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Bereits verlegte Stolpersteine



Gerson Jacobsen * 1941

Rutschbahn 11 (Eimsbüttel, Rotherbaum)

1942 Auschwitz

Weitere Stolpersteine in Rutschbahn 11:
Ilse Dotsch, Malka Goldberg, Hanna Heimann, Regine Jacobsen, Ludwig Jacobsen, Klara (Clara) Jacobsen, Beer Lambig, Pescha Lambig, Senta Lambig, Samuel Lambig, Leo Lambig, Manuel Staub, Gerson Stoppelman, Augusta Szpigiel

Clara (Klara) Jacobsen, geb. Löwenstein, geb. 2.6.1902 in Köln, deportiert 11.7.1942 nach Auschwitz
Gerson Jacobsen, geb. 28.1.1941 in Hamburg, deportiert 11.7.1942 nach Auschwitz
Ludwig Jacobsen, geb. 8.7.1900 in Hamburg, deportiert 8.11.1941 nach Minsk
Regine Jacobsen, geb. 18.11.1934 in Hamburg, deportiert 11.7.1942 nach Auschwitz

Rutschbahn 11

Ludwig Jacobsens Großvater, Adolph Michel Jacobsen, geb. 16.1.1834 in Altona, hatte einen Familienbetrieb gegründet, die Firma A. M. Jacobsen. Er war verheiratet mit Klara/Clara, geb. Joseph, geb. 24.11.1842 in Hamburg. Beide waren jüdischer Herkunft. Aus ihrer Ehe gingen mehrere Kinder hervor. Der Sohn Michel, geb. 28.8.1868, wurde zum Mitinhaber der Firma, sein sieben Jahre jüngerer Bruder Jacob (geb. 20.1.1875) trat ebenfalls in den elterlichen Betrieb ein. Sie bauten ihn zu einem Großhandel für Bedarfsartikel für Gärtnereien und Blumenbindereien mit Sitz in der Woltmanstraße in Klostertor aus, heute St. Georg. Der Blumengroßmarkt am Klosterwall war nicht weit entfernt.

Michel Jacobsen heiratete am 24. Oktober 1895 die gleichaltrige Regine Offenburg, geb. 6.1.1868, eine Dänin. Sie wohnten beide in der Hamburger Neustadt. Regines Vater Joseph Offenburg, geb. 25.8.1824, war 1890 nach dem Tod seiner Ehefrau Sara, geb. Fränckel, mit der Tochter und dem Sohn Nathan Hirsch, geb. 8.6.1866, von Kopenhagen nach Hamburg übergesiedelt und zunächst zu Verwandten gezogen. Nachdem sich Nathan Offenburg mit einem Bank- und Wechselgeschäft etabliert hatte, mietete er eine Wohnung in der Mathildenstraße 10, wo er bis an sein Lebensende am 9. September 1892 gemeinsam mit seinen Kindern lebte. Er wurde auf dem jüdischen Friedhof an der Ihlandkoppel in Hamburg-Ohlsdorf in einem Einzelgrab beigesetzt. Ein halbes Jahr nach seinem Tod zogen die Geschwister um und wohnten bis zu Regines Heirat Bei der kleinen Michaeliskirche 30. Michel Jacobsen lebte damals noch im Elternhaus, Alter Steinweg 22/23. Nach seinem Auszug zogen die Eltern in das Levy-Stift Gr. Neumarkt 56. Dort starb Klara Jacobsen am 14. Januar 1900.

Die jungen Eheleute zogen in die Wexstraße 10. Dort brachte Regine Jacobsen am 24.11.1897 ihr erstes Kind zur Welt, einen Sohn, der nach dem verstorbenen Großvater mütterlicherseits Joseph genannt wurde. Ihm folgten drei weitere Söhne, Marcus (25.12.1898), Ludwig (8.7.1900) und nach einem Umzug in die Carolinenstraße 32 Jacob Ivan (12.10.1901).

Als Witwer zog Adolph Michel Jacobsen zunächst in die Wexstraße 14. Er verließ jedoch – wie viele Juden zu Beginn des 20. Jahrhunderts – die Neustadt: 1906 zog er ins Grindelviertel und wohnte bis zu seinem Tod im Alter von 83 Jahren am 14. Juli 1917 zur Untermiete in der Bornstraße 24. Michel Jacobsen war mit seiner Familie inzwischen in die Bornstraße 6 gezogen.

Entgegen der kaufmännischen Tradition wurde Joseph Jacobsen nicht dafür ausbildet, den elterlichen Betrieb zu übernehmen, wohl aber folgte er der geistigen Tradition. Nach dem Besuch der Talmud Tora Realschule wechselte er auf die Heinrich-Hertz-Oberrealschule, wo er das Abitur ablegte, nahm am Ersten Weltkrieg teil und begann danach, zunächst in München, das Studium von Musikwissenschaft, Französisch, Englisch und Hebräisch. Zur Fortsetzung des Studiums ging er nach Leipzig und kehrte zum Abschluss nach Hamburg zurück. Dort begann er 1923, an der Talmud Tora Realschule zu unterrichten.

