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Bertha Margaretha Haurwitz (geborene Hauer) * 1873

Eppendorfer Landstraße 46 (Hamburg-Nord, Eppendorf)

Freitod 25.10.1941

Weitere Stolpersteine in Eppendorfer Landstraße 46:
Alfred Aron, Bertha Engers, Dr. Rudolf Haurwitz, Henriette Hofmann, Siegfried Marcus, Martha Markus, Elsa Meyerhof, Käte Meyerhof, Olga Reyersbach

Bertha Margaretha Haurwitz, geb. Hauer, geb. 31.10.1873 in Hamburg, Suizid am 24.10.1941 in Hamburg
Dr. Rudolf Ludwig Morris Gustav Haurwitz, geb. am 19.5.1901 in Hamburg, Suizid am 29.11.1936 in Hamburg

Eppendorfer Landstraße 46

Rudolf Haurwitz wurde am 19. Mai 1901 in Hamburg geboren. Trotz ihrer jüdischen Herkunft ließen seine Eltern, der Futtermittelkaufmann Gustav Haurwitz, geboren am 12. Januar 1865 in Stettin und Bertha Margaretha, geb. Hauer, geboren am 31. Oktober 1873 in Hamburg, den Sohn – ebenso wie seine Schwester Clara, später verheiratete Bacher (1898– 1944) (s. Stolpersteine Hamburg-Winterhude, S. 41) –bereits als Kind evangelisch taufen. Auch der Vater war evangelisch-lutherischen Glaubens.

Die 1897 geschlossene Ehe der Eltern wurde geschieden. In zweiter Ehe heiratete Gustav Haurwitz die Nichtjüdin Margarethe Matewitz, geboren am 28. Oktober 1897, mit der er zwei weitere Söhne bekam, Gerhard, geboren 1916, und Harald, geboren 1918. Ebenso wie ihr Vater sollten beide die Verfolgung überleben.

Rudolf Haurwitz besuchte von 1907 bis 1912 die Oberrealschule auf der Uhlenhorst und anschließend bis Ostern 1919 das Realgymnasium Johanneum, das er nach Bestehen der Reifeprüfung (28. Februar 1919) verließ.

Er begann das Studium der Rechte an der Universität zu Freiburg/Breisgau, wechselte nach zwei Semestern an die Universität Hamburg und ging dann für ein Semester an die Universität Göttingen. Die letzten vier Semester bis zum Bestehen der Ersten Staatsprüfung am 11. Juli 1922 studierte Rudolf Haurwitz wieder in Hamburg, wo er auch das anschließende Referendariat absolvierte und 1923 zum Dr. jur. promovierte. Seit 1927 betrieb er eine Anwaltskanzlei am Neuen Wall 32, die 1928 zum Gänsemarkt 35 umzog, wo sich auch das Bankgeschäft von Julius Cohn, der mit seiner Ehefrau in der Eppendorfer Landstraße 30 wohnte, befand. Ab 1930 residierte die Kanzlei an der Stadthausbrücke 43.

Am 25. April 1933 wurde Rudolf Haurwitz die Zulassung als Rechtsanwalt aus "rassischen" Gründen entzogen. Damit hatte er seine Existenzgrundlage verloren. Er beteiligte sich daher an der Firma Radio Fuchs und übernahm das Geschäft in den Hohen Bleichen am 1. März 1934 als alleiniger Inhaber. Da jedoch die antijüdischen Maßnahmen gegen jüdische Ge­schäftsleute zunahmen und jüdische Geschäfte immer konsequenter boykottiert wurden, stand er 1936 kurz vor der Pleite. Die Nationalsozialisten hatten ihn zum zweiten Mal wirtschaftlich ruiniert.

Rudolf Haurwitz erschoss sich am 29. November 1936. Er wurde nur 36 Jahre alt.

Dem Drängen eines in Chile lebenden Onkels, Rudolf Haurwitz möge mit seiner Verlobten sowie dem Ehepaar Bacher (Schwester und Schwager) dorthin auswandern, gaben alle vier nicht nach. Insbesondere die beiden Männer konnten sich nicht dazu durchringen – möglicherweise wegen einer tragischen Fehleinschätzung dessen, was sie in Deutschland noch erwartete.

Wie auch seine Schwester Clara Bacher und deren Ehemann engagierte sich Rudolf Haurwitz Ende der 1920er, Anfang der 1930er Jahre in der Volksheimbewegung und der Sozialistischen Arbeiterjugend. Elfriede Bartels, eine ehemalige Schülerin seines Schwagers Walter Bacher, erinnerte sich in einem Brief vom 1. Februar 1985 an den Rechtsanwalt Rudolf Haurwitz, der einen Lehrlingsverein im Volksheim Rothenburgsort geleitet habe. "Die Familien Bacher/Haurwitz haben viel für die Jugend getan und waren in sozialer Hinsicht schon damals vorbildlich" (Brief von Elfriede Bartels an Frau Benthien vom 1. Februar 1984).

