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Bereits verlegte Stolpersteine



Markus Martin Brückenstein * 1893

Grindelallee 33 (Eimsbüttel, Rotherbaum)


HIER WOHNTE
MARKUS MARTIN
BRÜCKENSTEIN
JG. 1893
´POLENAKTION` 1938
BENTSCHEN/ZBASZYN
ERMORDET
IM BESETZEN POLEN

Weitere Stolpersteine in Grindelallee 33:
Henie Henny Brückenstein, Fanni Brückenstein, Sonnia Brückenstein

Markus Martin Brückenstein, geb. am 22.3.1893 in Bolechów/ Kronland Galizien (heute Bolechiw/Ukraine), ausgewiesen am 28.10.1938 nach Zbąszyń/Bentschen, Polen, ermordet im besetzten Polen

Henie/ Henny Brückenstein, geb. Schilberg, geb. am 5.9.1900 in Hussaków/Kronland Galizien (heute Hussakiw/Ukraine), ausgewiesen am 28.10.1938 nach Zbąszyń/ Bentschen, Polen, ermordet im besetzten Polen

Fanni Brückenstein, geb. am 19.7.1928 in Hamburg, ermordet im besetzten Polen

Sonnia Brückenstein, geb. am 17.4.1932 in Hamburg, ermordet im besetzten Polen

Grindelallee 33

Markus Martin Brückenstein wurde am 22. März 1893 in Bolechów (heute Ukraine) im Kronland Galizien, in einer Gegend geboren, die hauptsächlich von jüdischen Einwohnern besiedelt war. Seine Eltern hießen Nathan Brückenstein und Sara, geb. Aberbach, weiteres ist nicht bekannt.

Markus Brückenstein erlernte, wie auch sein jüngerer Bruder Joel Julius Brückenstein (geb. 9.7.1899 in Bolechów), das Kürschner Handwerk. Beide verließen ihre Heimatstadt, die damals noch zu Österreich gehörte. Markus Brückenstein ließ sich am 1. September 1913 in Hamburg nieder. Der Bruder lebte mindestens seit 1925 in Wien.

Wie ihr Ehemann, so stammte auch Henie/Henny Brückenstein, geborene Schilberg aus Galizien, genauer aus Hussaków (heute Ukraine), wo sie am 5. September 1900 geboren wurde. In den 1920er Jahren lebte ihr Vater Feiwel Schilberg als Kaufmann in Gródek (heute Ukraine), ihre Mutter Feige(a) Wittel, geb. Zwirn, war bereits in Hussaków verstorben.

Wo Markus und Henie Brückenstein heirateten, ist nicht überliefert. Vielleicht, wie in jüdischen Familien damals üblich, am Wohnort der Braut. Henie Brückenstein kam erst im Mai 1925 nach Hamburg. Das Ehepaar bekam zwei Kinder, beide wurden in Hamburg geboren; Fanni am 19. Juli 1928 und Sonnia am 17. April 1932.

Familie Brückenstein gehörte der hiesigen Jüdischen Gemeinde an und entrichtete seit 1925 Kultussteuern. Sie lebten zunächst in der Hansastraße 65, dann in der Grindelallee 132 und in der Grindelallee 73. Ab 1930 wohnten sie in der Grindelallee 33, Hochparterre, wo sie eine Kürschnerei, einen Pelzwarenhandel und die "Sachgerechte Aufbewahrung" von Pelzmänteln während des Sommers betrieben. Um den Haushalt kümmerte sich die Hausangestellte Emma Greuel, geb. Koch. Zusätzlich beschäftigten sie eine "Haushilfe", im Betrieb arbeitete noch die Pelznäherin Leni Töws mit.

