ihr Ehemann hatte dort, vermutlich, weil er ebenfalls dort mit beigesetzt werden wollte, eine Familiengrabstätte gekauft. Bestattet wurde die Urne von Auguste Ohrts am 8. Juli 1941 in der besagten Familiengrabstätte 2.XIV.4-6.

Die Rohdiamanten, die Emil Ohrts von seinen diversen Auslandsaufenthalten mitgebracht hatte, lagen im Safe in der Lessingstraße 36. Diesen fand Emil Ohrts nach dem Feuersturm über Hamburg Ende Juli 1943 unter den Trümmern des Hauses, gefüllt mit der Asche der verbrannten Rohdiamanten. Andere Familienmitglieder nahmen den verarmten Emil Ohrts und seine Tochter Elli in Fuhlsbüttel auf.

Emil Ohrts starb am 26. Dezember 1945 in einem Krankenhaus in Lübeck. Wo er beigesetzt wurde, wissen wir nicht.

Elli Ohrts arbeitete als Klavierlehrerin und lebte bis zu ihrem Tod am 24. August 1965 in der Schäferkampsallee 37 in Eimsbüttel. Sie wurde auf dem Friedhof Ohlsdorf beigesetzt. Das Grab existiert heute nicht mehr.

Stand: Mai 2024
© Michael Ohrts (Urgroßneffe) / Bärbel Klein

Quellen: StaH, 332-5 10172 Sterberegister 2250/1965 Elli Ohrts; Bundesarchiv Bestand R 179, Akte Nr. 27991 Auguste Ohrts; Auskunft per Mail Museum Rieke Weykopf aus Eckenförde; Auskunft per Mail Dr. Ute Hoffmann am 6.4.2016 Gedenkstätte Bernburg; StaH 741-4 Fotoarchiv K2389 (Ohrts), K 4513 (Ohrts), K 4813 (Ohrts), K 7353 (Ohrts); Ute Hoffmann/Dieter Schulze "….wird heute in eine andere Anstalt verlegt". Nationalsozialistische Zwangssterilisation und "Euthanasie" in der Landes- und Pflegeanstalt Bernburg, eine Dokumentation, 1. August 1997, https://gedenkstaette-bernburg.sachsen-anhalt.de (Einsicht Euthanasie 16.10.2023); Friedhof Altona, Stadionstraße, Beisetzungsunterlagen; https://www.bundesarchiv.de, liste-patientenakten-euthanasie.pdf (Namen von Opfern der NS-"Euthanasie", zu denen im Bundesarchiv-Bestand R 179 Patientenakten vorliegen); Ingo Wille, Transport in den Tod, Hamburg 2017; www.Wikipedia.de, Hedschasbahn (Einsicht 16.10.2023).

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