Auch der zweite Sohn, Marcus, wuchs nicht in den Familienbetrieb hinein. Er besuchte die Kunstgewerbeschule und starb bereits im Alter von 18 Jahren.

Jacob Ivan durchlief nach Abschluss der Talmud Tora Realschule eine kaufmännische Ausbildung. Anschließend sammelte er Berufserfahrung, bevor er 1924 in den elterlichen Betrieb eintrat. Neben Schule und Beruf betrieb er Sport im Verein Bar Kochba und spielte insbesondere Hockey.

Über Ludwig Jacobsen ist am wenigsten bekannt. Es ist anzunehmen, dass er eine entsprechende Schul- und Berufsausbildung erhielt wie sein jüngerer Bruder. Schon mit 21 Jahren trat er als Prokurist in die elterliche Firma ein. 1924 machte sich sein Onkel Jacob, der mit seiner Frau Guste, geb. Möller, geb. 13.2.1871, und den Kindern Klara (geb. 30.3.1904) Pincus Paul (19.12.1905) in Eimsbüttel in der Bismarckstraße 134 lebte, mit einem eigenen Betrieb für Blumenbedarfsartikel selbständig, dessen Lager er am Grindelberg 84 betrieb. Sein Bruder Michel blieb Inhaber der Firma.

Die drei Brüder gehörten dem orthodoxen Synagogenverband an wie auch ihr Onkel Nathan Offenburg, der sich in der jüdischen Gemeinde in einigen Gremien engagierte. Er lebte mit seiner Frau Bertha, geb. Leinkauf, geb. 23.5.1878 in Wien, und ihren vier Kindern in enger Nachbarschaft in der Dillstraße 21.

1924 promovierte Joseph Jacobsen zum Dr. phil. in Hamburg. Am 17. Oktober schloss er in Frankfurt am Main die Ehe mit der Studienreferendarin Martha Feist, geb. 10.9.1895, die dort geboren war. Weder sein Vater noch einer seiner Brüder nahmen als Trauzeugen daran teil.

Martha Jacobsen beendete offenbar ihre eigene berufliche Laufbahn mit ihrer Heirat und dem Umzug nach Hamburg.
Ihr Ehemann Joseph hingegen prägte als Musikpädagoge nicht nur das Musikleben der Talmud Tora Schule, sondern auch das jüdischer Jugendbünde. Aus ihrer Ehe gingen vier Kinder hervor. Die Familie lebte bis zu ihrer Emigration in Harvestehude.

Ludwig Jacobsen lebte jahrelang in Untermiete in der Bornstraße 5 gegenüber von seinen Eltern und seinem Bruder Jacob Ivan. Dieser zog nach seiner Heirat mit Jeanette Fielmann, geb. 24.9.1906 in Hamburg, nach Eimsbüttel, während Ludwig im Grindelviertel blieb. Er heiratete 1927 Clara Löwenstein, geb. 2.6.1902 in Köln, Tochter des Kaufmanns Gottfried Löwenstein und seiner Ehefrau Gudula, geb. Kaufmann. Die Heirat fand in Köln statt, und Clara zog zu ihrem Ehemann nach Hamburg in die Fröbelstraße 8. Ihr neues Zuhause wurde 1933 eine Wohnung im zweiten Stockwerk eines Mehrfamilienhauses in der Rutschbahn 11, das der Gesellschaft Alte und Neue Klaus gehörte. Dort wohnten auch Nicht-Juden. Auf der Rückseite des Innenhofs befanden sich das Lehrhaus und die Synagoge.

Clara Jacobsen brachte als erstes Kind am 22.7.1929 einen Sohn zur Welt, der nach seinem Großvater väterlicherseits Adolf genannt wurde.

Ihr Schwiegervater, Michel Jacobsen, starb 1931 im Alter von 63 Jahren in seiner Wohnung Bornstraße 6.
Regine Jacobsen führte nun den Betrieb als alleinige Inhaberin fort. Noch vor der Machtübergabe an Adolf Hitler ergriffen mittelständische Unternehmer Boykottmaßnahmen gegen jüdische Firmen, die sich auch gegen die Firma A. M. Jacobsen richteten. Ob die Verlegung des Firmensitzes in die Repsoldstraße 93/Klostertor eine Reaktion darauf war, ist nicht belegt.

Regine Jacobsen selbst zog als Untermieterin in die Bieberstraße 9.

