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Bereits verlegte Stolpersteine



Martin Moses * 1891

Großneumarkt 38 (vorm. Schlachterstraße) (Hamburg-Mitte, Neustadt)


HIER WOHNTE
MARTIN MOSES
JG. 1891
EINGEWIESEN 1940
HEILANSTALT LANGENHORN
"VERLEGT" 23.9.1940
BRANDENBURG
ERMORDET 23.9.1940
"AKTION T4"

Weitere Stolpersteine in Großneumarkt 38 (vorm. Schlachterstraße):
Hanna Aghitstein, Julie Baruch, Ludwig Louis Baruch, Julius Blogg, Rebecca Blogg, Kurt Cossmann, Mathilde Cossmann, Frieda Dannenberg, Alice Graff, Leopold Graff, Flora Halberstadt, Elsa Hamburger, Herbert Hamburger, Louis Hecker, Max Hecker, Marianne Minna Hecker, Lea Heymann, Alfred Heymann, Wilma Heymann, Paul Heymann, Jettchen Kahn, Adolf Kahn, Curt Koppel, Johanna Koppel, Hannchen Liepmann, Henriette Liepmann, Bernhard Liepmann, Johanna Löwe, Beate Ruben, Flora Samuel, Karl Schack, Minna Schack, Werner Sochaczewski, Margot Sochazewski, verh. Darvill, Sophie Vogel, Sara Vogel

Martin Moses, geb. am 9. 7. 1891 in Hamburg, ermordet am 23. 9. 1940 in der Tötungsanstalt Brandenburg an der Havel

Großneumarkt 38
(vormals Schlachterstraße 7/8), Hamburg-Neustadt

Martin Moses, geboren am 9. Juli 1891 in Hamburg, war das sechste von zehn Kindern der jüdischen Eheleute Joseph Moses und Jenni, geborene Levi. Joseph Moses betrieb bis etwa 1886 eine Gastwirtschaft, danach arbeitete er als Händler. Die Familie wohnte immer in der Hamburger Neustadt, in der 2. Elbstraße, in der Schlachterstraße und ab 1892 bis etwa 1904 in der Straße Bei den Hütten 109, zuletzt Hütten 109 genannt.

Die Geschwister von Martin hießen Max, geboren am 28. Juni 1884, Iwan, geboren am 4. Oktober 1888, Hanna, geboren am 27. März 1896, Salo, geboren am 30. Juni 1901. Fünf weitere Kinder starben als Säuglinge. Ihr Vater Joseph Moses starb am 16. April 1904 im Israelitischen Krankenhaus im Alter von 54 Jahren.

Über Martin Moses’ Kindheit, Schulzeit, Jugend und eine eventuelle Berufsausbildung ist uns nichts bekannt. Mit achtzehn Jahren wurde er 1909/10 Patient der "Irrenanstalt Friedrichsberg”. Von dort kam Martin Moses in die ehemaligen Alsterdorfer Anstalten und wurde wenig später, im September 1910, in der "Irrenanstalt Langenhorn" aufgenommen.

1927 hatten die Hansestädte Lübeck und Hamburg einen Vertrag geschlossen, nach dem Hamburg zunächst bis zu 300 Patienten in der Heilanstalt Strecknitz unterbringen durfte. Hamburg gewährte Lübeck im Gegenzug ein zinsloses Darlehen für die Errichtung von Erweiterungsbauten. Martin Moses gehörte zu den Patienten, die auf der Grundlage dieses Abkommens nach Strecknitz verlegt wurden. Er verließ Langenhorn am 3. Oktober 1930 und blieb in der Lübecker Anstalt, bis die "Euthanasie"-Zentrale in Berlin, Tiergartenstraße 4, im Frühjahr/Sommer 1940 eine Sonderaktion gegen Juden in öffentlichen und privaten Heil- und Pflegeanstalten beschloss. Sie ließ die in den Anstalten lebenden jüdischen Menschen erfassen und in sogenannten Sammelanstalten zusammenziehen. Die Heil- und Pflegeanstalt Hamburg-Langenhorn wurde zur norddeutschen Sammelanstalt bestimmt. Alle Einrichtungen in Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg wurden angewiesen, die in ihren Anstalten lebenden Juden bis zum 18. September 1940 dorthin zu verlegen.

Martin Moses traf am 16. September 1940 in Langenhorn ein. Am 23. September wurde er mit weiteren 135 Patientinnen und Patienten aus norddeutschen Anstalten nach Brandenburg an der Havel transportiert. Der Transport erreichte die märkische Stadt noch an demselben Tag. In dem zur Gasmordanstalt umgebauten Teil des ehemaligen Zuchthauses trieb man die Patienten umgehend in die Gaskammer und ermordete sie mit Kohlenmonoxyd. Nur Ilse Herta Zachmann entkam zunächst diesem Schicksal (siehe www.stolpersteine-hamburg.de).
Es ist nicht bekannt, ob und ggf. wann Angehörige Kenntnis von Martin Moses’ Tod erhielten. In allen dokumentierten Mitteilungen wurde behauptet, dass der oder die Betroffene in Chelm (polnisch) oder Cholm (deutsch) verstorben sei. Auf dem Geburtsregistereintrag von Martin Moses wurde notiert, dass das Standesamt Chelm II seinen Tod unter der Nummer 457/1941 registriert hat. Die in Brandenburg Ermordeten waren jedoch nie in Chelm oder Cholm, einer Stadt östlich von Lublin. Die dort früher existierende polnische Heilanstalt bestand nicht mehr, nachdem SS-Einheiten am 12. Januar 1940 fast alle Patienten ermordet hatten. Auch gab es in Chelm kein deutsches Standesamt. Dessen Erfindung und die Verwendung späterer als der tatsächlichen Sterbedaten dienten dazu, die Mordaktion zu verschleiern und zugleich entsprechend länger Verpflegungskosten einfordern zu können.