Auch Henie Brückensteins Schwester Rywka/Regina Schilberg, (geb. 22.1.1894) lebte in Hamburg. Am 17. Mai 1920 hatte sie Jonas Ornstein, (geb. 26.4.1873 in Drohobycz, heute Ukraine) geheiratet. Sie betrieben in der Grindelallee 165 eine Herren und Damen Schneiderei. 1933 zogen sie in die Hansastraße 76. (Die erste Ehefrau von Jonas Ornstein, Rahel(a)/Rosa, geb. Schüllberg (geb. 4.12.1881), starb am 9. November 1918 in Hamburg. Das Geschäft befand sich damals noch in der Brahmsallee 4.)

Am 28. Oktober 1938 wurden Markus und Henie Brückenstein als Juden polnischer Herkunft während der sogenannten Polenaktion aus Deutschland ausgewiesen.
Ihre Geburtsorte im Distrikt Galizien waren 1918 nach dem Ersten Weltkrieg an Polen gefallen. Das Ehepaar Brückenstein hatte nach einer Verfügung der polnischen Regierung die Frist verstreichen lassen, sich bis zum 1. November 1938 als im Ausland lebende Polen ihre polnische Staatsbürgerschaft bestätigen zu lassen. Damit sie als "staatenlose Ostjuden" nicht dauerhaft in Deutschland verbleiben würden, ordnete Heinrich Himmler noch vor Ablauf der Frist ihre Abschiebung an. Etwa 17.000 Jüdinnen und Juden wurden bundesweit in ihren Wohnungen oder an ihren Arbeitsplätzen festgenommen und in Zügen an die deutsch-polnische Grenzstadt Zbąszyń/Bentschen gebracht, wo sie unter menschenunwürdigen Lebensbedingungen in einem provisorisch eingerichteten Grenzlager lebten.

Einigen der Ausgewiesenen gestattete die polnische Behörde die Weiterreise ins Landesinnere, sofern sie dort Verwandte hatten. Das Ehepaar Brückenstein gelangte im November 1938 zunächst nach Sosnowiec, wo sie bei Korenfeld in der Pilsudskiego 60 unterkamen. Von dort versuchten sie ihre Auswanderung in die USA voranzutreiben. Im März 1939 zogen sie weiter nach Bolechów, Gledzinskiego 19.

Die beiden Schwestern Fanni und Sonnia waren aus unbekannten Gründen ohne ihre Eltern in Hamburg zurückgeblieben. Sie fanden Aufnahme bei ihrer Tante Rywka Ornstein in der Hansastraße. Die Ornsteins waren der Abschiebung entgangen, da Jonas Ornstein 1924 die deutsche Staatsangehörigkeit für sich und seine Familie erworben hatte.

Der jüdische Rechtsanwalt Siegfried Urias, der sich nur noch als "Konsulent" bezeichnen durfte, war zum Abwesenheitspfleger/Treuhänder bestimmt worden. Markus Brückenstein hatte ihm, noch unmittelbar vor der Abschiebung, mit seiner Unterschrift auf einer Sammelliste die Vollmacht erteilt.

Rywka Ornstein, von Siegfried Urias zunächst mit einer Untervollmacht ausgestattet, beantragte beim Oberfinanzpräsidenten die benötigten Genehmigungen für die Überführung des zurückgelassenen Hausstandes ihrer Schwester und Schwagers nach Polen. (Markus Brückenstein erteilte seiner Schwägerin im Januar 1939 die alleinige Vollmacht. Siegfried Urias emigrierte im April 1939 nach Santiago de Chile.)

Das Ehepaar Brückenstein hatte durch ihre überstürzte Abschiebung nur das Nötigste mitnehmen können, dies scheint nicht im Verborgenen geblieben zu sein: In der Nacht vom 16. auf dem 17. November 1938 stahlen Diebe aus ihrer Wohnung Persianermäntel, die ihnen zur Reparatur überlassen worden waren.

Die Zollfahndungsstelle Hamburg genehmigte am 7. März 1939 die Überführung des Umzugsguts nach Polen. Ende des Monats übernahm das Spezialunternehmen für Ausland- und Übersee-Transporte Keim, Krauth & Co., Jungfernstieg 1, den Transport des Hausrats der Brückensteins bis zur deutsch-polnischen Grenze.