Es gelang Regine Jacobsen und ihren Söhnen nicht, den Konkurs 1933/34 aufzuhalten. Als sie am 13. März 1934 starb, betrug der Schuldenstand 100.000 RM. Im Wissen, unter den gegebenen Umständen diese Schuldenlast niemals abtragen zu können, schlugen die Söhne das Erbe aus, so dass es an den Staat fiel. Der Statthalter übergab den durch den Konkurs entschuldeten Betrieb Wilhelm Kalbfell als neuem Besitzer, der Ludwig und Jacob Ivan als Angestellte übernahm.

In dieser Zeit von politischer und gerade überwundener wirtschaftlicher Unsicherheit wurde am 18. November 1934 die Tochter Regine geboren. Für Adolf Jacobsen nahte die Zeit der Schulpflicht. Da es für die orthodox-jüdische Familie selbstverständlich war, dass die Kinder die jüdischen Schulen besuchten, stellte die Diskriminierung der jüdischen Schüler an staatlichen Schulen kein Problem für sie dar. Adolf wurde am 8. Dezember 1935 für die erste Klasse des neuen Schuljahrs 1936 in der Talmud Tora Schule angemeldet. Er kam in die Klasse 1b, bei einem ermäßigten Schulgeld von monatlich 8 RM. Sein Schulweg durch die Dill- oder Rappstraße war auch für einen Erstklässler leicht zu bewältigen.

Die erste Deportation einer Familie aus dem Haus betraf die Familie des Buchhändlers Lambig (s. dieselben, Stolpersteine in Hamburg). Sie wurden Opfer der "Polenaktion" am 10. Oktober 1938, wie auch Herschel Grynszpans Eltern. Sein Schuss auf den Botschaftsmitarbeiter von dem Rath in Paris war der Auslöser für den nun folgenden Novemberpogrom, der jedem Juden klar machte, dass eine neue Phase der Verfolgung begonnen hatte.

In der Nacht vom neunten auf den zehnten November 1938 wurde die Klaus demoliert, die Lehrer inhaftiert, die Talmud Tora Schule geschlossen. Adolf besuchte mittlerweile die dritte Klasse. Bei dem Versuch, die Torarollen zu sichern, wurde Ludwig Jacobsen festgenommen und wie seine Brüder Jacob Ivan und Joseph in das KZ Sachsenhausen eingeliefert.

Am 17. November 1938 brachte Clara Jacobsen ihr drittes Kind zur Welt, einen Sohn. Inzwischen war es Juden verboten, ihren Kindern "deutsche" Namen zu geben. Nach der im August 1938 erlassenen Liste erlaubter Namen wurde das Kind Eljakim genannt. Eljakim kam als Frühgeburt in die Kinderklinik Johnsallee 1. Etwa zur gleichen Zeit wurde Joseph Jacobsen auf Betreiben des Gestapokommissars aus dem KZ Sachsenhausen entlassen, da er als Lehrer der wieder eröffneten Talmud Tora Schule gebraucht wurde. Die Entlassung Ludwig Jacobsens sechs Wochen später fiel zusammen mit dem Tod seines Sohnes Eljakims. Dieser starb in der Kinderklinik am 23. Dezember 1938 an "Lebensschwäche". So konnte sein Vater selbst Eljakims Tod beim Standesamt anzeigen. Das Kind wurde wie seine väterlichen Verwandten auf dem jüdischen Friedhof in Langenfelde beerdigt.

Bevor Tochter Regine schulpflichtig wurde, starb auch ihr Bruder Adolf mit neun Jahren am 28. März 1939 im Israelitischen Krankenhaus an schweren Entzündungskrankheiten und wurde ebenfalls auf dem jüdischen Friedhof in Langenfelde beigesetzt.

Nach sechs Wochen Haft, gesundheitlich stark beeinträchtigt, kehrte auch Jacob Ivan aus der Haft zurück. Die Brüder Jacobsen hatten mit dem Novemberpogrom ihre Anstellung verloren. Jeanette Jacobsens Eltern lebten bereits in Kapstadt und halfen bei der umgehenden Auswanderung ihres Schwiegersohns mit seiner Familie, die bereits am 31. Dezember 1938 nach Bulawayo im damaligen Rhodesien, heute Simbabwe, ging. Joseph Jacobsen emigrierte mit seiner Familie im März 1939 nach England, wo er 1943 in London starb.

Ob Ludwig Jacobsen zu emigrieren versuchte, ist nicht bekannt. Er verfügte über kein zu versteuerndes Einkommen mehr und zahlte deshalb auch nur das Kopfgeld von 1 RM pro Monat an die jüdische Gemeinde.