Die Schicksale von Martins Mutter und seinen Geschwistern sind nur bruchstückhaft überliefert. Ob Jenni Moses nach dem Tod ihres Ehemannes Hamburg verlassen hat, ist nicht sicher. Auch über Hanna Moses haben wir keine Informationen. Auf Max Moses’ Geburtsregistereintrag ist vermerkt, dass er am 8. Dezember 1951 in Mannheim verstorben ist.

Iwan Moses hatte den Beruf des Buchbinders ergriffen. Er heiratete am 27. Oktober 1910 Luise Martha Kracht, geboren am 22. Januar 1890 in Bielefeld. Die Ehe blieb kinderlos und wurde im Juli 1921 geschieden. Iwan Moses ging eine zweite Ehe mit Rifka (Riwka) Grünberg ein. Zwei ihrer drei Kinder sollen mit einem der Kindertransporte rechtzeitig nach England geflüchtet sein. Iwan und Rifka sowie ihr drittes Kind Ruth, geboren am 1. Mai 1925, wohnten zuletzt in der Grindelallee 116. Dort erhielten sie den Befehl zur Deportation nach Minsk am 8. November 1941. Für Iwan, Rifka und Ruth Moses liegen Stolpersteine in der Grindelallee 116 (siehe www.hamburg-stolpersteine.de).

Salo Moses heiratete die am 24. Oktober 1903 in Hamburg geborene Matilde Cohen. Das Ehepaar bekam zwei Töchter, Alice, geboren am 12. März 1926, und Edith, geboren am 6. September 1932. Die Familie emigrierte im Juni 1937 in die Niederlande. Sie lebte zunächst in Den Haag und ab Januar 1939 in Amsterdam. Dort arbeitete Salo Moses als Vertreter und als Angestellter im Büro des Judenrats.

Am 3. September 1942 wurde die Familie in Westerbork interniert und von dort am 4. September 1942 nach Auschwitz deportiert. Dort wurden Mathilde und Alice Moses am 7. September 1942, Salo Moses am 31. März 1944 und Edith an einem nicht bekannten Tag ermordet. Für diese vier Menschen liegen Stolpersteine in der Grindelallee 129 in Hamburg-Rotherbaum (siehe www.hamburg-stolpersteine.de).

Stand: Mai 2022
© Ingo Wille

Quellen: 1; 4; 5; 8; 9; AB; StaH 133-1 III Staatsarchiv III, 3171-2/4 U.A. 4, Liste psychisch kranker jüdischer Patientinnen und Patienten der psychiatrischen Anstalt Langenhorn, die aufgrund nationalsozialistischer "Euthanasie"-Maßnahmen ermordet wurden, zusammengestellt von Peter von Rönn, Hamburg (Projektgruppe zur Erforschung des Schicksals psychisch Kranker in Langenhorn); 135-1_I-IV Staatliche Pressestelle 3062 Strecknitz Vertrag, 314-15 Oberfinanzpräsident FVg 5554 Abraham Leers wegen Iwan Moses; 332-5 Standesämter 204 Sterberegister Nr. 1592/1886 Isidor Moses, 229 Sterberegister Nr. 3919/1887 Louis Moses, 274 Sterberegister Nr. 585/1890 Adolph Moses, 378 Sterberegister Nr. 860/1895 Hanna Moses, 535 Sterberegister Nr. 531/1904 Joseph Moses, 2080 Geburtsregister Nr. 3017/1884 Max Moses, 2104 Geburtsregister Nr. 3428/1885 Isidor Moses, 2152 Geburtsregister Nr. 2333/1887 Louis Moses, 2181 Geburtsregister Nr. 4755/1888 Iwan Moses, 2204 Geburtsregister Nr. 4784 Adolph Moses, 2258 Geburtsregister Nr. 3156/1891 Martin Moses, 2369 Geburtsregister Nr. 228/1895 Hanna Moses, 2401 Geburtsregister Nr. 1163 Hanna Moses, 2666 Heiratsregister Nr. 33/1884 Joseph Moses/Jenni Levy, 3173 Heiratsregister Nr. 635/1911 Iwan Moses/Luise Martha Kracht, 8778 Heiratsregister Nr. 130/1923 Iwan Moses, Rifka Becky Grünberg, 8798 Heiratsregister Nr. 147/1925 Salo Moses/Matilde Cohen, 13560 Geburtsregister Nr. 1756/1901 Salo Moses, 13715 Geburtsregister Nr. 3052 James Moses, 14010 Geburtsregister Nr. 2756/1903 Matilde Cohen; 332-8 Meldewesen (Alte Einwohnermeldekartei 1892–1925); 351-11 Amt für Wiedergutmachung 38212 Lotte Degner nach Salo Moses; 311-3_I Finanzbehörde I Abl. 1959_302-1-8_106 Strecknitz Vertrag; UKE/IGEM, Archiv, Patienten-Karteikarte Martin Moses der Staatskrankenanstalt Friedrichsberg; Kamp Westerbork, Archiv, Auskunft per email von José Martin zur Familie von Salo Moses vom 8. 8. 2016; JSHD Forschungsgruppe "Juden in Schleswig-Holstein", Datenpool Erich Koch, Schleswig.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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