Henie Brückenstein erhielt die befristete Genehmigung deutscher Behörden für acht Wochen nach Deutschland zurückzukehren, um noch geschäftliche Angelegenheiten zu regeln und den Umzug ihrer Kinder nach Polen in die Wege zu leiten. Alleine konnten die 6- und 10-jährigen die Bahnfahrt zu ihren Eltern nicht unternehmen.
Tochter Fanni besuchte seit Ostern 1935 die Israelitische Töchterschule in der Karolinenstraße, dort war auch ihre Schwester Sonnia Ostern 1938 eingeschult worden.

Am 9. April 1939 bat Henie Brückenstein um die Freigabe von 37 RM (Reichsmark) für das Fahrgeld vom Grenzübergang Beuthen (heute Bytom/Polen) nach Hamburg, sowie um 30 RM "Taschengeld" von ihrem Sperrkonto, das noch ein Guthaben von 1.145 RM aufwies und der Genehmigung des Oberfinanzpräsidenten unterlag, da die Ausgewiesenen als Devisenausländer galten. Henie Brückenstein wohnte nach ihrer Rückkehr bei ihrer Schwester in der Hansastraße.
Am 17. Juli 1939 wurde Henie Brückenstein Pass gesperrt und als polizeilich "Dauerabgemeldet" registriert. Spätestens zu diesem Zeitpunkt muss sie mit ihren Kindern zu ihrem Mann nach Polen zurückgekehrt sein.

Nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Polen im September 1939, gelang es Familie Brückenstein nicht mehr aus Polen heraus zu kommen. Ab 1940 musste die jüdische Bevölkerung in den besetzten Gebieten weiße Armbinden mit dem Davidstern tragen. Später wurde sie in die von den Besatzern eingerichteten Gettos und Vernichtungslager deportiert.

Ob sich Familie Brückenstein im Oktober 1941 unter den Jüdinnen und Juden befanden, die in Bolechów vor Ort zusammengetrieben und auf einem Feld am Stadtrand erschossen wurden, oder aber im September 1942 ins das Vernichtungslager Bełżec deportiert wurden, ist nicht überliefert.

Henie Brückensteins Schwester Rywka Ornstein flüchtete mit ihrem Mann Jonas und der gemeinsamen Tochter Fanny (geb. 16.10.1920 in Hamburg) am 7. August 1939 nach Antwerpen/Belgien, wo sie in der Lamorinièrestraat 113 wohnten. Nach der Besetzung durch deutsche Truppen im Mai 1940 wurden sie im Sammellager Mechelen/Malines interniert. Nach Angaben des Internationalen Suchdienstes des Roten Kreuzes in Arolsen wurde Fanny Ornstein am 15. August 1942 nach Auschwitz deportiert, wo sie bereits am 27. August 1942 ermordet wurde. Ihre Eltern Rywka und Jonas Ornstein wurden am 15. Januar 1943 ebenfalls nach Auschwitz deportiert. Ihre Todesdaten sind nicht bekannt.

Drei der vier Kinder aus Jonas Ornsteins erster Ehe: Giesela verheiratete Berger (geb. 14.9.1900 Nyíregyháza/Ungarn), Leo (geb. 5.1.1902 in Preßburg/Bratislava/Slowakei) und Oskar (geb. 19.8.1911 in Hamburg) gelang es aus Deutschland zu fliehen. Der vierte, Jakob Ornstein/Schilberg (geb. 28.11.1903 in Prczmysl/Polen), befand sich nach einer Haftstrafe, als "Schutzhäftling" im KZ Neuengamme. Nach Angaben der KZ-Gedenkstätte Neuengamme wurde er im Juni 1942 in der "Landes-Heil und Pflegeanstalt" Bernburg ermordet.