Am 28. Januar 1941 brachte Clara Jacobsen einen weiteren Sohn zur Welt, Gerson. Im Frühjahr wurde Regine in der ehemaligen Mädchenschule der Deutsch-Israelitischen Gemeinde in der Carolinenstraße 35 eingeschult. Als "Volks- und Höhere Schule für Juden" war sie nach der Zusammenlegung mit der TTS nun die einzige jüdische Schule in Hamburg. Ab 19. September musste auch Regine Jacobsen bereits als Kind den gelben Stern tragen.

Als im Oktober die Deportationen Hamburger Juden "zum Aufbau im Osten" begannen, wurde Ludwig Jacobsen ohne seine Ehefrau und die Kinder zur zweiten Evakuierung am 8. November 1941 aufgerufen, die in das Getto von Minsk führte. Mit demselben Transport verließen zwei Grundschullehrer aus Regines Schule Hamburg. Anders als in den meisten Fällen, in denen der Mann zunächst allein nach Minsk deportiert wurde, erhielt Clara Jacobsen mit den Kindern nicht den Deportationsbefehl für den 18. November 1941. Ihr war eine kurze Frist vergönnt. Nun legte die Jüdische Gemeinde für sie eine eigene Kultussteuerkarteikarte an, auf der sie als "gt" – getrennt – geführt wurde. Sie zog mit Regine und Gerson in die Dillstraße 15. Sie sahen ihren Mann und Vater nie wieder.

Für die deportierten Grundschullehrer wurde Rebekka Cohn, die schon im Ruhestand war, wieder eingestellt. Sie unterrichtete nun auch Regine. Mit der Verfügung des Hamburger Reichsstatthalters Kaufmann vom 29. April 1942 hatte die Unterrichtung jüdischer Kinder zu enden, und die Schule Carolinenstraße wurde geräumt. Im ehemaligen jüdischen Knaben-Waisenhaus fanden die verbliebenen Lehrkräfte und Schulkinder eine neue Bleibe. Nur zwei Monate später, am 30. Juni 1942, endete jeglicher Unterricht für jüdische Kinder im Deutschen Reich. Die Kinder und Jugendlichen der nunmehr "Jüdische Schule in Hamburg" genannten Einrichtung erhielten ihre Abgangszeugnisse. Rebekka Cohn schrieb für jede und jeden ihrer sieben Erstklässler einen Bericht. Über Regine Jacobsen schrieb sie: "Regine ist ein sehr lebhaftes Kind, das mit großem Interesse dem Unterricht folgt. Ihre Leistungen im Lesen sind sehr gut. Das Gelesene kann sie gut wiedererzählen. Sie rechnet schnell und sicher. Regine schreibt gute Diktate. Besonders gut sind Regines Leistungen im Hebräischen. R. ist musikalisch begabt. – Sie hat das Klassenziel erreicht."

Nur elf Tage später wurde Regine Jacobsen zusammen mit ihrer Klassenlehrerin, ihrer Mutter und dem Bruder Gerson direkt nach Auschwitz deportiert. Zu dem Transport gehörten drei weitere Lehrkräfte und 20 Schulkinder. Er umfasste 300 Personen, von denen keine zurückkehrte. Auch Ludwig Jacobsen kehrte nicht zurück.


Stand: Oktober 2017
© Hildegard Thevs

Quellen: 1; OFP?; 4; 5; 7; 8; 9; AB; JFHH A 12-169; StaH 232-3 Testamentsbehörde, H 10615; 311-1 IV Finanzverwaltung, VuO II B 6 gb (Regine Jacobsen Nachlass); 332-5 Standesämter, 771-798/1917; 1024-116/1934; 1053-164/1936; 2435-4025/1897; 2463-4091/1898; 2850-1047/1895; 8039-451/1917; 8107-449/1931; 13282-1534/1900; 13624-2328/1901; 351-11 AfW, 31299 (Jeanette Jacobsen); Historisches Archiv der Stadt Köln; Standesamt Köln, Geburtsurkunde Nr. 1093/1902; Landesarchiv NRW Abteilung Rheinland, Standesamt Köln III, Heiratsurkunde Nr. 467/1927; Informationstafeln Alte und Neue Klaus, Rutschbahn 11; Betty Batja Rabin, Friendly Enemy Aliens or Uprooted but not rootless, in: Eine verschwundene Welt. Jüdisches Leben am Grindel, (Hrsg.) Ursula Wamser und Wilfried Weinke, Hamburg 2006; Heinsohn, Kirsten: Ophir, Baruch Zwi (Benno Offenburg), Das jüdische Hamburg. Göttingen 2006; Randt, Ursula: Jacobsen, Joseph, ebd.; dies. Die Talmud Tora Schule in Hamburg 1805 bis 1942, München/Hamburg 2005. Der Aktenbestand Oberfinanzpräsident des Hamburger Staatsarchivs stand leider für diese Forschung nicht zur Verfügung.

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