Mitte der 1930er Jahre leitete Rudolf Haurwitz eine Jugendgruppe des Reichsverbandes der nichtarischen Christen e. V. Dieser kleine Selbsthilfeverband kümmerte sich unter anderem um jugendliche "Mischlinge ersten Grades", die unter der rassischen Diskriminierung und Ausgrenzung zu leiden hatten. Rudolf Haurwitz fuhr z. B. mit seiner Gruppe an den Wochenenden regelmäßig in die Gegend von Seevetal, wo sie in einer privaten Hütte auf dem Heuboden übernachteten. Die Ausflüge und auch die Betreuung der Gruppe endeten, nachdem die Gestapo auf dem Heuboden aufgetaucht war und Rudolf Haurwitz verhaftet hatte. Ein Gruppenmitglied erinnerte sich, dass er zwar nach einiger Zeit zurückgekommen sei, aber keinen Kontakt mehr zu den Jugendlichen aufgenommen habe. Als die Gruppe später hörte, dass Rudolf Haurwitz sich erschossen hatte, sei dies entsetzlich gewesen und habe alle sehr belastet.

Im Gegensatz zu seiner Schwester Clara Bacher gehörte Rudolf Haurwitz der Jüdischen Gemeinde nicht an. Die Schwester war vermutlich gemeinsam mit ihrem Mann, der im November 1935 der Jüdischen Gemeinde beitrat, Mitglied geworden.

Bevor Rudolf Haurwitz in die Eppendorfer Landstraße 46 zog, hatte er in der Andreasstraße 18 und in der Dorotheenstraße 39 gewohnt. Unklar ist, ob er dort mit seiner alleinstehenden Mutter zusammenlebte.

Auch wenn Mutter und Sohn ihren letzten Wohnsitz in der Eppendorfer Landstraße 46 hatten, so lebten sie dort weder gemeinsam noch zur selben Zeit. Bertha Margaretha Haurwitz zog erst mehr als vier Jahre nach der Selbsttötung ihres Sohnes Anfang 1941 aus ihrer Wohnung in der Barmbecker Straße 89 als Untermieterin zur Familie Aron in die Eppendorfer Landstraße 46 in die vierte Etage.

Bertha Margaretha Haurwitz wurde am 31. Oktober 1873 in Hamburg geboren. Ihre Eltern waren der Kaufmann Morris Hauer, zuletzt wohnhaft in Kiel und seine Ehefrau Caroline, geb. Schönewald, zuletzt wohnhaft in Hamburg.

Am 4. September 1897 heiratete sie den Futtermittelkaufmann Gustav Haurwitz. Nach ihrer Scheidung, die vermutlich vor 1916 war, da im September 1916 der ältere Sohn Gerhard aus der zweiten Ehe von Gustav Haurwitz geboren wurde, blieb Bertha Margaretha Haurwitz offenbar allein und zog wohl zunächst ihre beiden Kinder Clara und Rudolf, die noch zur Schule gingen, groß. Über ihr weiteres Leben und ihre wirtschaftlichen Verhältnisse wissen wir nichts.

Aus einer Vermögens- und Ausgabenaufstellung vom Dezember 1940 ergibt sich, dass ihre monatlichen Ausgaben für Miete, Lebensunterhalt, Bekleidung usw. von 180–185 RM höher lagen als die bescheidene Leibrente von 160 RM, die sie bezog. Zwei Hypotheken über gut 6000 RM musste sie zum 1. Januar 1941 auflösen. Da ihr Nachlass laut Polizeiakte ca. 6000 RM betrug, ist davon auszugehen, dass sie über das Geld nicht verfügen konnte.

Bertha Margaretha Haurwitz erhielt – wie auch ihr Vermieter Alfred Aron – einen "Evakuierungsbefehl" für den 25. Oktober 1941 nach Lodz. Sie nahm daraufhin in der Wohnung Eppendorfer Landstraße 46 (ihr Vermieter Alfred Aron war laut Polizeibericht schon weg) eine Überdosis Schlaftabletten, an deren Folgen sie am 25. Oktober 1941 im Jüdischen Krankenhaus Johnsallee 64, wohin sie auf Veranlassung der Polizei in bewusstlosem Zustand transportiert worden war, starb. Sie wurde 68 Jahre alt.

In der Deportationsliste nach "Litzmannstadt" für den 25. Oktober 1941 wurde ihr Name durchgestrichen, ihr Hausrat einschließlich Wertgegenstände wurde am 2. Februar 1942 für 1521,90 RM versteigert.

Ihre Tochter Clara Bacher starb 1944 auf dem Transport von Theresienstadt ins Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Ihr geschiedener Ehemann Gustav Haurwitz, der eine "Mischehe" eingegangen war, wurde im Februar 1945 nach Theresienstadt deportiert und überlebte. Nach Hamburg zurückgekehrt, starb er hier am 10. Mai 1948.

© Birgit Burgänger

Quellen: 3; 7; StaH 351-11 AfW, 210916; StaH 314-15 OFP, R 1940/489; StaH 331-5 Polizeibehörde, unnatürliche Sterbefälle 1941/1602; AB 1933; StaH 332-8 Meldewesen A51; StaH 522-1 Jüd. Gemeinden 992e1 Band 1; StaH 331-5 Polizeibehörde, unnatürliche Sterbefälle 1941/489;StaH 214-1 Gerichtsvollzieherwesen 321; Morisse, Jüdische Rechtsanwälte, 2003; Brix, Land, mein Land, 1997; Bake/Rottmann, Wer steckt dahinter?, 2005; Dissertation Rudolf Haurwitz zum Thema: Empfiehlt sich die Berücksichtigung der Gewerbs- und Gewohnheitsmäßigkeit in dem neuen Deutschen Strafgesetzbuch, 1923; Sparr, Stolpersteine, 2008; FZH/WdE 010, Interview mit H.P.I., Transkript S. 6f.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Recherche und Quellen.

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