Markus Brückensteins Bruder Joel Julius Brückenstein wohnte mit seiner Ehefrau Paula, geb. Rauzenhofer (geb. 18.11.1900 in Wien) in der Lichtensteinerstraße 103/12, im 9. Bezirk in Wien. Am 12. November 1938 wurde er als "Schutzhäftling" in das KZ Dachau eingewiesen, dort starb er am 20. Januar 1939, angeblich an einem "aku. Herztod".
Seine Witwe hatte im Juni 1939 noch eine "freiwillige unentgeltliche Zuwendung" von 200 RM aus dem Sperrguthaben ihres Schwagers Markus Brückenstein erhalten, da sie sich in finanzieller Not befand. Paula Brückenstein wurde mit der Berufsbezeichnung "Pflegerin" am 24. September 1942 von Wien nach Theresienstadt deportiert und von dort am 16. Mai 1944 weiter nach Auschwitz. Am 20. Juli 1944 kam sie mit einem weiteren Transport ins KZ Stutthof, wo sie am 26. Dezember 1944 ermordet wurde.

Stand: Juni 2024
© Susanne Rosendahl

Quellen: 1, 5, StaH 314-15_F0224, 314-15_F224, 314-15_R1939/2063, 621-1/86_25, 362-6/10 Talmud-Tora-Schule: Film 741-4_Sa1247, 351-11_44078 (Ornstein Fanny), 351-11_44079 (Ornstein Jonas), 332-5_8741 Nr. 324/1920 (Heiratsurkunde Jonas Ornstein und Rywka Schilberg), 741-4 Fotoarchiv L23-2 (Firmenarchiv Siegfried Urias Nr. 25), 213-11_50682; Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes, https://www.doew.at/result# https://de.findagrave.com/memorial/102030432/joel-bruckenstein? (Zugriff 4.4.2024); ancestry: in der Sammlung Deutschland, Find a Gravc® Index, 16000-heute (Joel Brückenstein), ancestry: in der Sammlung Deutschland: Aufzeichnungen des Konzentrationslagers Dachau, 1945 (Joel Brückenstein), ancestry: in der Sammlung Österreichische Juden in Konzentrationslagern, 1939-1945 (Brückenstein Paula), ancestry: Standesamt Hamburg, Sterberegister Nr. 677/1942 (Jakob Schilberg), ancestry: Standesamt Hamburg, Sterberegister Nr. 766/1918 (Rahel Ornstein/Schüllberg); https://collections.arolsenarchives.org/de/search/person/9997172?s=br%C3%BCckenstein&t=2009265&p=0,Signatur 01010602 023.011 (Joel Brückenstein) (Zugriff 2.4.2024); https://collections.arolsen-archives.org/de/search/person/130429585?s=br%C3%BCckenstein&t=532940&p=0, Zugangsbuch, Häftlingsnummern, Signatur 805460003, Copy of 6.3.3.2 / 105674498 in conformitywith ITS Digital Archive, Arolsen Archives Korrespondenzakte (Zugriff 2.4.2024); https://www.jewishgen.org/yizkor/bolekhov/bol117.html (Zugriff 2.4.2024); https://felixarchief.antwerpen.be/detailpagina?invnr=994_5447&dtnr=100_2962&dtrecordid=69304&page=1&pageSize=10&type=copy (Zugriff 2.4.2024); https://beeldbank.kazernedossin.eu/portal/media?q=ornstein,Ornstein (Zugriff 6.5.2024); https://www.kz-gedenkstaette-neuengamme.de/geschichte/totenbuch/die-toten-1940-1945/?tx_registerofdeaths_registerofdeaths%5Baction%5D=show&tx_registerofdeaths_registerofdeaths%5Bcontroller%5D=Person&tx_registerofdeaths_registerofdeaths%5Bperson%5D=17005&cHash=c08a02a7ff953af174482ea256cf2c3a (Zugriff 6.5.2024); Diverse Adressbücher Hamburg, Diverse Adressbücher Wien.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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